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NAHOST/929: Angriff auf syrischen "Atomreaktor" bleibt rätselhaft (SB)


Angriff auf syrischen "Atomreaktor" bleibt rätselhaft

Untersuchungsergebnisse der IAEO liefern weiteren Streitstoff


Bis heute wirft der Überraschungsangriff der israelischen Luftwaffe am 6. September 2007 auf mehrere Gebäude nahe der Kleinstadt Dir Azour im Nordosten Syriens Rätsel auf und gibt Anlaß zu allerlei wilden Spekulationen. Den Angaben der Regierung in Damaskus zufolge handelte es sich beim Ziel des Angriffs um nichts anderes als eine harmlose landwirtschaftliche Forschungsstation mit Namen Arab Center for the Studies of Arid Zones and Dry Lands (ACSAD). Dagegen behaupten die Israelis, unterstützt von den US-Geheimdiensten, die im April 2008 wenig aussagekräftige Satellitenbilder veröffentlichten, bis heute, sie hätten einen Atomreaktor, den die Syrer heimlich mit Hilfe der Nordkoreaner bauten, zerstört. Damaskus und Pjöngjang bestreiten die darin enthaltene Unterstellung vehement. Fest steht, daß das, was an Gebäuden der Anlage, auch Al Khibar genannt, nach dem Bomben- und Raketenangriff übriggeblieben war, von den Syrern abgetragen und das ganze Gelände planiert wurde.

Hatte im September 2008 Mohammed Elbaradei, der Chef der Internationalen Atomenergieorganisation, erklärt, seine Inspekteure hätten bei einer Untersuchung besagten Areals keine Hinweise auf den früheren Bau eines Atomreaktors oder die Lagerung irgendwelchen radioaktiven Materials gefunden, so sickerte im letzten November als spektakuläre Enthüllung die Nachricht an die Presse durch, bei der späteren Überprüfung der Bodenproben hätte man doch noch Spuren von Uran gefunden. Während die Israelis dieses Ergebnis zum Beweis für die Richtigkeit ihrer Thesen erklärten, wehrten sich die Syrer mit dem Gegenargument, die gefundenen Uranspuren sei vermutlich auf den Einsatz von DU-Munition seitens der israelischen Luftwaffe zurückzuführen.

Am 20. Februar gab die IAEO die Ergebnisse der jüngsten Laboruntersuchungen der Bodenproben von Al Khibar bekannt. Demnach hat man 80 Uranpartikel und einige Spuren von künstlich hergestelltem Graphit, das bei bestimmten Reaktortypen, aber auch in der Rüstung vielfach zum Einsatz kommt, gefunden. Darüber hinaus erklärte man, daß es anhand der Untersuchung der gefundenen Uranspuren nur eine "niedrige Wahrscheinlichkeit" gebe, daß diese auf DU-Munition zurückzuführen seien. Durch die jüngsten Angabe der IAEO sehen sich Israel und die USA in ihrem Standpunkt bestärkt. Die Syrer dagegen wehren sich gegen die an ihre Adresse gerichteten Unterstellungen mit Händen und Füßen.

In einem Bericht von 24. Februar zitierte Ynetnews, der Online-Dienst der israelischen Tageszeitung Yedioth Aharonoth, Ibrahim Othman, den Leiter der syrischen Atomenergiebehörde, zu den jüngsten IAEO-Befunden und den amerikanisch-israelischen Vorwürfen wie folgt: "Es gab dort kein Graphit. Es gab keinen Grund, warum es dort Graphit geben sollte. Wenn das Gebäude, wie sie behaupten, ein Atomreaktor gewesen wäre, dann hätte es riesige Mengen an Graphit enthalten. Und jene Bombardierung hätte das Graphit überall zerstreut. Es ist nicht schwierig, Graphit zu finden, wenn es überhaupt Graphit war. ... Sie haben in einer halben Millionen Tonnen Boden achtzig [Uran-]Partikel gefunden. Ich weiß nicht, wie man diese Summe benutzen kann, um jemanden zu bezichtigen, eine entsprechende Anlage zu bauen." Laut Othman könnten es sich bei den gefundenen Graphit-Spuren einfach um Kohlenstoff handeln, der "von überall her, auch aus Autos, gekommen sein könnte".

26. Februar 2009