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NAHOST/1228: Atomgespräche der P5+1 mit Iran enden ergebnislos (SB)


Atomgespräche der P5+1 mit Iran enden ergebnislos

Verhandlungen in Almaty - Weder Durchbruch noch Zusammenbruch



Am 7. April sind in der kasachischen Handelsmetropole Almaty die jüngsten Verhandlungen um das iranische Atomprogramm, hinter dem vor allem die USA und Israel heimliche Kernwaffenforschung vermuten, nach zwei Tagen ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Dennoch herrschte keine negative Atmosphäre. Nach Angaben von Unterhändlern des Irans und der Gruppe P5+1 (die fünf ständigen Mitgliedstaaten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, also China, Frankreich, Großbritannien, Rußland, die USA plus Deutschland) sind die Gespräche sachlich und höflich geführt worden. Das gaben in unterschiedlichen Stellungnahmen vor der Presse die wichtigsten Teilnehmer des Treffens, die EU-Vertreterin Catherine Ashton sowie die Leiter der amerikanischen, russischen und iranischen Delegationen, Wendy Sherman, Sergej Riabkow und Saeed Jalili bekannt. Im Verlauf der beiden Tage soll es sogar zu einem langen bilateralen Gespräch zwischen Sherman und Jalili gekommen sein, was bedeutet, daß Washington und Teheran immerhin wieder miteinander kommunizieren, wenn auch auf Sparflamme.

Bei der ersten Verhandlungsrunde im Februar hatten die P5+1 dem Iran folgendes Angebot gemacht: Suspendierung der unterirdischen Anlage in Fordow, wo Uran auf 20 Prozent Reinheitgrades mit U235 angereichert wird, gegen Akzeptanz der Weitergewinnung von schwachangereichertem Uran zur Herstellung von Brennstäben für die zivile Stromerzeugung sowie eine gewisse Lockerung der von den Vereinten Nationen verhängten Wirtschaftssanktionen. Das Angebot stellte ein nicht unbedeutendes Zugeständnis dar, hatte die "internationale Gemeinschaft" bis dahin doch von Teheran die Schließung von Fordow und den vollständigen Verzicht auf jede Art der Urananreicherung verlangt. Die USA und ihre Verbündeten wollen verhindern, daß die Iraner genügend Spaltmaterial zum Bau einer Atombombe produzieren. Deshalb wird mit Hilfe der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) penibelst auf die Menge an Uran geachtet, die Iran auf 3 bzw. 20 Prozent Reinheitgrades U235 angereichert hat.

Die Iraner ihrerseits beharren auf dem Recht einer Anreicherung im eigenen Land, und das nicht nur aus Prinzip als Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrages. In der Vergangenheit haben ausländische Vertragspartner - vor allem Frankreich - auf Druck der USA Brennstoff für das iranische Kernkraftwerk Buschehr am Persischen Golf nicht geliefert. Daher will sich Teheran nicht wieder in eine solche Abhängigkeit begeben. Der Iran bekommt vom Ausland auch keine radioaktiven Isotope zur Behandlung von Krebserkrankten und reichert deshalb in Fordow Uran auf 20 Prozent U235 hoch, um es in einem alten Testreaktor in Teheran aus der Ära des Schahs weiter zu verarbeiten und anschließend für medizinische Zwecke zu benutzen. Durch diese Praxis haben die Verantwortlichen in der Islamischen Republik in letzter Zeit dafür gesorgt, daß die gewonnene Menge an 20 Prozent angereichertem Uran niemals ausreicht, um daraus nach der Anreicherung auf 90 Prozent einen Atomsprengkopf bauen zu können. Auf diese Weise haben sie ihren Standpunkt, die Kernenergie ausschließlich zu friedlichen Zwecken nutzen zu wollen, unterstrichen.

In Almaty hat Jalili das Angebot der P5+1 weder akzeptiert noch abgelehnt. Statt dessen haben die Iraner den anderen Delegationen einen eigenen Vorschlag unterbreitet. Er sieht die Anerkennung des prinzipiellen Rechts des Irans auf Urananreicherung im eigenen Land und die Aufhebung aller wirtschaftlichen Sanktionen innerhalb von sechs Monaten vor. Im Gegenzug sollen die iranischen Nuklearanlagen, einschließlich Fordow, noch strengeren Kontrollen durch die IAEA unterworfen und die letzten Verdachtsmomente hinsichtlich der Existenz einer militärischen Komponente im iranischen Atomprogramm ausgeräumt werden. Im Grunde signalisiert die Führung in Teheran ihre Bereitschaft, die Forderungen des Westens nach mehr Transparenz zu erfüllen, verlangt dafür jedoch einen konkreten Zeitplan für die Aufhebung der Sanktionen, die der Wirtschaft Irans schwer zugesetzt haben.

