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KOLLATERAL/006: Südsudan - Keine Jobs und keine Bleibe, auf Heimkehrer warten schwierige Zeiten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. März 2012

Südsudan: Keine Jobs und keine Bleibe - Auf Heimkehrer warten schwierige Zeiten

von Grit Porsch


Berlin, 26. März (IPS) - Charles John ist enttäuscht. Lange hatte der 42-Jährige von einer glücklichen Rückkehr aus Khartum in seine Heimat Südsudan geträumt. "Hier erwartete ich ein besseres Leben, ordentlichen Schulunterricht für meine Kinder und für mich bessere Arbeitschancen", berichtete. Doch vorerst ist er in Wau, Südsudans zweitgrößter Stadt, gestrandet. Hier haust er seit Monaten mit Frau und sechs Kindern in einer öden Lagerhalle.

Doch Südsudan, seit seiner Unabhängigkeit vom nördlichen Teil des Sudans im Juli 2011 jüngste Nation der Welt, ist nach einem Jahrzehnte langen Bürgerkrieg, der zwei Millionen Menschen in die Flucht trieb, kein Traumland. Not und ein bitterer Existenzkampf warten auf viele der Menschen, die zu Hunderttausenden per Zug, Schiff, Bus oder Flugzeug in ihre frühere Heimat zurückkehren.

Der Automechaniker John und seine Familie erreichten Südsudan im August in einem überfüllten Personenzug, dem ersten, der seit vielen Jahren im Bahnhof von Wau eingefahren war. Er ist entschlossen, in seiner provisorischen Unterkunft zu warten, bis die Behörden ihm das von der Regierung versprochene Stück Land zuweisen. "Ich weiß nicht, wann ich es bekomme", sagte John gegenüber dem UN-Informationsdienst IRIN.

Mit der Zusage auf ein kleines Stück Land will Südsudans Regierung die Rückkehr ankurbeln, doch die Bürokratie macht das Übereignungsverfahren kompliziert. Die Akten werden zwischen Entschädigungskommission und Ministerium für soziale Fragen und Infrastruktur hin und her geschoben, denn landesweit verbindliche Richtlinien für die Ansiedlung fehlen bislang. Häufig liegt die letzte Entscheidung vor Ort bei den Dorfältesten.

In einigen Regionen sollen die Antragsteller ihre alten Bindungen an das gewünschte Stück Land dokumentieren. Menschen, die bis zu 30 Jahre außer Landes waren, können diese Forderung unmöglich erfüllen.

Die Hilfsorganisation 'Refugee International' kritisiert die Planlosigkeit, mit der die Regierung im Südsudan Rückkehr und Integration von hunderttausenden Menschen organisiert. "Sie ist kurzfristig angelegt und beschränkt sich auf ein paar Nahrungsmittel für die Neuankömmlinge und auf deren provisorische Unterbringung", erklärte die zivile Flüchtlingshilfe. "Die staatliche Überbrückungsinitiative bietet Rückkehrern keine Hilfe, die sich in Südsudan gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich integrieren wollen."


Viele Hürden auf dem Weg zur Integration

Die Startschwierigkeiten der Neuankömmlinge haben vielfältige Gründe. Viele von ihnen haben die letzten Jahrzehnte im städtischen Umfeld von Khartum gelebt. Mit einem Stück Agrarland in einer ländlichen Umgebung ohne wirtschaftliche Perspektiven können sie nicht viel anfangen. Zudem belastet ihr Zuzug die ohnehin Not leidenden Gastgemeinden.

Eine weitere Hürde ist die Sprache. 60 Prozent der Rückkehrer haben in Khartum Schulen mit Arabisch als Unterrichtssprache besucht und sprechen kaum Englisch, die offizielle Amtssprache.

Während in den nächsten Monaten mit der Ankunft von weiteren 120.000 freiwilligen Rückkehrern gerechnet wird, hat die junge Republik Südsudan wirtschaftlich schwer zu kämpfen. Geringe Ernten, steigende Nahrungsmittelpreise, die Schließung der Grenze zum nördlichen Sudan und eine Reihe gewaltsam ausgetragener Konflikte einheimischer Ethnien haben dafür gesorgt, dass in diesem Jahr 4,7 Millionen der insgesamt über acht Millionen Einwohner auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Seitdem die Regierung Anfang des Jahres die Ölexporte nach Sudan gestoppt hat, die 98 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen, wird ihr trotz angekündigter rigider Sparmaßnahmen im Juni das Geld ausgehen.

Die Regierungen in Khartum und Juba hatten kürzlich vereinbart, dass ihre Bürger auch im jeweils anderen Land wohnen, arbeiten, sich frei bewegen und wirtschaftlich betätigen können. Doch solange das Abkommen nicht implementiert ist, bleibt die Forderung Khartums an alle im Norden lebenden Südsudanesen bestehen, sich bis zum 8. April für die sudanesische Staatsbürgerschaft zu entscheiden oder das Land zu verlassen.

Jetzt rechnet die Hilfsorganisation CARE mit einem noch stärkeren Exodus. Bis zu 10.000 Menschen könnten täglich an Grenzstationen wie Renk im Nordosten eintreffen und hier vorläufig festsitzen, da der Regen und logistische Engpässe den sofortigen Transport an ihre Bestimmungsorte unmöglich machen.

Ein Beispiel gelungener Ansiedlung von Neuankömmlingen aus dem Norden ist das in der Nähe von Wau gelegene Alel Chock. Hier leben Menschen, denen die Behörden ihr Stück Land bereits zugewiesen haben. Mit internationaler Hilfe wurden hier Pumpen installiert, eine Gesundheitsstation und eine Schule gebaut und Lebensbedingungen geschaffen, auf die 60 Prozent der einheimischen Bevölkerung verzichten müssen.

Dennoch bietet die neue Siedlung dem Chemotechniker Abdel Abdullah Afrangi, der 1968 aus Südsudan weggezogen war, keine dauerhaften Perspektiven. "Die meisten von uns sind Facharbeiter und Handwerker. Als Elektriker oder Zimmerleute gibt es hier für uns keine Arbeit und nichts zu verdienen", sagte der 57-Jährige IRIN. "Am liebsten würde ich von hier weggehen, doch ich muss mich um mein Stück Land kümmern, das ich nicht einfach aufgeben kann."

"Die Regierung sollte sich um unsere Kinder kümmern, sie sind die Zukunft des Landes", erklärte Afrangi. "Doch sie bekommen nicht genug zu essen, und mit der Schule klappt es auch nicht richtig", kritisierte er.

Dennoch wollen viele im Südsudan bleiben. "Ich setze auf die Zukunft und darauf, dass das Leben hier besser wird", versicherte der Automechaniker John. "Nur wenn es Krieg geben sollte, würde ich nach Khartum zurückkehren." (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.iom.int
http://www.refugeesinternational.org/
http://www.care.org/
http://www.irinnews.org/printreport.aspx?reportid=95122

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. März 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2012