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AFRIKA/1938: Ghana - Biosprit-Produktion gefährdet Ernährungssicherheit (SB)


Jatropha-Anbau auf landwirtschaftlich fruchtbaren Böden

Neue Studie aus Ghana räumt mit dem Versprechen der "Wunderpflanze" Jatropha auf - wieder einmal


Der Bedarf an Treibstoff aus Biosprit als Ersatz für fossile Energieträger wird in den nächsten Jahren massiv zunehmen, wenn das Erdöl knapper wird. Die sozialen Folgen dieses Trends erweisen sich in manchen Regionen Afrikas schon heute als verheerend. Im vergangenen Jahr wurde die Regierung Madagaskars gestürzt, und einer der Hauptgründe für die vorangegangenen Massenproteste war die geplante Vergabe riesiger landwirtschaftlicher Flächen an den südkoreanischen Konzern Daewoo; in Tansania und anderen Ländern wurden Menschen aus ihren angestammten Siedlungsgebieten vertrieben, um Platz für Plantagen zu schaffen; ausgerechnet im artenreichen, ökologisch wertvollen Tana-Delta Kenias sollen Zuckerrohrplantagen angelegt werden. Eine neuere Untersuchung in Ghana zeigt, daß sich die Ernährungssicherheit der örtlichen Bevölkerung aufgrund des Biosprit-Booms verschlechtert hat.

Die Nichtregierungsorganisationen Action Aid Ghana (AAG) and FoodSPAN haben in vier Regionen Ghanas die Auswirkungen des Anbaus von Pflanzen für die Biosprit-Produktion untersucht und festgestellt, daß dadurch der Anbau von Pflanzen für Nahrung beeinträchtigt wird. Die Studienautoren kritisieren vor allem, daß es in Ghana an klaren politischen Vorgaben für die Biosprit-Produktion fehlt. Das schlage sich negativ auf die Ernährungssicherheit, Umwelt, die Menschenrechte und Lebensverhältnisse der betroffenen Gemeinden nieder, berichtete die Zeitung "Ghanaian Chronicle" [1] über die Studie. In der Untersuchung, die im letzten Quartal 2009 durchgeführt wurde, wurden zwölf Gemeinden in den Regionen Bredi Camp, Myomoase, Fawoman (alle in der Brong Ahafo-Region), Dukusen und Afrisre (in der Ashanti- Region) und Agomeda in Greater Accra sowie Adidome, Tordzino, Lolito, Dedukorpe (Volta-Region) und Gomoa Adenten und Baifikrom (Central-Region) einbezogen. Bei den Unternehmen handelte es sich um Kimminic Estates Ltd., Scanfuel Limited und Gold Star Bio-Diesel Farm Limited.

Die Studienautoren erfuhren, daß die meisten Plantagenbetreiber Arbeitskräfte von außerhalb der Gemeinschaften heranzogen. Das wurde als die negativste Folge des Biospritbooms bewertet. Außerdem sei es zu immer mehr Entlassungen gekommen, je weiter die Landerschließung und die Pflanzzeit fortschritten. Darüber hinaus bestätigt sich, wovor Skeptiker schon seit längerem warnen, nämlich daß durch eine Biospritproduktion nicht die Kleinbauern gefördert werden, sondern daß der Plantagenanbau dominiert. In den ghanaischen Untersuchungsgebieten hatte die kleinste Farm, auf der Pflanzen für Biosprit angebaut wurden, immerhin noch eine Größe von gut 30 Hektar.

Generell wurde fruchtbares Ackerland, das auch für Pflanzen zum Verzehr geeignet gewesen wäre, verwendet, ausgenommen allein die Volta-Region. Abgesehen von Sunphospate zeichneten sich sämtliche Biosprit-Projekte durch einen hohen Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln aus, was nach Einschätzung der Studie womöglich entsprechende Schadstoffeinträge in die Gewässer nach sich ziehen könnte. Bei der Urbarmachung der Flächen wurden schwere Maschinen eingesetzt, wodurch die Biodiversität verringert und umfangreiche Zerstörungen an Wäldern, der Vegetationsfläche und nicht zuletzt an Nutzbäumen wie Sheanuß und Dawadawa angerichtet wurden.

Die Autoren sprechen sich nicht prinzipiell gegen die Produktion von Biosprit aus, aber sie bemängeln die geringe staatliche Kontrolle. Ins gleiche Horn stößt laut dem "Chronicle" auch der Gewerkschafter Joseph Owusu Osei von der General Agricultural Workers Union (GAWU). Die Aktivitäten der multinationalen Unternehmen, die in Ghana Fuß gefaßt hätten, ließen sehr zu wünschen übrig, erklärte er. Deshalb werde seine Gewerkschaft am 25. März dem Parlamentsausschuß für Ernährung und Landwirtschaft ein Papier vorlegen, wie mit dem Problem umgegangen werden sollte.

Ob Jatropha, Zuckerrohr, Palmen oder andere "Energiepflanzen", der Plantagenanbau zieht in der Regel unterschiedlichste negative Folgen nach sich. So ist es auch in Ghana schon zu Vertreibungen der angestammten Bevölkerung gekommen. Eine Regulierung durch die Regierung könnte dem Abhilfe schaffen, lautet die Hoffnung, die in der Studie zum Ausdruck gebracht wird. Es könnte allerdings auch sein, daß dann zwar der "Wildwuchs" der Landnahme, also die extremsten Fälle von Vertreibung und Umweltzerstörung, eingedämmt wird, aber daß dennoch das Kleinbauerntum durch den Plantagenanbau verdrängt wird und die Farmarbeiter bestenfalls nach von der Regierung abgesegneten Minimalstandards beschäftigt werden. Von der Vorstellung, daß Jatropha, die auf kargen Böden gedeiht, sozusagen am Wegesrand gepflanzt wird, um den Treibstoffbedarf der ganzen Welt abzudecken, muß man sich offensichtlich verabschieden. Ausbeuterische Arbeitsbedingungen, wie sie seit vielen Jahrzehnten bei der Plantagenproduktion von Kaffee, Tee, Tabak oder Bananen üblich ist und zum westlichen Wohlstand beigetragen haben, machen auch vor der Herstellung von Biosprit nicht halt.


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Anmerkungen:

[1] "Ghana: Massive Jatropha Farming Threatens Food Security", Ghanaian Chronicle (Accra), 18. März 2010
http://allafrica.com/stories/201003180794.html

19. März 2010