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STANDPUNKT/048: Tunesien und die Sozialistische Internationale (Brigitte Queck)


Tunesien und die Sozialistische Internationale

Von Brigitte Queck, 27. Januar 2011


Im Bezug auf den Ausschluss Tunesien aus der Sozialistischen Internationale muss man anmerken, dass das heuchlerisch ist.
Die Sozialistische Internationale hat nämlich:

1. keinen Anstoß daran genommen, dass 1998 Tunesien mit der EU ein Assoziationsabkommen abgeschlossen hat. Im Rahmen dessen Tunesien begann Tarife abzubauen und seither ist das reale BIP-Wachstum von 5,4 1997 auf 1,7 im Jahre 2002 gefallen. Im Rahmen dessen ist der effektive Wechselkurs von 100,56 im Jahre 1997 auf 94,0 im Jahre 2002 und das Pro-Kopf-Inlandprodukt in USD von 2155 auf 2074 gesunken. (Quelle IWF, veröffentlicht im Länderbericht Tunesien der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 12.5.2004 ) Diese Verschlechterung der Lebenssituation in Tunesien hat im Rahmen der Weltwirtschaftskrise noch zugenommen.
(Tunesien ist, wie man sieht, eben keinen pro-sozialistischen Weg gegangen, sondern einen Weg, der der Privatwirtschaft einen immer größeren Rang einräumt, z. B. auch im medizinischen Bereich, wo mittlerweile eine 2-Klassenmedizin Einzug gehalten hat. Die unter Punkt 1 angeführten Zahlen geben also ein niederschmetterndes Bild über die sog. positiven Seiten der liberalen Marktwirtschaft ab, die für die Länder Afrikas u.a. keineswegs nachahmenswert ist.)

2. nicht protestiert, als Tunesien im Rahmen des sog. Barcelonaabkommens von der EU veranlasst worden ist, die von Auswanderung von Menschen aus Afrika, einschließlich Tunesien, komme was da wolle, enorm einzuschränken.

Seit dem Jahre 2003 sind 60% der Industriegüter der EU-Gemeinschaft vom zollfreien Zugang zum tunesischen Markt begünstigt !!

Trotzdem gab es in Tunesien bisher einige für das internationale westliche Kapital nicht hinnehmbare Dinge wie:

1. Direktinvestitionen sind in bestimmten Dienstleistungsbereichen genehmigungspflichtig, wenn die ausländische Beteiligung über 50% liegt, und das Gesetz über Investitionsanreize schließt bestimmte Sektoren aus, die dem Staat vorbehalten sind (außer bei Erteilung einer Konzession). Für Immobiliengeschäfte ist ausnahmslos eine Genehmigung erforderlich, und Ausländer können kein Agrarland besitzen. Für ausländische Investitionen in einigen strategisch wichtigen Sektoren (Erdölraffinierung, nationale Fluggesellschaft, Elektrizitäts- und Wasserversorgung) bedarf es ebenfalls einer Genehmigung.

2. Tunesien ist weder in die NATO noch in die EU voll eingebunden.
Das soll sich nun, geht es nach den Erwartungen des Westens, ändern. Mit der Stationierung von Nato-Truppen dort würde man den Auswanderungsstrom aus Afrika unter westlicher Regie kontrollieren und auch inländischen Aufruhr, wenn nötig, niederschlagen können.
Mit der vollständigen Einbindung in die EU aber würde Tunesien vollständig den Verwertungsbedingungen der Länder des Westens unterworfen werden und hätte "im eigenen Lande" nichts mehr zu vermelden !


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Quelle:
Copyright 2011 by Brigitte Queck
mit freundlicher Genehmigung der Autorin


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2011