Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/2063: Strahlender Abraum - Kritik am Uranbergbau in Namibia (SB)


Boden-, Wasser- und Luftproben zeigen erhöhte radioaktive Belastung

Nuklearphysiker der Organisation CRIIRAD kritisiert lasche Handhabung des Uran-Abraums



Französische Nuklearexperten und eine örtliche Umweltorganisation warnen vor den Gesundheitsgefahren durch den Uranabbau in Namibia. Einem vorläufigen Bericht zufolge liegt die Strahlung beispielsweise auf dem Parkplatz der Rössing-Uranmine um 600 Prozent über der natürlichen radioaktiven Belastung. An anderen Stellen unterhalb der Uranminen Rössing, der größten offenen Uranmine der Welt, und Langer Heinrich wurden ebenfalls deutlich über der natürlichen Strahlung liegende Radioaktivitätswerte registriert. Diese beiden Minen decken zusammen mit der kleineren Trekkopje-Mine rund zehn Prozent des globalen Uranbedarfs ab.

Zwischen dem 22. September und 2. Oktober 2011 hatten die Organisation CRIIRAD (Commission de Recherche et d'Information Indépendantes sur la Radioactivité - Kommission für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität) und die lokale Partnerorganisation Earthlife Namibia an verschiedenen Standorten im Umfeld der Minen sowie ober- und unterhalb der Betriebsgelände insgesamt vierzehn Bodenproben, dreizehn Proben der obersten Sedimente der Flüsse Swakop, Gawib und Khan, elf Proben des Grundwassers aus tieferen Sedimentschichten des Swakop und des Khan sowie Leitungswasser aus der Stadt Arandis genommen. Außerdem wurde das radioaktive Gas Radon und die Gamma- und Betastrahlung des Abraums gemessen. Die Proben wurden in Frankreich im CRIIRAD-Labor, das von der französischen Nuklearen Sicherheitsbehörde anerkannt ist, untersucht.

Die Ergebnisse gelten als vorläufig, sie sollen später mit Messungen der Minengesellschaften verglichen und mit Experten der Unternehmen, des Staates, des industrienahen Uranium Institutes, der örtlichen Bevölkerung sowie interessierten Nichtregierungsorganisationen diskutiert werden, heißt es in einer Presseerklärung der CRIIRAD. [1]

Es wird vermutet, daß die sechsfach höhere Strahlenbelastung (0,9 µSv/h gegenüber 0,15 µSv/h) auf dem Rössing-Parkplatz auf den dort zur Befestigung der Parkfläche verwendeten Abraum und den Schlämmen aus der Uranmine zurückgeht. Ein Beweis dafür stehe aber noch aus, heißt es in dem Bericht. [2]

Mit der Einheit Sievert (Sv) wird die Strahlenbelastung biologischer Organismen beschrieben, wobei dabei die zeitliche Dauer wichtig ist. In Deutschland gilt eine Strahlendosis von 0,1 µSv (ein Mikrosievert = ein Tausendstel Millisievert oder ein Millionstel Sievert) pro Stunde, die zu der natürlichen Strahlenbelastung hinzukommt, als unbedenklich.

Der Leiter des CRIIRAD-Labors und Autor der Studie, der Nuklearphysiker Bruno Chareyron, schließt aus der Uranzusammensetzung, daß der Staub vermutlich nicht vom natürlichen Fels abgetragen wurde, sondern vom Abraum stammt. Denn darin liegt das Uran 238, das für die Urananreicherung benötigt und herausgezogen wird, in geringerer Menge vor als das Radium 226. Allerdings betonte Chareyron am 11. April auf einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse in Windhoek, daß eine exakte Zuordnung letztlich schwierig sei. Es gebe "Hinweise, daß ein Problem vorliegen könnte". [3]

Chareyron fordert einen besseren Umgang mit dem Abraum aus der Urangewinnung. Er kritisiert, daß ein Teil des Gesteins ohne jeden Schutz oder irgendeine Absperrung am Ufer des Khan abgekippt wurde und eine Gefahr für Mensch und Umwelt bildet. Es seien zwar noch weitere Untersuchungen erforderlich, aber man könne schon jetzt sagen, daß die Staubpartikel bei Regen abgewaschen und in den Sedimenten des Khan eingelagert werden. Proben, die unterhalb der am Khan gelegenen Rössingmine genommen wurden, zeigten eine zehnfach höhere Radioaktivität als Proben von oberhalb der Mine.

Auch die Gamma- und Beta-Strahlenmessungen des Abraums, die mit Hilfe eines elektronischen Dosimeters durchgeführt wurden, deuten auf teils sehr hohe radioaktive Belastungen - angegeben wird in dem Bericht ein Wert von 130 µSv/h der Beta-Gamma-Belastung der Haut, was 1300 Mal über der natürlichen Strahlung läge. Nach Berechnungen der CRIIRAD erhalten Personen, die sich über einen Zeitraum von 30 Minuten bis 35 Stunden in einer Entfernung von bis zu 25 Metern vom Abraum aufhalten, eine Strahlenbelastung, die über der natürlichen Strahlenbelastung von zehn Mikrosievert pro Jahr liegt. Diese Strahlenquelle habe die Nuclear Energy Council of South Africa in ihrem radiologischen Gutachten zu den möglichen Gesundheitsrisiken durch die Erweiterung der Rössing-Uranmine nicht berücksichtigt, lautet einer der Kritikpunkte der CRIIRAD.

