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AFRIKA/1787: Madagaskar - Unruhen wegen Preisgabe von Agrarland (SB)


Neokolonialismus

Unruhen in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo

Bürgermeister und Kritiker des Präsidenten verhaftet


Noch hat das südkoreanische Unternehmen Daewoo Logistics noch gar nicht begonnen, auf Madagaskar Land zu roden und Mais anzubauen, der dann vor den Augen der hungernden Bevölkerung außer Landes gebracht werden soll, da brechen auf der Insel schon soziale Unruhen aus. Hunderte erzürnte Einwohner zogen am Wochenende durch die Straßen der Hauptstadt Antananarivo und protestierten gegen die Verhaftung des Bürgermeisters Andry Rajoelina. [1] Der ist ein unermüdlicher Kritiker von Präsident Mark Ravalomanana, insbesondere wegen des Abkommens mit dem südkoreanischen Konzern über eine auf 99 Jahre laufende Pacht von 1,3 Millionen Hektar Agrarland. Das entspricht etwa der Hälfte der heutigen landwirtschaftlichen Fläche der im Indischen Ozean vor der südafrikanischen Küste gelegenen, ökologisch einzigartigen Insel.

Rajoelina wird vorgeworfen, er habe eine für Samstag geplante Demonstration organisiert, obgleich sie verboten worden war. Im Dezember 2007 zum Bürgermeister Antananarivos gewählt, übte Rajoelina seitdem scharf Kritik am Ravalomanana, den er als "Diktator" bezeichnete. Viva, die private Fernsehstation des Bürgermeisters, wurde kürzlich ebenso geschlossen wie sein Radiosender.

Für wie brisant der Präsident die Lage einschätzte, zeigt sich daran, daß er ein Gipfeltreffen in Südafrika zum Thema Simbabwe abkürzte und am Sonntagnachmittag nach Madagaskar zurückflog. Dort bereiteten ihm Tausende Unterstützer, sein Premierminister Charles Rabemananjara und mehrere Kabinettsmitglieder einen herzlichen Empfang. Womöglich war man ziemlich erleichtert, daß Ravalomamana den Vorfall als Chefsache angeht. Jedenfalls rief Rabemananjara der Menge zu:

"Der Präsident ist soeben angekommen, und wir werden uns zusammensetzen, um jeden zivilen Ungehorsam zu bestrafen. Madagaskar ist ein Ort, an die Gesetze respektiert werden. Wer auch immer nicht gehorcht, wird damit konfrontiert werden." [1]

Am Sonntagabend rief der Präsident, der der reichste Unternehmer der Insel ist und einem alten Adelsgeschlecht angehört, die Madagassen auf, "positiv zu denken", um zu helfen, damit Madagaskar vorwärtskommt und nicht zugrunde geht. Ganz Afrika sehe zu und erwarte, daß "wir Gastgeber des nächsten Gipfels der Afrikanischen Union" werden, meinte er.

Wohlfeile Worte, die allerdings niemanden satt machen. Und genau darum geht es den Madagassen, die zu fünfzig Prozent unter 18 Jahren sind und von denen 70 Prozent nicht genügend zu essen haben. Nur vier Prozent erhalten Nahrung im Rahmen von Hilfsprogrammen - und da verpachtet die Regierung wertvolle landwirtschaftliche Fläche, um Plantagen mit Palmen für Biosprit und Mais für Südkorea anzulegen. Die Proteste vom Wochenende werden nicht die letzten wegen des unsäglichen Deals zwischen der Regierung und Daewoo Logistics sein.


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Anmerkungen:

[1] Tension roils in Madagascar, 26. Januar 2009

http://www.africanews.com/site/list_messages/22840

[2] Siehe: AFRIKA/1765: Biosprit und Nahrung - Madagaskar vergibt riesige Agrarfläche (SB)

26. Januar 2009