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LAIRE/1320: Wir schaffen das ... die Flüchtlinge abzuwehren (SB)


Aus den Augen, aus dem Sinn - EU-Flüchtlingsabwehr in Afrika


Am Montag haben in Paris die Vertreter der EU-Länder Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien sowie die EU-Außenbeauftragte mit den Regierungschefs der sogenannten Transitländer Niger, Tschad und Libyen ausgehandelt, daß Flüchtlinge nicht mehr im Mittelmeer sterben sollen.

In Zukunft soll schon in sogenannten Auffanglagern der am Pakt beteiligten Länder darüber entschieden werden, ob jemand asylberechtigt ist oder nicht. Sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge werden in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. Was wird mit den Menschen geschehen, die sich weigern, dorthin zurückzukehren? Sie werden vermutlich zwangsabgeschoben, was bedeutet, daß die staatlichen Institutionen entsprechende Gewaltmittel einsetzen müssen, um die unerwünschte Migration zu unterbinden.

Die Bundesregierung ist bereit, ein bestimmtes Kontingent an Flüchtlingen pro Jahr aufzunehmen. Sie macht das offenbar nicht mehr an der Verpflichtung fest, Menschen in Not individuell Asyl zu gewähren, ohne jegliche Kontingentierung. "Wir schaffen das" - mit dieser Aussage hatte sich einst Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Herzen einer mitfühlenden Bevölkerung sowie zahlreicher fluchtbereiter Menschen in afrikanischen und asiatischen Konfliktregionen geschmeichelt, aber zugleich einen politischen Gegner gestärkt, der noch unverhohlener und härter als die Regierungsparteien die knappen Plätze am Fleischtopf verteidigt. Inzwischen ist Merkel Schritt für Schritt von ihrer Aussage abgerückt, hat diverse Positionen des neuen politischen Gegners okkupiert und warnt davor, "falsche Zeichen" zu setzen. Sie kann gelassen der Bundestagswahl am 24. September entgegensehen.

Ein Stützpfeiler ihrer Wir-schaffen-das-die-Flüchtlinge-abzuwehren-Politik ist der Pakt mit den afrikanischen Sachwaltern in den Vorfeldstaaten der EU. Dort und in den Herkunftsländern der Flüchtlinge findet im Zweifelsfall auch das Sterben statt, nicht mehr im Mittelmeer. Mehr als 20 Millionen Menschen hungern in der Sahelzone, und es dürfte sich wohl kaum um dieselben 20 Millionen Menschen handeln, die eben dort bereits Anfang des Jahres gehungert haben.

Man wolle UNHCR-Standards zur Beurteilung anwenden, ob ein Flüchtling überhaupt eine Chance hat, Asyl zu erhalten, wurde bei dem Treffen in Paris beschlossen. Wer bis dahin noch daran gezweifelt hat, daß das UN-Flüchtlingshilfswerk eingerichtet wurde, um Not und Elend zu verwalten, dem wird hier deutlich vor Augen geführt, welche Aufgabe diese Institution im Rahmen globaladministrativer Ordnungsfunktionen erfüllt: Menschen sollen daran gehindert werden, die globalen Wohlstandsräume aufzusuchen, auch wenn das ihren Tod bedeutet. Wobei es natürlich nicht dieselben Menschen sind, die sich auf den Weg nach Europa begeben, und diejenigen, die an Hunger sterben. Doch sie stammen aus denselben Ländern.

Afrika ist der Kontinent mit der potentiell größten landwirtschaftlichen Fläche weltweit. Das Kleinbauerntum zu stärken, anstatt in den Aufbau von für den Export bestimmten "cash crops" zu investieren, ist vielleicht nicht die finale Lösung des Hungerproblems, aber könnte ein Kurs sein, auf dem weitere Schritte zur Emanzipation von der Weltmarktabhängigkeit und anderen Globalisierungszwängen, bei denen nicht zuletzt wirtschaftlich schwächere Staaten als bloße Rohstofflieferanten für relativ wohlhabende Staaten wie Deutschland dienen, zu unternehmen wären. Mit ein paar Griffeln und Schreibheften für die Kinder und ansonsten finanziellen Mitteln zur Grenzbefestigung, wie es am Montag den drei afrikanischen Staaten seitens der EU zugesagt wurde, wird eine Befreiung von der Not der Menschen nicht mal im Ansatz eingeleitet.

29. August 2017


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