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NAHOST/1110: IAEA bauscht iranische Atomwaffengefahr auf (SB)


IAEA bauscht iranische Atomwaffengefahr auf

Die Gründe für die "zunehmende" Besorgnis der IAEA überzeugen wenig


Die Meldung, die Verantwortlichen bei der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) seien "zunehmend besorgt" darüber, daß der Iran heimlich die Erforschung und den Bau von Atomwaffen betreibe, hat am Abend des 2. September weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Zugleich hat sie den Hoffnungen auf eine baldige Beilegung des sogenannten "Atomstreits" zwischen dem Iran auf der einen Seite und den USA auf der anderen einen mächtigen Dämpfer verpaßt. Gerade in den letzten Wochen hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow mit seinem iranischen Amtskollegen Ali Akbar Salehi einen Stufenplan erarbeitet, der einen allmählichen Abbau der gegen Teheran verhängten UN-Sanktionen bei intensiverer Zusammenarbeit der Iraner mit der IAEA vorsieht. Sozusagen als Vorgeschmack auf eine neue Ära der Transparenz durfte Ende August eine IAEA-Delegation auf Einladung Teherans eine außerplanmäßige Besichtigungstour des Kernkraftwerkes Bushehr, der Urananreicherungsanlagen Fordo und Natans, der Fabrik für nuklearen Brennstäben in Isfahan und der Schwerwasserproduktionsanlage in Arak machen.

Angesichts der einseitigen Art und Weise, wie die IAEA in ihrem neuen Bericht die Lage im Iran zuungunsten der Behörden dort auslegt, dürfte es lange dauern, bis sich die Regierung in Teheran zu einer weiteren Geste des guten Willens veranlaßt sieht. Zwar stellen wie IAEA-Inspekteure zum wiederholten Mal keine Abzweigung von spaltbaren Material zu militärischen Zwecken - und damit die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages - fest, doch heben sie die Tatsache besonders hervor, daß die Iraner in der neuen unterirdischen Anlage Fordo erstmals eigens entwickelte Zentrifugen zur Anreicherung von Uran in Betrieb genommen haben. Doch der Iran als Unterzeichnerstaat des Nichtverbreitungsvertrags kann soviel schwach angereichertes Uran produzieren, wie er will, solange er dieses ausschließlich für zivile Zwecke benutzt.

Deswegen kommt der jüngsten Unterstellung der IAEA, die Iraner führten etwas im Schilde, besondere Bedeutung zu. Doch untersucht man den Wortlaut der betreffenden Passagen im IAEA-Bericht, so stellen sich diese als schwammig und in allerlei Richtungen interpretierbar heraus. In einer Eilmeldung der Nachrichtenagentur Reuters aus Wien von 18.32 Uhr am 2. September heißt es aus dem Bericht der IAEA, dort sei man "über die mögliche Existenz früherer oder heute nicht offengelegten nuklearbezogenen Aktivitäten im Iran unter Verwicklung dem Militär nahestenden Organisationen, darunter Aktivitäten bezüglich der atomaren Bestückung einer Rakete, über die die Agentur nach wie vor neue Informationen erhält, zunehmend besorgt." Über die Quelle der neuen Informationen machte die IAEA keine konkreten Angaben, behauptete laut Reuters jedoch, sie seien "weitestgehend verläßlich und glaubhaft, was die technischen Details und des Zeitrahmens, in dem die Aktivitäten betrieben wurden, und die beteiligten Personen und Organisationen betrifft."

In einer ersten Reaktion hat der iranische Vertreter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, die Vorwürfe gegen sein Land als "haltlos" bezeichnet und erneut beteuert, daß das iranische Atomprogramm ausschließlich friedlichen, zivilen Zwecken diene. Die Einwände Teherans sind nicht von der Hand zu weisen. Schließlich rührt die "zunehmenden Sorge" der IAEA aus neuen Informationen, die niemand kennt und die vermutlich auf geheimdienstliche Erkenntnisse der USA und Israels beruhen, die, wie man aus der Vergangenheit weiß, dazu neigen, die Absichten und Fähigkeiten ihrer Feinde besonders auf dem Feld der "Massenvernichtungswaffen" über alle Maße aufzubauschen. Die Iraner weigern sich auch zu Recht, sich zu dem sie belastenden Material, das sich angeblich auf einem vor einigen Jahren aus der islamischen Republik herausgeschmuggelten Laptop befindet, zu äußern, weil man ihnen nicht gestattet, es selbst auf seine Echtheit zu überprüfen, was ohnehin für die Vermutung spricht, daß es von der CIA oder dem Mossad kommt.

3. September 2011