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AFRIKA/1818: Nigeria - Umweltschützer warnen vor Gentechsaat (SB)


Nigerias Regierung will gentechnisch verändertes Saatgut verteilen

Umweltschützer warnen vor den negativen Folgen für Umwelt und Gesundheit


In dem am Mittwoch vor einem Jahr veröffentlichten Weltagrarbericht, der über einen Zeitraum von fünf Jahren von rund 400 Wissenschaftlern erarbeitet und von 60 Staaten unterzeichnet wurde, wird die Frage der Nahrungsversorgung der Menschheit problematisiert. Eine gänzlich neue Struktur der Landwirtschaft müsse geschaffen werden, fordern die Autoren, und erteilen der Grünen Gentechnik eine klare Absage. Gentechnisch veränderte Pflanzen trügen nicht mehr zur Bekämpfung des Hungers bei als konventionelle, brächten aber die Bauern in Abhängigkeit von den Lizenznehmern, lautet sinngemäß die Erklärung der Agrarexperten. [1] Diese Absage war auch der Grund, weswegen sich der Chemiekonzern Monsanto, der Lizenzen zu rund 90 Prozent der weltweit angebauten gentechnisch veränderten Pflanzen besitzt, aus der Erarbeitung des Weltagrarberichts zurückgezogen hat.

Wenn also diese Woche der nigerianische Zweig der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth, Environmental Rights Action/Friends of the Earth Nigeria (ERA/FoEN), eine Presseerklärung [2] herausgibt, in der er vor den Plänen der nigerianischen Regierung, in dieser Saison gentechnisch verändertes Getreide an die Bauern auszugeben, eindringlich warnt, kann sich die Organisation auf die geballte Kompetenz mehrerer hundert internationaler Wissenschaftler, die den Weltagrarbericht verfaßt haben, berufen.

Nigeria ist mit seinen rund 130 Millionen Einwohnern der bevölkerungsreichste Staat Afrikas. Hier dauerhaft Fuß zu fassen dürfte weit oben auf der Liste der strategischen Ziele Monsantos, Syngentas und anderer Agrokonzerne stehen. Zumal das Ansehen gentechnisch veränderter Pflanzen in Südafrika, dem bisherigen Brückenkopf des Kontinents für Konzerne, welche die Grüne Gentechnik verbreiten wollen, nach katastrophalen Mißernten bei genverändertem Mais in der letzten Saison arg gelitten hat. Auch die insektenresistente, gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle kommt bei südafrikanischen Farmern nicht mehr gut an. Nach mehr als acht Jahren Bt-Anbau hatten sich in der Saison 2006/07 nur 853 Farmer auf diese Baumwolle eingelassen, 2001/02 waren es noch 3229 gewesen.

In ihrer Presseerklärung bezieht sich ERA/FoEN auf das am 11. September 2003 in Kraft getretene Cartagena-Protokoll, das auch von Nigeria unterzeichnet wurde und das die Bewahrung der Biodiversität und den Schutz der menschlichen Gesundheit sicherstellen soll. [3] Beides sieht die Organisation durch das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Saatgut als verletzt an.

Die Umweltschützer reagieren mit ihrer Presseerklärung auf eine kürzliche Ankündigung des nigerianischen Ministers für Wissenschaft und Technologie, Dr. Bako Zaku, wonach sein Ministerium Pläne zur Verteilung von biotechnologischem Saatgut an die Bauern ausgearbeitet hat. ERA/FoEN stellt die Behauptung des Ministers in Frage, wonach gentechnisch veränderte Organismen (GMO) weltweit Großartiges geleistet haben. Zaku habe sich dabei auf einen Bericht der industriefreundlichen Organisation International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA) berufen, wußten die Umweltschützer zu berichten.

"Die Verbreitung von GMO-Saat an nigerianische Landwirte bildet den Höhepunkt eines systematischen Versuchs, profitgetriebenen Biotechunternehmen zu erlauben, darüber zu bestimmen, was wir anbauen, wie wir anbauen und was wir essen. Wir verlangen, daß der Minister die Wahrheit über die unerfüllten Versprechungen der Biotechindustrie und deren GM-Getreide sagt", erklärte der ERA/FoEN-Vorsitzende Nnimmo Bassey laut "The Nation" [2].

Kritisiert wird auch das Ausbringen gentechnisch veränderter Kassawa unter Anleitung der offiziellen US-Hilfsorganisation USAID, dem Danforth Centre, der Organisationen Agricultural Research for the Development of Africa (IITA) und der National Root Crops Research Agency (NRCRI).

Monsanto und anderen Biotechkonzernen spielt die Zeit in die Hände. Der Vormarsch gentechnisch veränderter Pflanzen auf dem afrikanischen Kontinent dürfte kaum mehr aufzuhalten sein. Vorbei scheint die Zeit, da eine sambische Regierung trotz Hungers in der Bevölkerung Hilfslieferungen aus den USA abgelehnt hat, weil die vermeintlich generösen Spender nicht ausschließen wollten, daß es sich um gentechnisch veränderten Mais handelte. Daraufhin hatte Sambia zunächst Experten nach Europa und in die USA gesandt, wo sie sich die kontroversen Standpunkte für und wider die Gentechnik anhörten. Nach eingehender Beratung kamen sie zu dem Schluß, die Hilfslieferung aus den USA besser zurückzuschicken. Schon bald darauf hatte sich Sambia, nach wie vor gentechnikfrei, zum Maisexporteur gemausert.

Trotz solcher Rückschläge aus der Sicht der Biotechkonzerne nimmt die Entwicklung ihren Lauf. Nigeria ist nur ein Beispiel von vielen, bei dem ein afrikanisches Land Gentech-Saat anbauen läßt. Der globale Preisanstieg für Nahrungsmittel sowie die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise tragen dazu bei, daß der Widerstand der Regierungen gegen die verheißungsvolle Grüne Gentechnik nach und nach erlahmt. Um so wichtiger ist es, wenn daran erinnert wird, daß Profitmaximierung und nicht Hungerbeseitigung das Ziel der Biotechkonzerne ist.


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Anmerkungen:

[1] Siehe die Website: http://www.agassessment-watch.org/ (Zugriff am 16. April 2009)

[2] "GMO foods not good for Nigeria, says group", The Nation, 15. April 2009
http://thenationonlineng.com/dynamicpage.asp?id=81847

[3] Siehe die Website: http://www.cbd.int/biosafety/ (Zugriff am 16. April 2009)

16. April 2009