Angesichts der bevorstehenden Präsidentenwahl im Juni im Iran hat niemand von Almaty den großen "Durchbruch" erwartet. Pressemeldungen zufolge waren alle einfach froh, daß die Verhandlungen keinen "Zusammenbruch" erlitten. Wenngleich alle Beteiligten zusicherten, in Kontakt zu bleiben, weiß derzeit niemand, wie und wann es weitergehen soll. In einer ersten Reaktion auf den nicht sonderlich optimistischen Ausgang der Verhandlungen in Kasachstan erklärte US-Außenminister John Kerry am 7. April bei einem Besuch in der Türkei, für den Iran stünde zwar "die Tür noch offen", die Islamische Republik müsse aber mehr unternehmen, um alle Zweifel bezüglich Umfang und Art ihres Atomprogramms zu beseitigen. Kerry warnte, daß die Gespräche irgendwann ein konkretes Ergebnis zeitigen müßten, sonst würden sich die USA dazu veranlaßt sehen, andere Maßnahmen zu ergreifen.

Gemeint ist natürlich die Anwendung militärischer Gewalt, auf die seit langem die israelische Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu drängt. Folglich war es keine Überraschung, als auch am 7. April Yuval Steinitz, der neue israelische Minister für strategische Angelegenheiten, der als enger Vertrauter Netanjahus gilt, im Umgang mit Teheran eine härtere Gangart verlangte. Im Interview mit dem Radiosender der israelischen Streitkräfte erklärte Steinitz, "weder Sanktionen noch Gespräche" seien "genug"; für "die ganze Welt, die USA und den Westen" sei "die Zeit gekommen ... die Iraner militärisch zu bedrohen, ihnen eine eindeutige rote Linie aufzuzeigen ... um Ergebnisse zu erzielen." Steinitz behauptete, die Iraner würden die Verhandlungen mit der Gruppe P5+1 lediglich dazu nutzen, um Zeit für den Bau einer Atombombe zu gewinnen. Sollte der Iran die Urananreicherung nicht einstellen, sollten "innerhalb weniger Wochen" Taten folgen.

In letzter Zeit hat sich Netanjahu vergleichsweise wenig zu der angeblich vom iranischen Atomprogramm für Israel ausgehenden "existentiellen Bedrohung" geäußert, womöglich um der internationalen Diplomatie eine Chance zu geben. Es wird vermutet, daß die Obama-Regierung im Gegenzug grünes Licht für militärische Maßnahmen - aller Wahrscheinlichkeit als gemeinsame Aktion der amerikanischen und israelischen Streitkräfte - erteilt hat, sobald festgestellt wird, daß die Verhandlungen mit Teheran nicht zum erwünschten Resultat führen. Beobachter gehen davon aus, daß der Zeitpunkt hierfür noch in diesem Sommer erreicht werden könnte. Jedenfalls lassen die jüngsten Äußerungen der wichtigsten Akteure eine friedliche Lösung immer unwahrscheinlicher werden. Beim Besuch in Jerusalem am 8. April hat John Kerry erklärt, Präsident Obama werde "nicht zögern", den Befehl zum Angriff auf den Iran zu geben, sollten sich die Verhandlungen mit Teheran als sinnloses Unterfangen erweisen. Mit der Standardverklausulierung - "Keine Option ist vom Tisch. Keine Option wird vom Tisch genommen" - hat Kerry sogar mit dem völkerrechtlich illegalen Einsatz von Atomwaffen gedroht.

Ebenfalls am 8. April hat Alaeddin Boroujerdi, Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik und Sicherheit im Parlament vom Teheran, mit einem Austritt der Islamischen Republik aus dem Atomwaffensperrvertrag gedroht, sollten die offiziellen Atommächte dem Iran weiterhin das Recht auf Urananreicherung streitig machen und das Land deshalb weiterhin mit Sanktionen belegen, während sie der eigenen Verpflichtung nach demselben Abkommen, nämlich nuklear abzurüsten, nicht nachkämen. Am 9. April hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Inbetriebnahme zweier Uranminen und einer neuen Uranverarbeitungsanlage nahe der Stadt Ardakan im Zentrum des Landes bekanntgegeben - und damit den Feinden der Islamischen Republik in Medien und Politik des Westens weitere Munition in die Hand gegeben.

9. April 2013