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KRIEG/1769: Rüstungsindustrie - wie gerufen ... (SB)



Mit unserer Position als international agierender Systemanbieter für die Streitkräfte profitieren wir vom "Super-Zyklus" im wehrtechnischen Geschäft, den uns der dringende Nachholbedarf in der militärischen Beschaffung beschert hat.
Armin Papperger (Vorstandsvorsitzender von Rheinmetall) [1]

Während Hiobsbotschaften vom drohenden Niedergang der Weltwirtschaft die Runde machen und selbst ein Ende der globalisierten Ökonomie mit katastrophalen Folgen als apokalyptisches Szenario nicht gänzlich ausgeschlossen wird, feiert eine Branche entgegen dem Trend Hochkonjunktur. Ist von einem kaum noch abzuwendenden Sturz der deutschen Konjunktur in die Rezession die Rede, so gilt das nicht für die Rüstungsindustrie, deren Nachfrage weltweit steigt. Krisen und Kriege sind ihr Geschäft, weshalb sie ein Ausblick auf die wachsenden Spannungen an zahlreichen Schauplätzen mit großer Zuversicht erfüllt, daß für sie goldene Zeiten angebrochen sind. Überall wächst die Furcht, im erbitterten Ringen um Einfluß und Ressourcen auf einem Planeten, den die sich auswachsende Klimakrise dramatisch verändert, den kürzeren zu ziehen. In der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung legte überlegene Waffengewalt stets das Fundament von Herrschaft und Dominanz bei den inneren und äußeren Raubzügen, so daß Aufrüstung untrennbar mit einem bellizistischen Konkurrenzkampf verschränkt ist, in dem man niemals genug haben kann. Nachholbedarf heißt das Zauberwort, das mit der Drohung des Feindes argumentiert und die Essen der Rüstungsschmieden zur Weißglut erhitzt.

Drei Säulen sind es, auf denen das Himmelsstreben der einheimischen Produzenten von Kriegsgerät gründet. Zum ersten ist der wachsende Verteidigungshaushalt zu nennen, der in Annäherung an das zum Heilsversprechen glorifizierten Zwei-Prozent-Ziel der NATO enorme Zuwächse verspricht. Was die Bundesregierung unter langjährigem Druck aus Washington vorgeblich zähneknirschend in Angriff nimmt, ist Wasser auf die Mühlen der hiesigen Apologeten deutscher Vorherrschaft nicht nur in ökonomischer, sondern auch militärischer Hinsicht. Da dies auf eine Verdoppelung des Kriegsetats hinauslaufen könnte, werden massive Einschnitte in anderen Sektoren des Staatshaushalt wie insbesondere den sozialen Leistungen die zwangsläufige Folge sein. Als zweite Säule fungiert die Aufrüstung der EU unter deutsch-französischer Führung, die immens teure Projekte vorsieht, welche die beteiligten Konzerne auf Jahre hinaus großzügig alimentieren. Und drittens mischt die deutsche Sparte dank ihrer vielerorts begehrten Erzeugnisse in zahlreichen Ländern mit, wobei diverse Formen der Zusammenarbeit mit deren einheimischen Produzenten praktiziert und mitunter auch deutsche Ausfuhrverbote durch auswärtige Tochterunternehmen umgangen werden.

Vorreiter unter den deutschen Rüstungskonzernen ist Rheinmetall, dessen Vorstandsvorsitzender Armin Papperger höchst zufrieden ein Rekordjahr 2019 bilanziert und von einem "Super-Zyklus" im wehrtechnischen Geschäft spricht. Über die Details zum abgelaufenen Jahr und den Ausblick wird er am 18. März ausführlich berichten, doch hat das Unternehmen in Präsentationen längst Analysen vorgelegt, wohin die Reise gehen soll. Der gut 130 Jahre alte Traditionskonzern aus Düsseldorf hat weltweit rund 25.000 Mitarbeiter, die Automotive-Sparte sitzt in Neckarsulm bei Stuttgart. Verglichen mit Rüstungsgiganten aus den USA oder China wirkt Rheinmetall auf den ersten Blick wie ein Zwerg und taucht in der Liste weltweit führender Unternehmen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri erst an 22. Stelle auf. Rheinmetall ist jedoch mit Abstand Deutschlands größter Rüstungskonzern und seine Bedeutung steigt, wie aktuelle Zahlen belegen. In der jüngeren Vergangenheit hatte der Konzern nie mehr Militäraufträge in den Büchern. Der seit 2013 amtierende Vorstandsvorsitzende Papperger führt diese Entwicklung darauf zurück, daß ungefähr seit der Krim-Krise 2014 vielerorts ein dringender Nachholbedarf bei der Ausrüstung geltend gemacht wird, der die Budgets im Rüstungsmarkt wieder steigen läßt und Rheinmetall viele neue Aufträge beschert. [2]

2019 bestellten die Militärs das zweite Jahr in Folge für über fünf Milliarden Euro neue Ausrüstung bei Rheinmetall. Konzernweit stieg der Umsatz auf Basis vorläufiger Zahlen um knapp zwei Prozent auf rund 6,3 Milliarden Euro, wie das im MDax gelistete Unternehmen mitteilte. Das um Sonderposten bereinigte operative Ergebnis stieg um rund drei Prozent auf den Höchstwert von 505 Millionen Euro. Das Ergebnis nach Steuern belief sich im vergangenen Jahr auf 354 Millionen Euro. Bemerkenswert ist insbesondere, daß der Auftragsbestand um gewaltige 21 Prozent auf den vorläufigen Rekordwert von 10,4 Milliarden Euro wuchs.

