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AFRIKA/1840: Medwedews Reise im Zeichen der Geopolitik (SB)


Ägypten, Nigeria, Angola, Namibia

Der russische Präsident Medwedew besucht vier Staaten, die auf dem Energiesektor tätig sind


Der russische Präsident Dimitri Medwedew ist diese Woche zu seiner ersten Afrikareise als Staatsführer aufgebrochen. Nach Ägypten besucht er Nigeria, Angola und Namibia. Die Reise fällt in eine Zeit sich rasant entwickelnder weltpolitischer Veränderungen. Die sogenannten BRIC-Staaten - Brasilien, Rußland, Indien, China - gewinnen global an wirtschaftlichem und politischen Einfluß, was bezogen auf die Kooperation mit afrikanischen Staaten bedeutet, daß umgekehrt die Europäische Union (als Nachfolgerin der europäischen Kolonialstaaten) und die USA an Einfluß verlieren.

Das Handelsvolumen Rußlands mit Afrika ist verglichen mit dem der USA, EU und auch China verschwindend gering, was nicht bedeutet, daß es zu vernachlässigen ist. Im Unterschied zu China, das in den letzten Jahren geographisch wie gütermäßig breit gestreute Handelsbeziehungen mit fast allen Ländern Afrikas aufgebaut hat, konzentriert sich die russische Regierung zunächst auf Schwerpunktbranchen, in denen sie selbst bereits gut im Geschäft ist. An vorderster Stelle betrifft dies den Energiesektor (Erdöl, Erdgas, Uran). Dazu paßt es, daß der russische Präsident von seinem Energieminister Sergej Schmatko und dem Chef des Energiekonzerns Rosatom, Sergej Kirijenko, begleitet wird. Des weiteren zählt Sergej Wybornow, Direktor des staatlichen Diamantenmonopolisten ZAO Alrosa, zur Entourage des Staatsführers. Rußland ist einer der führenden Diamantenhändler und -schleifer der Welt - Angola wiederum verfügt über große Diamantenvorkommen.

Medwedew knüpft zwar nur teilweise direkt an die Afrikareisen seines Vorgängers Wladimir Putin an - der hatte 2005 Ägypten besucht und 2006 Südafrika -, aber alle drei Besuche stehen im Zeichen eines Rußlands, das sich auf der Weltbühne zurückgemeldet hat. Die aktuelle globale Wirtschaftskrise hat zwar den russischen Bären ausgesprochen schwer getroffen, die Verluste durch das Platzen der Finanzblase warfen das Land jedoch bei weitem nicht bis in die desolaten Verhältnisse zurück, wie sie zur Jelzin-Ära vorherrschten.

In Nigeria will Medwedew unter anderem eine Kooperationsvereinbarung zum Aufbau der örtlichen Nuklearwirtschaft unterzeichnen. [1] Das bevölkerungsreichste Land Afrikas möchte nämlich die Kernspaltung zur Produktion von elektrischer Energie nutzen, und Rußland verkauft Kernkraftwerke. Inwieweit entsprechende Geschäfte zustande kommen und ob in Nigeria jemals Atomstrom produziert wird, steht in den Sternen. Das hindert Rußland selbstverständlich nicht daran, seinen Fuß auch in diese Tür zu setzen und sich der nigerianischen Nuklearindustrie als Partner anzubieten.

Das Handelsvolumen zwischen Nigeria und Rußland liegt bei jährlich 300 Millionen Dollar, weiß Alexej Wasiliew, Direktor des Instituts für Afrikanische Studie an der Russsischen Akademie der Wissenschaften, zu berichten. [1] Zum Vergleich: Der Handel zwischen Nigeria und den USA ist mit 40 Milliarden Dollar mehr als hundert Mal so hoch. Selbst China und Nigeria haben bereits ein Handelsvolumen von elf Milliarden Dollar erreicht.

Nigeria und Angola, die dritte Station Medwedews, sind die führenden Erdölproduzenten Afrikas und Mitglieder der OPEC. Rußland, neben Saudi-Arabien weltweit größter Erdölexporteur, hat sich diesem Kartell nicht angeschlossen, bemüht sich aber dennoch um gute Geschäftsbeziehungen zu dessen Mitgliedern. Und vor rund einem Jahr hat der russische Energieversorgungsriese Gasprom Geschäfte größeren Umfangs in Nigeria begonnen. [2] Zudem sind Rußland, Ägypten und Nigeria Mitglied des Gas Exporting Countries Forum, dessen 15 Mitglieder sich auf verschiedenen Gebieten absprechen, unter anderem um stabile Energiepreise zu gewährleisten.