In weiteren Messungen wurde die Belastung mit Radon erforscht. Demnach lag die Belastung mit diesem radioaktiven Gas in unmittelbarer Nähe des Abraums bis zu 48 Mal über dem natürlichen Wert. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation ist Radon nach Rauchen der zweitwichtigste Auslöser von Lungenkrebs.

Was der CRIIRAD-Forscher Bruno Chareyron und Bertchen Kors von der 1990‍ ‍gegründeten NGO Earthlife Namibia berichten, ist in ähnlicher Form auch von anderen Uranminen nicht nur in Afrika bekannt. An den verschiedenen Stufen der Urangewinnung und -anreicherung, vom Abbau des Natururans über das Zermahlen des Gesteins bis zu ihrer Aufbereitung, entstehen große Mengen an Staub. Auch der Abraum sowie die bei der Erzgewinnung anfallenden Schlämme sind noch uranhaltig. Und wenn diese austrocknen, kann der Staub davongetragen werden.

Wind und Wetter sowie die vielfältigen Bergbauaktivitäten verfrachten die radioaktiven Partikel, die sich dann in der Umwelt aufkonzentrieren können, über große Strecken. So kann aus einem nur sehr geringfügig radioaktiv belasteten Staub ein stärker belastetes Flußsediment, eine Uferböschung oder ein radioaktiv kontaminierter Brunnen werden. Auf einem ungleich höheren Strahlenniveau zeigt aktuell die Havarie des japanischen Atomkraftwerks Fukushima Daiichi, wie solche Radionukleotide in der Umwelt akkumulieren.

Die Untersuchungen der CRIIRAD in Namibia werden von EJOLT (Environmental Justice Organizations Liability and Trade) gefördert. Dabei handelt es sich um ein Projekt des von 2011 bis 2015 dauernden Forschungsprogramms FP7 der Europäischen Union. [4] CRIIRAD zählt zu den Environmental Justice Organizations (EJOs), die weltweit Untersuchungen zum konfliktreichen Rohstoffabbau durchführen und eigenen Angaben zufolge das Ziel der Umweltsicherheit und Verteidigung der grundlegenden Menschenrechte verfolgen.

Die Gesundheits- und Umweltschäden aus dem Uranbergbau sind seit Jahrzehnten bekannt, das gilt auch für Namibia. Wenn in Umweltverträglichkeitsprüfungen bislang der Eindruck erweckt wurde, daß der Abbau und die Anreicherung des radioaktiven Erzes unbedenklich sei, dann liegt der Verdacht nahe, daß es sich um Gefälligkeitsgutachten von Lobbyeinrichtungen, die auf entsprechende Aufträge aus der Wirtschaft angewiesen sind, handelt. Und der Staat, der am Uranabbau beteiligt ist, wägt dann potentielle Gesundheitsschäden aufgrund der Umweltbelastung gegen den ökonomischen Nutzen für die Gesellschaft ab. Weil in diesem Beispiel die Europäische Union hinter der Arbeit von CRIIRAD und Earthlife Namibia steht, dürften die Untersuchungsergebnisse nicht so leicht unter den Teppich zu kehren sein wie frühere Beschwerden über die radioaktive Belastung von Luft, Wasser und Boden. Mit einer grundlegenden Entlastung der Bewohner des Uranbergbaugebiets ist allerdings auch nicht zu rechnen, denn dazu müßte Namibia vermutlich gänzlich auf den Bergbau verzichten. Als Folge der globalen Energieknappheit dürfte der Weltmarktpreis für Uran und damit auch die mit dem Abbau einhergehenden Umweltbelastungen in den nächsten Jahren weiter steigen.


Fußnoten:

[1]‍ ‍"Preliminary results of CRIIRAD radiation monitoring near uranium mines in Namibia - Press Release", 11. April 2012
http://www.criirad.org/actualites/dossier2012/namibie/CRIIRAD- namibia-press.pdf

[2]‍ ‍"CRIIRAD Preliminary Report No. 12-32b. Preliminary results of radiation monitoring near uranium mines in Namibia", 5. April 2012
http://www.criirad.org/actualites/dossier2012/namibie/CRIIRAD- namibia-prelim.pdf

[3]‍ ‍"Concerns about Rössing's radiation levels", The Namibian, 13. April 2012
http://www.namibian.com.na/news/full- story/archive/2012/april/article/concerns-about-roessings-radiation- levels/

[4] http://cordis.europa.eu/search/index.cfm?fuseaction=proj.document&PJ_RCN=11986917

15.‍ ‍April 2012