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AFRIKA/1960: Äthiopien - Harmlose USA/EU-Kritik an Wahlen (SB)


Zwischenstand der Wahlen läßt auf haushohen Wahlsieg der äthiopischen Regierungspartei schließen

USA und EU üben wohldosierten Druck auf geostrategisch wichtigen Partner aus


Das offizielle Ergebnis der Parlamentswahlen in Äthiopien ist noch nicht bekannt, aber der Sieg von Premierminister Meles Zenawi und seiner Regierungspartei Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF) steht fest. Er stand auch lange vorher fest, hatte doch die Regierung oppositionellen Politikern Hindernisse in den Weg gelegt und die Medien mit Beschlag belegt, was man als eine Art Zensur der Opposition bezeichnen könnte. Sowohl die EU als auch die USA haben inzwischen Stellungnahmen zum Wahlverlauf abgegeben und von Mängeln gesprochen. "Wir sind besorgt, daß internationale Beobachter der Ansicht sind, daß die Wahlen nicht den internationalen Verpflichtungen entsprechen", teilte der Sprecher des U.S. National Security Council, Mike Hammer, am Dienstag mit. [1] Und die Europäische Union erklärte in einer nicht als abschließend zu verstehenden Stellungnahme mit Blick auf die gewaltsam niedergeschlagenen Unruhen und der Verhaftung oppositioneller Politiker nach den Wahlen vor fünf Jahren, daß der Spielraum, sich politisch zu betätigen, von vornherein "eingeengt" gewesen sei. [2]

Zwar erweist sich die äthiopische Opposition ungeachtet befristeter Bündnisbildungen als ziemlich zerstritten, doch daß die EPRDF und mit ihr verbündete Parteien laut einem Zwischenstand der Auszählung bereits 534 und die Opposition nur 2 der insgesamt 547 Sitze des äthiopischen Parlaments gewonnen haben, geht nicht allein auf eine entsprechende Überzeugungskraft der Regierungspartei zurück, die dem Land zu einem kräftigen Wirtschaftswachstum verholfen hat, sondern auch auf jene weit im Vorfeld der Wahlen aufgebauten Einschränkung der politischen Betätigung von Oppositionellen.

Weder die USA, denen die Entsendung von Wahlbeobachtern außerhalb Addis Abebas untersagt wurde und darüber ihr Bedauern ausgedrückt haben, noch die EU, deren Beobachter im ganzen Land vertreten waren, werden abgesehen von "tiefer Besorgnis" und ähnlichen Unmutsbekundungen zum Verlauf der Wahlen Maßnahmen ergreifen, die Meles Zenawi ernsthaft unter Druck setzen könnten. Äthiopien, in dem die Afrikanische Union ihren Hauptsitz hat, erfüllt in Ostafrika eine wichtige ordnungspolitische Funktion. Das militärisch hochgerüstete Land dient als Frontstaat gegen islamisch dominierte Länder wie Sudan, Somalia und Eritrea. Gegen letzteres hat Äthiopien vor gut einem Jahrzehnt Krieg geführt; Somalia wiederum war von 2007 bis 2008 von der äthiopischen Armee, die eine im Exil gebildete Übergangsregierung beschützt hatte, besetzt.

Wenn schon die Wahlen 2005 zu keinem nachhaltigen Zerwürfnis zwischen dem Westen und Äthiopien geführt haben, obgleich damals bei Unruhen, die aufgrund des offensichtlichen Wahlbetrug entstanden, fast 200 Personen von Sicherheitskräften erschossen und zahlreiche Oppositionelle verschleppt wurden, wird es nach den aktuellen, bislang wesentlich ruhiger verlaufenen Wahlen kein Zerwürfnis geben. Daran hat niemand ein Interesse, und so werden Menschenrechtsstandards in der Prioritätenliste auf einen der hinteren Plätze verschoben. Das kann sich zwar irgendwann wieder ändern, wie die Geschichte Simbabwes gezeigt hat - von 1980 bis 1990 als Vorbildstaat gepriesen, obgleich der damalige und heutige Präsident Robert Mugabe Zehntausende Einwohner des Matabelelands ermorden ließ, ab 1990 allmählich sinkende Anerkennung, ab 2000 Bruch mit dem Westen, da Mugabe die längst überfällige Landreform erzwungen hat -, doch werden die USA und EU, die teils gleiche, teils miteinander konkurrierende Interessen verfolgen, aufpassen, daß sie das Land nicht destabilisieren. Sie werden versuchen, nur eben so viel Druck aufzubauen, wie es nötig ist, um die äthiopische Regierung am Band zu halten.

Äthiopien ist Schwerpunktland deutscher Entwicklungshilfe und auf finanzielle Unterstützung durch das Ausland angewiesen. Auch das bietet ein potentielles Druckmittel, um sich das Wohlwollen der Regierung des einzigen Landes des Kontinents, das auf eine jahrtausendealte Kultur zurückblickt, keine europäische Kolonie wurde und über großes Selbstbewußtsein verfügt, zu sichern.


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Anmerkungen:

[1] "Ethiopia: Statement by National Security Council Spokesman Mike Hammer on Ethiopian Elections", The White House (Washington, DC), 25. Mai 2010
http://allafrica.com/stories/201005260001.html

[2] "Ethiopia: Election Marred by 'Narrowing of Political Space' - EU", allAfrica.com, 26. Mai 2010
http://allafrica.com/stories/201005260240.html

26. Mai 2010