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AFRIKA/2085: US-Kommando AFRICOM erhält Schnelle Eingreiftruppe (SB)


Militärische Konfliktlösung bevorzugt?



Als in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts hochrangige Militärs der US-Streitkräfte auf der Suche nach einem geeigneten Standort für die neue Kommandostelle AFRICOM (African Command) zahlreiche afrikanische Länder aufsuchten, stießen sie mit ihrem Anliegen auf kein Entgegenkommen. Mit Ausnahme von Liberia und Dschibuti wollten nicht einmal eng verbündete Länder dazu ihre Zustimmung geben, zu groß erschien der Preis für die in Kauf zu nehmenden Nachteile wie den Verlust an Souveränität, Unmut in der Bevölkerung und die dauerhafte Anbindung an den Westen, obgleich mit China und anderen asiatischen Staaten längst neue Akteure das Parkett von Wirtschaft und Handel betreten hatten. Und dann waren da noch die unkalkulierbaren Risiken. Wenn ein Staat Sitz für AFRICOM wird, würde er damit nicht automatisch ins Visier von militärischen Gruppierungen geraten, die den USA gegenüber feindlich eingestellt sind? Würde sich beispielsweise der sogenannte islamistische Terrorismus den Staat, der AFRICOM beherbergt, für Anschläge aussuchen, so wie 1998 Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi verübt wurden? Damals waren insgesamt 231 Menschen ums Leben gekommen, darunter zwölf Bürger aus den Vereinigten Staaten.

Inzwischen scheint die US-Regierung ihre Bemühungen aufgegeben zu haben, AFRICOM vom bisherigen Standort in Stuttgart nach Afrika zu verlegen. Doch das geostrategische Ziel, militärisch auf dem Kontinent deutlichere Präsenz zu zeigen, bleibt von solchen Standortentscheidungen unberührt. So haben die US-Streitkräfte ihre bislang einzige feste Basis auf afrikanischem Boden, Camp Lemonier in Dschibuti, weiter ausgebaut. Zudem betreiben die USA kleinere Stützpunkte in mehreren afrikanischen Ländern auf Rotationsbasis ("Cooperative security location"-Arrangements) sowie befristete Einrichtungen wie zum Beispiel in Uganda, von wo aus Joseph Kony, Anführer der Milizenorganisation LRA (Lord's Resistance Army) gefangen werden soll.

Darüber hinaus werden militärische Bindungen aufgebaut, indem beispielsweise laufend Soldaten aus afrikanischen Ländern in den USA ausgebildet werden. Ein prominentes Beispiel ist der malische Putschist Hauptmann Amadou Haya Sanogo, der im März 2012 den malischen Präsidenten Amadou Toumani Touré gestürzt hat, und es werden regelmäßig multinationale Militärmanöver in Afrika durchgeführt, wie aktuell "Flintlock 2013". Dabei üben Soldaten aus mehreren afrikanischen Staaten der sogenannten Trans-Sahara-Region, Europa und den USA den gemeinsamen Kampf gegen "Terrorismus". [1]

Eine jüngere Entwicklung scheint die Bedenken der afrikanischen Staaten, weswegen sie AFRICOM keinen Standort einräumen wollten, zu bestätigen: Die Amerikaner bauen ihre Militärpräsenz durch die Aufstellung einer Schnellen Eingreiftruppe weiter aus. In Kürze werde eine Krisenreaktionseinheit der Marines, die auf Afrika fokussiert sei, eingerichtet, berichtete AFRICOM-Kommandant General Carter Ham am 6. März vor einem Senatsausschuß, dem Senate Armed Services Committee, wie die Website Stripes.com der US-Streitkräfte berichtete. [2]

Die neue Krisenreaktionstruppe soll aufkommenden "Terrorismusgefahren" begegnen. Das Marine Corps habe hierfür eine Special Purpose Marine Air Ground Task Force ins Gespräch gebracht, sagte Hom. Die neue Einheit werde in "relativ naher Zukunft" einsatzbereit sein. Trotz des Sparprogramms der US-Regierung, die auch im Militärhaushalt den Rotstift ansetzt, sollen weitere Spezialtruppen an drei strategischen Orten in Südeuropa, Ost- und Westafrika aufgestellt werden.

