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LAIRE/1064: USA - Mehr Geld für Strafsystem als für Gesundheit (SB)


Land der Unfreien, Heimat der Geknechteten


Wenn ein Staat mehr Geld für Knäste, Haftanstalten und Bewährungssysteme ausgibt als für die medizinische Versorgung seiner Bürger kann etwas nicht stimmen. Jedenfalls nicht, wenn er zugleich den Anspruch erhebt, ein Vorbild an Demokratie zu sein und es sich dank eines überbordenden Militärapparats herausnimmt, andere Staaten willkürlich mit Mitteln wie Erpressung, klandestine Unterwanderung oder direkte militärische Aggression zur Gefolgschaft zu nötigen. Die Rede ist von den USA, in denen jeder 100. Erwachsene im Gefängnis sitzt und einer von 31 Erwachsenen - 7,3 Millionen Einwohner! - entweder einsitzt, unter Auflagen entlassen wurde oder eine Bewährungsstrafe erhalten hat. Die Kosten dieses Sanktionsregimes beliefen sich im vergangenen Jahr auf 47 Milliarden Dollar, wie die "New York Times" (3.3.2009) unter Berufung auf eine aktuelle Studie des Pew Center on the States berichtete.

Die Kriminalitätsrate ist zwar in den USA in den letzten zwei Jahrzehnten um rund 25 Prozent zurückgegangen, aber das hindert die Strafverfolger nicht, immer mehr Bürger einzulochen. Bevorzugte Zielgruppe sind dabei Afroamerikaner, von denen jeder elfte eingeknastet ist. Gern erwischt es auch Kinder und Jugendliche, denn wenn Richter ein Kopfgeld für jeden, den sie hinter Gitter bringen, kassieren, verdient sich mancher daran eine goldene Nase. Beispielsweise die Richter Mark Ciavarella und Michael Conahan aus Pennsylvania. Sie bekamen von dem privat geführten Jugendknastunternehmen Mid-Atlantik Youth Services Corp. 2,6 Millionen Dollar zugesteckt, damit sie halfen, seine Gefängniszellen zu füllen. So mußte der 14jährige Jamie Quinn für elf Monate ins Gefängnis, weil er in einem Streit einen Freund geschlagen hatte, nachdem dieser ihm zuvor eine verpaßt hatte. Und Shane Bly, 13 Jahre alt, hatte ein leerstehendes Gebäude betreten - ab ins Boot Camp!

Dieser vermutlich extreme Fall von Geschäftemacherei flog zwar auf, weil die beiden Richter im Einknasten von Jugendlichen aus nichtigen Anlässen zu auffällig geworden waren, aber wer weiß, ob es sich dabei nicht um eine systemische Praxis handelt. Warum sollten ausgerechnet an dieser Stelle die ansonsten bei jeder Gelegenheit zum Maßstab erhobenen Marktgesetze von Angebot und Nachfrage nicht gelten? Rund 20 Prozent der Knäste in den USA werden privat betrieben. Wo ein finanzieller Anreiz besteht, Menschen ins Gefängnis zu stecken, bleibt es nicht aus, daß dies ausgenutzt wird.

Die Ausgaben der USA fürs Gefängniswesen sind zwar gering verglichen mit den Summen, die Hedge Fonds, Banken und Unternehmen in jüngster Zeit in den Rachen geschoben wurden - allein der Versicherungskonzern AIG wurde mit 100 Milliarden Dollar gefüttert -, aber sie zeigen ein offenkundiges Mißverhältnis zwischen der verbreiteten Ideologie der Demokratie und den zunehmend repressiveren Verhältnissen. Der Staat läßt es sich einiges kosten, diesen Widerspruch bedeckt zu halten.

4. März 2009