Nigeria ist sehr daran interessiert, mit Rußland hinsichtlich der Erdgasförderung ins Geschäft zu kommen. Bislang wird das wertvolle Gas, das bei der Ölförderung entweicht, nutzlos abgefackelt. Dadurch entgehen dem Land zig Milliarden Dollar, und das Abfackeln führt zu schwerwiegenden Umweltverschmutzungen, die wiederum einer der Gründe für die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Nigerdelta, dem Hauptölfördergebiet des Landes, sind. Schätzungen zufolge sitzt Nigeria auf 5,3 Billionen Kubikmeter Erdgas - das weltweit siebtgrößte Vorkommen. Pläne der Regierung sehen vor, eine Gaspipeline quer durch die Sahara bis nach Europa zu bauen. Geschätzte Kosten: 30 Milliarden Dollar. Sollten sich die Russen in das Geschäft einhängen, dürfte das die EU gehörig ärgern, strebt sie doch auf dem strategisch bedeutsamen Gebiet der Gasversorgung eine größere Unabhängigkeit von Rußland an. Moskau funkt der EU jedoch bereits in Algerien dazwischen.

In Ägypten ist Rußland bereits ins Gasgeschäft eingestiegen. Nowatek, die zweitgrößte russische Gasgesellschaft, hat die Förderlizenzen für ein Offshore-Gasfeld in Alarish erhalten und wird im ersten Quartal 2010 mit der Bohrung beginnen. Auch für den Bau von Kernkraftwerken in Land am Nil bewirbt sich Rußland.

Diamantengeschäfte mit Angola, wo Rußland an den Minen Catoca und LUO-Camatchia-Camagico beteiligt ist, sind von keiner oder nur geringer geostrategischer Bedeutung. Anders dagegen die Erdöl- und Urangeschäfte. Rußland festigt mit seinen Unternehmungen seine führende Weltmarktposition auf diesem Sektor und sichert sich damit vor allzu harschen Attacken aus Europa, die Moskau immer wieder wegen seiner Innenpolitik attackieren.

In Namibia will Medwedew mit Samuel Nujoma, dem ehemaligen Guerillaführer und ersten Präsidenten des freien Namibia, zusammenkommen. Zwischen der früheren Sowjetunion und dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika bestehen enge Verbindungen, hat doch der Kalte-Krieg-Gegner des Westens den Befreiungskampf der Namibier unterstützt, wie die Zeitung Daily Trust anmerkt. [3] Auf dem Programm dürften aber nicht nur Reminiszenzen stehen. Namibia verfügt über reichlich Uranvorkommen, was ebenfalls Gegenstand der Gespräche sein dürfte.

Auch wenn Rußlands Einfluß in Afrika zur Zeit noch gering ist und die wirtschaftlichen Beziehungen weit hinter denen der USA, EU und China zurückfallen, kommt der Reise Medwedews eine weltpolitische Bedeutung zu. Sie könnte den Ausgangspunkt für eine Reihe weiterer Kooperationen bilden, wobei Moskau zunächst bei seinen Leisten bleibt. Die russische Regierung hat offenbar beschlossen, sich zumindest im Energiebereich als globale Führungsmacht dauerhaft zu etablieren. Inwiefern afrikanische Staaten aus der Konkurrenzsituation der führenden Wirtschaftsnationen und ihrem Streben nach Energiesicherheit Vorteile herausschlagen können, wird sich zeigen. Die Erdölförderung hat zumindest in fast jedem Land, das über nennenswerte Ressourcen verfügt, zu sozialen Spannungen geführt beziehungsweise diese noch verstärkt, so daß es zu bewaffneten Konflikten kam. Die Gefahr ist groß, daß Afrika nach wie vor ein Ressourcenkontinent bleibt, während die eigentliche Nutzung der Bodenschätze nach außerhalb verlagert wird.


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Anmerkungen:

[1] "Africa: Medvedev to Visit Country, Three Others to Boost African Energy Deals", This Day, 23. Juni 2009
http://allafrica.com/stories/200906230226.html

[2] "Nigeria: As Medvedev Arrives", Daily Trust, 24. Juni 2009
http://allafrica.com/stories/200906240104.html

[3] "Nigeria: Nigeria/Russia Relation - Issues and Prospects", Daily Trust, 24. Juni 2009
http://allafrica.com/stories/200906240100.html

24. Juni 2009