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AFRIKA/2183: Klimaschäden - tödlicher Reigen ... (SB)



Zu den vielen vernachlässigten Stimmen auf der UN-Klimakonferenz COP24 in Katowice gehört die des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, das einen neuen Report zu Afrika und Klimawandel herausgegeben hat [1]. Demnach steht der Kontinent kurz vor einem "tipping point", ab dem die wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Fortschritte der letzten zehn Jahre durch den Klimawandel wieder zunichte gemacht werden. So zutreffend die Warnung des UNDP mit Blick auf die Vernachlässigung der Interessen der afrikanischen Länder bei den Klimaverhandlungen in Polen auch ist, die UN-Einrichtung vernachlässigt ihrerseits, daß der wirtschaftliche Fortschritt unter einigen afrikanischen Ländern auf dem Rücken jener Staaten oder Bevölkerungsteile stattgefunden hat, die dabei marginalisiert und abgehängt wurden.

Auf der COP24 wurde lediglich ein Regelwerk erstellt, das als Grundlage für die Umsetzung des 2015 im Klimaübereinkommen von Paris beschlossenen Ziels dienen soll, die Erderwärmung um nicht mehr als zwei Grad, möglichst nur 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen zu lassen. Doch auch ohne dieses Regelwerk haben die Staaten längst gewußt, daß sie ihre Klimaschutzzusagen aus dem Pariser Übereinkommen drastisch, das heißt, in vielen Fällen um ein Mehrfaches des bisher von ihnen Zugesagten verschärfen müßten, um die genannten Grenzwerte einzuhalten. In dieser Hinsicht hat sich in Katowice niemand nennenswert bewegt, und so bleibt jenen Staaten, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, aber am schwersten von den Folgen getroffen werden, am Ende wieder einmal das Nachsehen.

Bestenfalls werden sie von den wohlhabenderen Staaten mit Finanzmitteln für Anpassungsmaßnahmen an Klimawandelfolgen wie Meeresspiegelanstieg, vermehrte Dürren und Überschwemmungen, Trinkwasserverluste und katastrophenbedingte Flüchtlingsströme abgespeist, so daß ihre "Resilienz" gegenüber der Not gestärkt wird, während umgekehrt die Hauptemittenten von Treibhausgasen im großen und ganzen so weitermachen wie bisher oder aber ihre Treibhausgasemissionen viel zu langsam senken, um auch nur unter der Zwei-Grad-Schwelle zu bleiben. Jene Zusagen laufen auf eine Drei-Grad-Welt hinaus, und da sie offenbar nicht einmal eingehalten werden - siehe das klimapolitische Scheitern Deutschlands -, dürfte die globale Erwärmung selbst diesen Wert noch deutlich überschreiten.

Der UNDP-Report warnt zwar vor den Klimawandelfolgen vor allem für die am wenigsten wehrhaften Staaten, zeigt aber zugleich vermeintliche Erfolgsgeschichten in ausgesuchten Ländern, wo die Resilienz gestärkt wurde. Obwohl der Report damit gesellschaftspolitische Fragen berührt, hält er sich hinsichtlich politischer Analysen äußerst bedeckt. Greifen nicht auch innerhalb Afrikas die gleichen Mechanismen der Staatenkonkurrenz wie zwischen den Staaten des Globalen Nordens und des Südens? Sind diese Mechanismen nicht benennbar? So hält Klimaschutzvorreiter Marokko noch immer illegal die Westsahara besetzt und unterdrückt im eigenen Land die Minderheit der Berber; das wirtschaftlich aufstrebende Ruanda profitiert seit über zwanzig Jahren von der Rohstoffplünderung und den auch von außen angefachten bewaffneten Konflikten im Osten der Demokratischen Republik Kongo; im vergleichsweise wohlhabenden Schwellenland Südafrika schützen sich die Reichen in "gated communities" vor dem Lumpenproletariat, das für sie täglich mehrere tausend Meter unter Tage fährt und dort Gold, Platin und andere Rohstoffe aus dem Gestein heraushämmert; im diamantenreichen Botswana wird die ursprüngliche Bevölkerung aus Naturreservaten vertrieben, damit die Safaritouristen freies Schußfeld haben, und man hat einen viele Kilometer langen Elektrozaun gegenüber dem Nachbarn Simbabwe errichtet, das in den letzten 15 bis 20 Jahren einerseits von der internationalen Finanzwelt in Grund und Boden gewirtschaftet wurde, dessen Eliten sich andererseits an den Naturschätzen des Landes wie zum Beispiel den fruchtbaren Landflächen bereichert haben. Um nur einige Beispiele krasser gesellschaftlicher Diskrepanzen zu nennen.

Indem das UN-Entwicklungsprogramm sämtliche politischen Widerspruchslinien zwischen Nord und Süd, bzw. Reich und Arm unerwähnt läßt und letztlich sogar den Eindruck vermittelt, der Klimawandel sei irgendwie ein Schicksalsschlag und nicht Folge eben jenes wachstumsorientierten, profitgetriebenen wirtschaftlichen "Fortschritts", der einigen afrikanischen Staaten in den letzten zehn Jahren Wohlstandsgewinne und Vorteile gegenüber anderen eingebracht hat, präsentiert es sich als Funktionsträger jener übergreifenden Ordnung.

Der UN-Report attestiert Afrika "eine beeindruckende wirtschaftliche, politische und soziale Entwicklung" erkennt jedoch zugleich "noch eine breite Kluft zwischen Arm und Reich". Damit ignoriert das UNDP, daß Arm und Reich kein Gegensatz, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille sind, und daß das Streben der Finanziers des UNDP und GEF nicht in der Abschaffung der Medaille besteht, sondern seiner dauerhaften Befestigung.

Letzten Endes sind es nicht die Mitarbeiter des UNDP, die vor lauter Hunger Wurzeln aus dem Boden kratzen müssen, um ihre Mägen zu beruhigen, oder kilometerweite Fußmärsche bis zur nächsten Wasserstelle absolvieren, die täglich um ihre Existenz kämpfen oder vor einer feindlichen Übermacht fliehen müssen, die in Mega-Slums wie Kibera in Nairobi hausen oder ruinöse Plantagenarbeit verrichten. Sondern sie beobachten und analysieren oder schieben hier und da Projekte an - mal den Bau einer Schule, mal einer lokalen Wasserversorgung, mal einer Krankenstation, um nur wenige der mehrere tausend Kleinstvorhaben zu nennen, die das UNDP mit Geldern der GEF (Global Environment Facility) im Verlauf von vielen Jahren finanziert hat, obgleich Millionen solcher Projekte gebraucht würden -, aber niemals stellen sie die Privilegien derer in Frage, von deren Spenden sie abhängig sind und für die sie das Feigenblatt darstellen. Stets bleibt die grundlegende Eigentumsordnung gewahrt.

Wo enormer Reichtum und bittere Armut in enger Nachbarschaft leben, bedarf es Vermittlungsinstitutionen wie der UN-Hilfsorganisationen, die zwar Millionen Menschen über den Tag helfen, aber Milliarden vernachlässigen und zugleich verhindern, daß der gesellschaftliche Widerspruch so weit auf die Spitze getrieben wird, daß sich die Aufständischen nicht einmal mehr gelbe Westen überziehen und sich damit kenntlich machen, sondern sich nehmen, was ihnen und Generationen vor ihnen schon immer von den herrschenden Kräften geraubt wurde.


Fußnote:

[1] tinyurl.com/ydbtofmf

17. Dezember 2018


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