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AFRIKA/1866: Militär statt Diplomatie - Trend der US-Politik (SB)


Interner Bericht des US-Außenministeriums veröffentlicht

Diplomatie verliert in Afrika gegenüber dem Militär an Boden


Trotz intensiver Bemühungen und allerlei Lockangeboten ist es der US-Regierung in den letzten beiden Jahren nicht gelungen, ihr neues, für Afrika bestimmtes militärisches Oberkommando African Command (Africom) vom bisherigen Standort Stuttgart auf den afrikanischen Kontinent zu verlegen. Kein Land war bereit, das US-Militär aufzunehmen, oder aber es fand wie Liberia nicht die Zustimmung seitens des Pentagons.

Dabei hatten sich die US-Gesandten, die kreuz und quer über den Kontinent zogen, kräftig ins Zeug gelegt und für Africom geworben. So wurde erstmals unter den vier Regionalkommandos der USA (Centcom, Pacom, Eucom, Africom) einer zivilen Vertreterin aus dem US-Außenministerium, Botschafterin Mary Carlin Yates, neben Vizeadmiral Robert T. Moeller der Posten eines Stellvertreters des Kommandanten (General William E. Ward) eingeräumt. Auch bemühten sich Washingtons Gesandte stets darum, den zivilen Charakter Africoms herauszustreichen.

Genutzt hat es nichts. Die afrikanischen Staats- und Regierungschef kennen das Geschäft. Sie wissen, daß die USA nicht deshalb ein eigenes militärisches Regionalkommando für Afrika einrichten, um Armut und Hunger auf dem Kontinent zu beseitigen, sondern um unter einem sich verschärfenden geopolitischen Konkurrenzdruck (durch China, Indien, Japan, Rußland und nicht zuletzt die EU) Zugriff auf die afrikanischen Rohstoffe zu erlangen. Ausgewiesenes Ziel der US-Regierung: Bis zum Jahre 2015 den Anteil der Erdölimporte aus den Subsaharastaaten von 15 auf 25 Prozent zu erhöhen. Abgesehen von der unmittelbaren Ressourcenaneignung genießen in Washington auch Sicherheitsfragen eine hohe Priorität. Das bedeutet, daß derjenige Staat, der die Gründung von Africom auf seinem Gebiet zuläßt, sich damit zur Zielscheibe für militärische Gegenmaßnahmen wie zum Beispiel Selbstmordattentate macht.

Hatten US-Vertreter bislang Unverständnis über die nahezu geschlossene Weigerungshaltung der afrikanischen Staaten hinsichtlich eines US-Regionalkommandos geäußert, müßte es ihnen nun eigentlich die Sprache verschlagen. Gelangte doch das US-Außenministerium in einem internen Bericht des Generalinspekteurs zu dem Schluß, daß das diplomatische Korps der USA in Afrika unterfinanziert und nicht in der Lage ist, das Gewicht neuer Aufgaben zu stemmen, wie die Zeitung "The East African" meldete. [1] Das Personal der amerikanischen Botschaften in Afrika und das Afrika-Büro im Außenministerium in Washington würden überflutet bei dem Versuch, mit "anscheinend endemischen Konflikten von Sudan bis zum Kongo" sowie dem "Ansturm" des US-Militärs und der Entwicklungsmaßnahmen in Afrika zurechtzukommen. Der Generalinspekteur warnte: "Das US-Militär stößt in die Lücke vor, die durch einen Mangel an Ressourcen für herkömmliche Entwicklung und Öffentlichkeitsarbeit geschaffen wurde."

Der Trend, das diplomatische Korps in den Subsaharastaaten abzubauen und statt dessen militärisch aktiver zu werden, setzte schon zur Ära US-Präsident Bill Clintons ein. "Nicht einmal die Bombenanschläge 1998 auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam haben die Rücknahme an erfahrenem Botschaftspersonal im Subsaharaafrika aufgehalten", schrieb der Generalinspekteur. Vielmehr hätten die beiden Anschläge zur Verschärfung der Sicherheit in amerikanischen Botschaften in Afrika geführt, was mit einer entsprechenden Beschränkung der grundlegenden diplomatischen Fähigkeit, den Kontinent zu begreifen und zu analysieren, einhergegangen sei. "Die Vereinigten Staaten waren schlecht auf die Zeit nach dem Kalten Krieg vorbereitet, was auch für Terrorismus und gescheiterte Staaten Afrikas gilt."

Die Zeitung "The East African" macht darauf aufmerksam, daß das Budget für Africom im kommenden Haushaltsjahr mit 763 Millionen Dollar ausgewiesen ist, wohingegen das Africa Bureau nur mit 226 Millionen Dollar ausgestattet wird. Das Militär bekommt somit generell mehr als dreimal so viel finanzielle Unterstützung wie das diplomatische Korps. Mehr noch, die Mist-Teams (military information support teams) von Africom erhalten "exponentiell mehr Geld, um es in einem Land auszugeben, als die Büros für Öffentlichkeitsarbeit der Botschaften", heißt es in dem Bericht.

Der Generalinspekteur unterschlägt zwar nicht, daß die US-Regierung außerordentlich viel Geld für Gesundheitsinitiativen in Afrika ausgegeben hat, aber er läßt unerwähnt, daß von den milliardenschweren Programmen zur Bekämpfung beispielsweise von Aids und Malaria nicht zuletzt die US-Pharmakonzerne profitieren. Außerdem versucht die US-Administration zu verhindern, daß die teuren US-Markenprodukte nachgebaut und als wirkstoffgleiche, aber deutlich preiswertere Generika auf den Markt gelangen.

Der interne Bericht des Generalinspekteurs des US-Außenministerin wurde nicht erstellt, um grundsätzlich die Militarisierung der US-Außenpolitik zu kritisieren. Vielmehr ist die Untersuchung ein typisches Produkt des klassischen Kompetenzgerangels zwischen dem Außen- und dem Verteidigungsministerium der USA, wobei das Militär in der Zeit nach den Anschlägen 2001 erheblich an Einfluß gewonnen hat. Beide Ministerien ziehen jedoch an einem Strang, wenn es darum geht, das globalhegemoniale US-Projekt in Afrika zur Durchsetzung zu verhelfen. So oder so, mit militärischen oder zivilen Mitteln.


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Anmerkungen:

[1] "Africa: U.S. Military Edging Out Diplomacy - Report" The East African (Nairobi), 17. August 2009
http://allafrica.com/stories/200908171343.html

18. August 2009