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NAHOST/938: US-Neocons machen Barack Obama das Leben schwer (SB)


US-Neocons machen Barack Obama das Leben schwer

Obama und Hillary Clinton unter Dauerfeuer der ewigen Besserwisser


In den USA sieht sich Barack Obama dieser Tage schwere Angriffe der Neokonservativen ausgesetzt. Sie werfen ihn vor, Israel durch die Forderung des Stopps des Ausbaus jüdischer Siedlungen auf der besetzten Westbank unnötig unter Druck zu setzen und durch seine verhaltene Reaktion auf die politischen Unruhen in Teheran infolge des umstrittenen Ausgangs der iranischen Präsidentenwahl am 12. Juni die "grüne Revolution" in Stich gelassen zu haben. Nach dem grandiosen Scheitern des neokonservativen Kurses George W. Bushs im Nahen Osten, müßte man meinen, Obama hätte besseres zu tun, als Rücksicht auf die rabiaten Forderungen dieser engstirnigen, selbstgerechten Politsekte zu nehmen. Doch wegen ihrer Verbindungen zur Rüstungsindustrie, zur Israel-Lobby, zu den fundamentalistischen Christen und der nationalistischen Reaktion sowie zu großen Medien, vor allem zur Redaktion des Wall Street Journal und der von Rupert Murdoch finanzierten Politzeitschrift Weekly Standard, und ihrer ständigen Präsenz als Experten im Radio und Fernsehen, ist der Einfluß von Verbalrambos wie John Bolton, Paul Wolfowitz und Richard Perle auf die öffentliche Meinung in den USA enorm.

Den Neokonservativen ist die Islamische Republik des Iran seit langem ein Dorn im Auge. Deshalb drängten diese nach dem gewaltsamen Absetzung Saddam Husseins als Präsident des Irak im Frühjahr 2003 darauf, daß die erfolgreichen US-Streitkräfte ihren Feldzug fortsetzten und für einen "Regimewechsel" in Teheran sorgen sollten. Auch wenn das Aufkommen des irakischen Widerstands und des Wiederstarken der Taliban in Afghanistan weitere Militärabenteur Amerikas im Nahen Osten und Zentralasien unmöglich gemacht haben, so hängen die Neocons weiterhin ihren Träumen von einer "Transformation" der Region zwischen Mittelmeer und Arabischen Meer nach und wünschen sich nichts sehnlicher als die schnellstmögliche Installierung US-höriger "Regime" im Iran und Syrien.

Das Aufkommen der Straßenproteste in Teheran gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat die Neocons in ihrem Glauben bestärkt, die Iraner strebten nach "Freiheit" amerikanischer Prägung und wünschten nichts mehr als die Unterstützung und eine eventuelle Intervention Washingtons. Tatsache ist jedoch, daß die Protestierenden im Iran froh gewesen sein können, daß sich Obama in den letzten Wochen mit Äußerungen zur Lage ihrem Land zurückgehalten hat, sonst hätte der Sicherheitsapparat der Islamischen Republik leichtes Spiel gehabt, sie als "fünfte Kolonne" des Westens darzustellen. Ohnehin haben die Unterstützer des Oppositionsführers Mir Hussein Musavi genauso wenig wie die restliche Bevölkerung des Irans vergessen, daß es die USA und Großbritannien waren, die 1953 die demokratische Regierung von Mohammed Mossadegh gestürzt haben, weil dieser für sein Volk einen größeren Anteil an den Ölexporten des Landes wollte, und daß in den letzten Jahren die Neocons stets für die Möglichkeit eines amerikanischen Nuklearangriffs eingetreten sind, um die iranischen Atomanlagen zu zerstören.

Während sich im Iran im wesentlichen ein Machtkampf zwischen den Verfechtern neoliberaler Wirtschaftspolitik um Ex-Premierminister Musavi und dessen Gönner, Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsandschani auf der einen Seite und Sozialkonservativen um Präsident Mahmud Ahmadinedschad und dem obersten geistlichen Führer Ali Khamenei abspielt, tun die Neocons so, als handele sich um eine Neuauflage des ewigen Ringens zwischen den Kräften des Guten und des Bösen. Daher auch ihre Forderung, Obama hätte dafür zu sorgen, daß die Guten gewinnen. Der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina meinte vor wenigen Tagen, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sollte "die freie Welt anführen und ihr nicht hinterher laufen". Bei einem Auftritt beim Nachrichtensender Fox News warf der letztjährige republikanische Präsidentschaftskandidat McCain Obama vor, durch den Verzicht auf eine konfrontative Haltung die iranische "Demokratiebewegung" in Stich und die amerikanischen Ideale "verraten" zu haben. Im Weekly Standard bezeichneten William Kristol und Stephen Hayes den eigenen Präsidenten einen "De-facto-Verbündeten" des "Mullah"-Regimes. Eine ähnliche Position vertrat Wolfowitz, der unter Donald Rumsfeld Stellvertretender Pentagon-Chef war, in einem Gastkommentar für die Washington Post. Glücklicherweise kommen die Neokonservativen mit ihren Argumenten gar nicht so richtig durch. Laut Umfragen begrüßen die meisten Amerikaner die Zurückhaltung Obamas gegenüber der unübersichtlichen Situation im Iran.

Dessen ungeachtet fangen Amerikas Neokonservative nun damit an, Obama auf dem schwierigsten aller diplomatischen Felder, nämlich im Dauerdisput zwischen Israelis und Palästinensern, hineinzupfuschen. In einem Gastkommentar, der am 25. Juni im Wall Street Journal erschienen ist, hat Elliot Abrams, der unter Bush jun. Nahost-Beauftragter im Nationalen Sicherheitsrat war, Außenministerin Hillary Clinton praktisch als Lügnerin hingestellt, indem er behauptete, die Vorgängerregierung der USA habe Tel Aviv sehr wohl, wenn auch unter der Hand und nicht offiziell, grünes Licht für den Ausbau jüdischer Siedlungen gegeben. Es darf kein Zufall sein, daß am selben Tag, an dem der aufsehenerregende Gastbeitrag des Iran-Contra-Veterans beim Wall Street Journal erschien, der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu offenbar meinte, es sich leisten zu können, ein geplantes Treffen in Paris mit Obamas Nahost-Sonderbeauftragen George Mitchell kurzfristig abzusagen. Als Grund für die Absage Netanjahus nannte die New York Times Uneinigkeit in der Siedlungsfrage.

27. Juni 2009