Bereits im Oktober 2012 wurde AFRICOM eine eigene Commander's in-Extremis Force zugeordnet. Diese blitzschnelle Eingreiftruppe, deren Hauptquartier gegenwärtig in Fort Carson, Colorado, liegt und die zudem in Europa präsent ist, wurde als Antwort auf den Angriff auf die libysche Botschaft im September 2012 in Stellung gebracht. [3]

General Ham, der in diesem Jahr in den Ruhestand geht, hatte im Jahr 2011 die erste von AFRICOM angeführte Militäroperation in Afrika, die Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen, geleitet. Nach dem Sturz des libyschen Machthabers Muammar Ghaddafi mußten in seinem Sold stehende Tuareg fliehen, nahmen dabei große Mengen an Waffen mit und siedelten sich in Nordmali an. Dort verbündeten sie sich mit den malischen Tuareg, die nicht mehr länger darauf warten wollten, daß die Regierung endlich ihre Zusagen aus einem wenige Jahre zuvor getroffenen Waffenstillstand einhält.

Die Tuareg erhoben sich, wurden jedoch von islamistischen Kräften vertrieben. Frankreich intervenierte und vertrieb seinerseits die Islamisten, die inzwischen wohl nur noch in wenigen Verstecken in den unzugänglichen nordmalischen Bergen in Form von Kampfverbänden angetroffen werden können. Ansonsten ist damit zu rechnen, daß sich die islamistischen Kämpfer, ähnlich wie sie es in Somalia praktizierten, unter die Zivilbevölkerung mischen und Guerillataktiken zur Anwendung bringen.

Einige der Waffen aus libyschen Beständen seien sogar im syrischen Bürgerkrieg aufgetaucht, berichtete Hom vor dem Senatsausschuß. Der General hatte sicherlich nicht die Absicht, aufzuzeigen, wie unsicher die Lage in weiten Teilen Afrikas aufgrund der Libyen-Intervention geworden ist. Doch geschieht zur Zeit anscheinend genaus das, weswegen die afrikanischen Regierungen AFRICOM ebenfalls abgelehnt haben: Das afrikanische Kommando des Pentagons erhöht das Maß an Unsicherheit auf dem Kontinent. Kommen demnächst Spezialeinheiten der Marines ins Spiel, muß man davon ausgehen, daß diese auch eingesetzt werden. Kaum vorstellbar, daß dadurch Frieden und Stabilität Einzug halten.

Die Menschen in Afrika werden sich wohl darauf einstellen müssen, daß ihr ressourcenreicher Kontinent Schlachtfeld sich bekämpfender geostrategischer Kräfte sein wird. In den letzten zehn Jahren haben asiatische Staaten, vor allem aber China, ihren Handel mit afrikanischen Ländern gewaltig gesteigert und sind zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die USA und die Europäische Union herangewachsen. Die Zunahme der Militärinterventionen Frankreichs, der USA und anderer NATO-Staaten in jüngerer Zeit kann als Antwort auf den klaren Einflußgewinn Chinas in Afrika gewertet werden.

In Verbindung mit der kürzlich beschlossenen Einrichtung eines US-Militärstützpunkts in Niger, von wo aus Drohnen zur Überwachung der gesamten Region losgeschickt werden sollen, stellt die Schnelle Eingreiftruppe für AFRICOM eine weitere Eskalationsstufe dar. Hatte es ursprünglich bei der Werbung für einen AFRICOM-Standort in Afrika noch geheißen, die Kommandostelle sei zur einen Hälfte zivil und zur anderen militärisch ausgerichtet, so entsteht inzwischen der Eindruck, als sei die zivile Komponente stark ins Hintertreffen geraten.


Fußnoten:

[1] http://www.africom.mil/Newsroom/Article/10483/flintlock-2013-brings-african-forces-together

[2] http://www.stripes.com/news/more-crisis-response-headed-to-africom-amid-terrorism-concerns-1.210891

[3] http://www.stripes.com/news/africom-announces-it-will-have-rapid-reaction-force-1.201162

17. März 2013