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AFRIKA/1789: Simbabwe - EU-Sanktionen treffen die Bevölkerung (SB)


Einheitsregierung in Simbabwe gebildet

Cholera-Epidemie forderte schon über 3200 Tote

Westliche Regierungen setzen ihre Politik des "regime change" fort und erhöhen den Druck auf die Bevölkerung


In der nächsten Woche soll in Simbabwe eine Einheitsregierung vereidigt werden. Der Führer des Oppositionsbündnisses MDC (Movement for Democratic Change) wird dann zum Premierminister ernannt, Staatschef Robert Mugabe von der Partei ZANU-PF bleibt in seinem Amt. Der Begriff Einheitsregierung täuscht allerdings eine Einigkeit vor, die nicht existiert. Die MDC, die sich seit ihrer Gründung vor zehn Jahren der Unterstützung seitens des Auslands erfreut, dürfte weiterhin darauf drängen, Mugabe zu stürzen und ZANU-PF zu entmachten, während umgekehrt der Präsident und seine Regierungspartei der Opposition Steine in den Weg legen werden, wo es nur geht. Alles andere wäre ein Wunder.

Simbabwe erfüllt alle von westlichen Politikern und Analysten aufgestellten Kriterien eines "failed state", eines gescheiterten Staats. Allerdings wird bei solchen Definitionen unterschlagen, daß das Scheitern Teil der westlichen Strategie war, einen Regierungswechsel herbeizuführen. Mugabe, Führer des Befreiungskampfs in den siebziger Jahren gegen das Apartheidregime Ian Smiths in Rhodesien, wurde zunächst von westlichen Regierungen hofiert, ungeachtet der von Mugabe zu verantwortenden Massaker an mehreren zehntausend Einwohnern des Matabelelands. Darüber sah man jedoch gern hinweg, das in Simbabwe umbenannte Land galt als Musterbeispiel für erfolgreiches Wirtschaften.

In den neunziger Jahren kehrte sich die Stimmung gegen Mugabe, als die simbabwische Luftwaffe 1998 zugunsten des kongolesischen Präsidenten Laurent Desiré Kabilas die gemeinsame Invasion ruandischer, ugandischer und burundischer Truppen stoppte. Seit dem Beginn der erzwungenen Landreform mittels der Enteignung mehrere tausend, von Weißen geführten Großfarmen, die bis zu 70 Prozent der ertragreichsten landwirtschaftlichen Fläche des Landes besaßen, zu Beginn dieses Jahrzehnts fiel Mugabe vollends in Ungnade.

Die MDC wurde gegen ihn installiert und gefördert, in den Medien wurde ein Trommelfeuer an Anti-Mugabe-Propaganda verbreitet, die USA und die EU verhängten schließlich Sanktionen gegen führende Regierungsmitglieder, und internationale Banken verweigerten dem Land Kredite bzw. verlangten höherer Zinssätze als zuvor. Das Land ging in die Knie, der erhoffte "regime change" blieb jedoch aus. Mugabe wurde wiedergewählt. Wenngleich gegen ihn der durchaus berechtigte Vorwurf erhoben werden konnte, daß die Wahlen zu seinen Gunsten manipuliert wurden, kam die internationale Gemeinschaft nicht umhin, anzuerkennen, daß Mugabe noch über reichlich Anhänger verfügte. Erst im vergangenen Jahr vermochte Oppositionsführer Tsvangirai seinen Rivalen zu überbieten. Anschließend wurde monatelang über die Bedingungen der Regierungsbildung verhandelt, bis schließlich im Januar 2009 eine Einigung erzielt wurde.

"Failed state" bedeutet im Fall von Simbabwe: Eine Arbeitslosigkeit von 94 Prozent, eine Inflationsrate von sage und schreibe 231 Millionen Prozent und eine monatelange Cholera-Epidemie, an der bereits über 60.000 Menschen erkrankt und mehr als 3200 gestorben sind. Zudem ist die Hälfte der Bevölkerung auf Lebensmittelhilfe angewiesen.

Eigentlich sieht das Konzept des "regime change" vor, daß sich die geschundene Bevölkerung irgendwann gegen ihre Regierung wendet, der sie die Verantwortung für die schlimme Lage anlastet. Darum haben EU und USA die Daumenschrauben immer fester zugezogen, und selbst jetzt, da eine Einheitsregierung - und sei sie auch noch so brüchig - gebildet wurde, hat die Europäische Union ihre Sanktionen nochmals verschärft. Weitere 26 Mitglieder der Administration und ihre Familien unterliegen einem Einreiseverbot, und die Konten von 40 Organisationen wurden gesperrt. Sobald die neue US-Regierung Tritt gefaßt hat, ist damit zu rechnen, daß die für Afrika zuständige Ministerin Susan Rice Maßnahmen zum endgültigen Sturz Mugabes und der ZANU-PF in die Wege leitet.

Am Samstag hat der Exekutivrat der Afrikanischen Union (AU) eine Aufhebung der Sanktionen gegen Simbabwe gefordert und dies damit begründet, daß nun, da die Einheitsregierung beschlossene Sache sei, höchste Priorität auf die Verbesserung der humanitären Lage gelegt werden müsse. Es hat den Anschein, als sieht die EU das anders. Wie sonst wäre die neuerliche Verschärfung der Sanktionen ausgerechnet in einer Phase der Regierungsbildung zu erklären? Anscheinend behält die EU ihren Kurs, der sich eigentlich gegen die Bevölkerung richtet, damit sie Mugabe stürzt, bei. Damit stehen die Europäer dem Präsidenten an Sturheit in nichts nach. Auch er ist bereit, Menschen über die Klinge springen zu lassen, damit "Simbabwe" - was immer das sei, wenn doch die Menschen, die das Land ausmachen, ins Elend gestürzt werden - überlebt.

Mugabe hat sich den Kräften der Globalisierung widersetzt und soll dafür abgestraft werden. Daß er ähnlich wie seine Gegner in Europa und den USA bei der Auseinandersetzung keine Rücksicht auf die Not eines großen Teils der Bevölkerung genommen hat, hat ihn einige Unterstützung gekostet.

2. Februar 2009