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NAHOST/1125: Rußland stärkt Syriens Präsident Assad den Rücken (SB)


Rußland stärkt Syriens Präsident Assad den Rücken

Moskau stellt sich einem "Regimewechsel" in Damaskus in den Weg


In Syrien bleibt die Lage trotz oder gerade wegen der sich dort seit Ende letzten Jahres aufhaltenden westlichen Reporter und Beobachter der Arabischen Liga vollkommen unübersichtlich. Doch der Granatenangriff auf eine Gruppe ausländischer Journalisten, die am 12. Januar in Begleitung von Regierungsvertretern eine Besichtigungstour in der Rebellenhochburg Homs unternahmen, läßt erkennen, daß einige Gegner von Präsident Baschar Al Assad alles andere als friedliche Demokratieaktivisten sind. Beim Besuch einer im Verlauf der Unruhen beschädigten Schule wurde die Gruppe von Unbekannten mit Granaten beschossen. Es kamen acht Menschen, darunter der französische Korrespondent Gilles Jacquier, ums Leben. Rund zwei Dutzend Menschen wurden verletzt. Der Versuch assadfeindlicher Kräfte, der Regierung in Damaskus die Urheberschaft der tödlichen Schüsse anzuhängen, wirkt abwegig - auch wenn die meisten westlichen Medien weiterhin am Schwarz-Weiß-Bild von der gewaltlosen Opposition auf der einen Seite und den zu jeder Schandtat bereiten, staatlichen Sicherheitskräften auf der anderen festhalten.

Im Verlauf der inzwischen seit zehn Monaten anhaltenden Unruhen in Syrien hat es zahlreiche Meldungen gegeben, die zwar keine großen Schlagzeilen machten, die jedoch erkennen ließen, daß bestimmte Kräfte die Proteste dort als Gelegenheit nutzen, die Reformpläne der Regierung in Damaskus zu vereiteln, das Land vollkommen zu destabilisieren und einen "Regimewechsel" mit allen Konsequenzen durchzuziehen. Zu denjenigen, die aus Syrien ein zweites Libyen - oder schlimmer noch einen zweiten Irak - machen wollen, gehören sunnitische Salafisten von der Moslembruderschaft sowie die Regierungen der USA, Jordaniens, der Türkei, Saudi-Arabiens und der mit letzterem verbündeten arabischen Staaten am Persischen Golf. Stürzt das alewitisch geprägte "Regime" in Damaskus, so wäre der Iran, der größte Gegner amerikanischer Hegemonie im Nahen Osten, über den Landweg von der schiitischen Hisb Allah im Libanon abgeschnitten und in der Region isoliert. Vor diesem Hintergrund wirkt die ständig geäußerte Sorge von US-Außenministerin Hillary Clinton und anderen westlichen Diplomaten um die Lage der syrischen Zivilbevölkerung mehr als vorgeschoben.

Die geopolitische Brisanz der Lage in Syrien erklärt, warum Rußland seine schützende Hand über Damaskus hält und bisher konsequent die Verhängung drastischer Sanktionen gegen das Assad-"Regime" durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhindert hat. Wegen seiner Haltung in der Syrien-Frage muß Moskau seit Wochen heftige Kritik aus Washington über sich ergehen lassen. Dieselbe Haltung erklärt, warum die jüngsten Proteste in Rußland gegen die voraussichtliche Wiederwahl Wladimir Putins zum alten und neuen Präsidenten in den westlichen Medien derart frenetisch gefeiert werden.

Syrien gilt seit den Tagen der Sowjetunion als treuester Verbündeter Moskaus und wichtigster Abnehmer russischer Rüstungsgüter in der arabischen Welt. Darüber hinaus unterhält die russische Marine in der syrischen Hafenstadt Tartus ihren einzigen Stützpunkt am Mittelmeer. Fiele das "Regime" in Damaskus, ginge Syrien für Rußland für immer verloren, denn es käme eine Regierung von westlichen Gnaden an die Macht. Deshalb drängt Moskau auf einen geordneten Übergang zum Mehrparteiensystem und hat syrische Oppositionspolitiker vor der Gefahr eines blutigen Chaos in ihrem Land gewarnt, sollten sich diejenigen, die für ihre Ziele einen Bürgerkrieg in Kauf nehmen, durchsetzen.

Daß der Kreml in dieser komplizierten Situation Präsident Assad militärisch den Rücken stärkt, zeigen jüngste Berichte über russische Waffenlieferungen an Damaskus. Demnach hatte der russische Frachter Chariot, der Anfang Dezember St. Petersburg verließ und am 11. Januar in Tartus einlief, größere Mengen Rüstungsgüter an Bord. Der britische Guardian spricht von vier vollen Schiffscontainern, die New York Times von 50 bis 60 Tonnen Kriegsmaterial. Auch wenn die syrischen Sicherheitskräfte bei der Bekämpfung des Aufstandes der "Freien Syrischen Armee", der Freiwilligen der Moslembruderschaft und ihrer ausländischen Mitläufer militärischen Nachschub gut gebrauchen können, hat die Entsendung der Chariot auch großen Symbolcharakter. Sie läßt erkennen, daß Rußland nicht so einfach gewillt ist, die USA und ihre Verbündeten über das Schicksal Syriens allein entscheiden zu lassen, wie es Moskau letztes Jahr im Falle Libyens getan hat. Im nächsten Monat soll laut Präsident Assad in Damaskus eine neue Übergangsregierung unter Beteiligung der bisherigen Opposition gebildet werden. Sollten sich die Gegner Assads mit diesem Kompromiß nicht abfinden und weiterhin mit allen Mitteln auf einen "Regimewechsel" drängen, könnte der schwelende Bürgerkrieg in Syrien eine gefährliche Konfrontation zwischen den USA und der Russischen Föderation mit sich bringen.

14. November 2012