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AFRIKA/2210: Coronavirus - mittellose Hilfsversprechen ... (SB)


"Sicherlich hat es Fortschritte gegeben, aber die genügen bei weitem nicht, und wir wissen, daß wir gegenwärtig nicht auf dem richtigen Weg sind, um die 17 Nachhaltigkeitsziele bis 2030 zu erreichen, besonders nicht hinsichtlich des Zugangs zu sauberem Wasser, und insbesondere nicht in Afrika, wo sich die Bevölkerungszahl in den nächsten 30 Jahren verdoppeln wird."
(Alain Boinet, Gründer der Hilfsorganisation SOLIDARITÉS INTERNATIONAL) [1]


Regelmäßig mindestens 20 Sekunden lang und mit Seife sollten sich die Menschen die Hände waschen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Bekämpfung der Pandemie mit Sars-CoV-2. Das ist zur Zeit, da weder Impfstoff noch ein Medikament gegen die von diesem Virus ausgelöste schwere Lungenentzündung Covid-19 entwickelt ist, das Mittel der Wahl. Diesen Rat zu befolgen ist Hunderten Millionen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent schlicht unmöglich, da sie keinen Zugang zu sauberem Wasser, geschweige denn zu Seife haben. Jetzt rächt sich, daß den vollmundigen Absichtserklärungen der Regierungen, Geberländer und UN-Einrichtungen, die Wasserversorgung und hygienischen Verhältnisse verbessern zu wollen, keine angemessenen Taten gefolgt sind. Woran wiederum deutlich wird, daß Leben und Unversehrtheit des einzelnen Menschen für die Gesellschaft keinen Wert haben.

Weltweit mangelt es über vier Milliarden Menschen an sauberem Trinkwasser, geschlossenen Abwassersystemen und angemessenen sanitären Einrichtungen. In vielen Regionen der 53 Länder des afrikanischen Kontinents haben Menschen überhaupt kein fließendes Wasser zur Verfügung. Laut der WHO sterben jedes Jahr weltweit mehr als 3,4 Mio. Menschen an wasserbedingten Krankheiten wie Diarrhoe. Seit dem Jahr 2000 sind mehr Menschen an der "versteckten Wasserpandemie" gestorben, wie es Vladimir Smakhtin, Direktor des UN University Institute for Water, Environment and Health, aus aktuellem Anlaß nennt, als Menschen während des Zweiten Weltkriegs. [2]

Auch wenn noch niemand seriös abschätzen kann, wie sich die Infektionsrate mit Sars-CoV-2 und die Mortalität durch Covid-19 bei Europas südlichen Nachbarn entwickeln werden, besteht kein Zweifel daran, daß dort vielerorts die Voraussetzungen für die allereinfachsten Schutzmaßnahmen gegen die Virenverbreitung, Hände zu waschen, nicht gegeben sind.

Investitionen in Höhe von jährlich 28 Mrd. Dollar wären erforderlich, um den Bevölkerungen in den ärmsten Ländern zumindest einen grundlegenden Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. Eine unbedeutende Summe verglichen mit vielen anderen Maßnahmen der reichen Länder, beispielsweise zur Rettung der Wirtschaft oder der Aufrechterhaltung ihres militärischen Bedrohungspotentials. Doch bei dem in diesem Zusammenhang, insbesondere am 22. März, dem Weltwassertag, häufig zu vernehmenden Vergleich wird nicht bedacht, daß Rüstung und Armut nicht gegeneinander gerechnet werden können. Sie liegen auf dem gleichen Kurs.

Die Vorstellung, man bräuchte bloß einen Bruchteil der Ausgaben beispielsweise der NATO (ca. 1000 Milliarden Dollar jährlich) abzweigen, das mehrere Jahre hintereinander machen, die Gelder koordiniert einsetzen und schon wäre der Wassermangel in den Entwicklungsländern behoben, führt in die Irre. Mit den Waffen und der Finanzierung von Streitkräften werden gewaltsam Vorteile gegenüber den Lebens- und Überlebensinteressen nach außen - Nationenkonkurrenz - wie nach innen - Klassengesellschaft - durchgesetzt.

Die Nationenkonkurrenz, ob in der Variante der multilateralen Kooperation oder des Protektionismus, beruht auf der territorialen Grenzziehung und begründet diese. Mit dem daraus hergeleiteten, ideologisch konnotierten "Wir" werden alle anderen ausgeschlossen. Darum leiden nicht "wir" administrativ so festgelegten Deutschen unter Wassermangel, sondern "die anderen". Diese in seiner formallogischen wie faktischen Konsequenz vernichtende Unterscheidung setzt sich nahtlos im Innern der einzelnen Nationen fort. Wie sollte es auch anders sein, bleibt doch die Interessenlage die gleiche. Vermittels der Ungleichheit vor allem der finanziellen Möglichkeiten haben in Deutschland die Reichsten ein durchschnittlich zehn Jahre längeres Leben als die Ärmsten. Nicht nur das. Manche Menschen verbringen einen erheblichen Teil ihres vergleichsweise kürzeren Lebens mit dem Heranschaffen von Wasser und legen dabei viele Kilometer zurück, zum Beispiel vier Stunden bis zum Fluß und vier Stunden zurück. [3] Hände zu waschen liegt gar nicht drin. Andere hingegen haben Bedienstete dafür eingestellt, daß sie ihnen ihre Golfplätze mit Wasser sprengen.


Fußnoten:

[1] https://reliefweb.int/report/world/water-crisises-2020-water-hygiene-and-sanitation-barometer-6th-edition-inventory-access

[2] https://www.ipsnews.net/2020/03/coronavirus-water-pandemics-math/

[3] https://www.unicef.de/informieren/aktuelles/blog/ayshas-weg-zum-wasser/148018

7. April 2020


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