Neben militärischen Gütern ist die Automobilsparte das zweite Standbein des Unternehmens, wobei sich das Verhältnis der beiden Sektoren umgekehrt hat. Vor acht Jahren gab es noch Überlegungen, die Autosparte separat an die Börse zu bringen, was aber unter Papperger abgeblasen wurde. War damals der Automotive-Bereich noch renditestärker und auf Wachstumskurs, ist es heute das Rüstungsgeschäft. Im Jahr 2015 waren Auto- und Rüstungsbereich, was den Umsatz betrifft, mit je 2,6 Milliarden Euro gleich groß, wobei mit Motorenteilen mehr als doppelt so gut wie mit Waffen verdient wurde. Inzwischen zeigt sich ein anderes Bild. Als Zulieferer etwa von Kolben und Pumpen leidet Rheinmetall schon seit geraumer Zeit unter dem schwächelnden Geschäft der Autohersteller. Nach den nun vorgelegten Zahlen für 2019 sank der Umsatz im Automotive-Bereich um knapp sieben Prozent auf 2,7 Milliarden Euro, während die Rüstungssparte um neun Prozent auf 3,5 Milliarden Euro zulegte. Das frühere Gleichgewicht der beiden Sparten beim Umsatz hat sich auf 60:40 zugunsten der Rüstung verschoben. Und das Geschäft mit den Militärs ist inzwischen mit fast zehn Prozent operativer Marge auch renditestärker als das zivile Autogeschäft, das auf sieben Prozent Marge abgesunken ist. Vor dem Hintergrund der aktuell weltweit sinkenden Autoproduktion und dem Wandel vom Verbrenner zum E-Motor verdüstern sich die Aussichten Rheinmetalls, das sich aber von dieser Sparte vorerst nicht abwenden, sondern auch bei alternativen Antriebstechnologien "ein wichtiger Partner" für die Hersteller sein will.

Sollte der Verteidigungshaushalt wie derzeit geplant bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angehoben werden, könnten sich die Aufrüstungsausgaben von jährlich gut acht auf zwölf Milliarden Euro erhöhen. Rheinmetall verspricht sich davon 20 bis 25 Prozent, was insbesondere aus der Munitionsbeschaffung gespeist wird, wo das Unternehmen einen Marktanteil von 35 Prozent haben soll. Sehr viel Geld generiert der Konzern aus einem Rahmenvertrag mit der Bundeswehr über 10.000 bis 20.000 Militärlastwagen, die im Zeitraum von 2018 bis 2027 geliefert werden sollen. Das Auftragsvolumen wird auf drei bis sechs Milliarden Euro geschätzt.

Rheinmetall ist als international tätiger Rüstungskonzern aufgestellt, der sich verschiedener Kooperationen und Gemeinschaftsunternehmen bedient. So werden milliardenschwere Aufträge für Militärlastwagen und Transportpanzer in Australien eingeholt, wobei dieser Kontinent so etwas wie der zweite Heimatmarkt für das Unternehmen geworden ist. Für 211 Boxer-Fahrzeuge erhält Rheinmetall mehr als zwei Milliarden Euro, was eigenen Angaben zufolge der größte Einzelauftrag in der Geschichte des Unternehmens ist. [3] Großaufträge gab es auch für Leopard-Panzer in Ungarn oder in Großbritannien für den Transportpanzer Boxer. Über ein neues Gemeinschaftsunternehmen mit BAE Systems kann der britische Markt bedient und von dort der Export aufgebaut werden. In den USA ist Rheinmetall stark im Munitionsgeschäft vertreten.

Weggefallen sind vorerst Geschäfte mit Saudi-Arabien und der Türkei. Die italienische Regierung hat im Juli 2019 Lieferungen der Rheinmetall-Tochter RWM Italia nach Saudi-Arabien für 18 Monate untersagt, und Berlin stoppte nach der türkischen Invasion in Nordsyrien im Oktober bestimmte Rüstungsgeschäfte mit der Türkei. Allerdings berichteten deutsche Medien, daß die deutschen Waffenexporte in die Türkei boomen. Rheinmetall ist dort beim Fahrzeugbaukonzern BMC eingestiegen, um sich am Bau des türkischen Kampfpanzers Altay zu beteiligen. Offenbar scheiterte das Gemeinschaftsunternehmen jedoch an den Exportbeschränkungen, was wohl auch für die Modernisierung des Leopard 2 gilt. All diese Einschränkungen sind jedoch nicht in Stein gemeißelt, sondern gelten zunächst für bestimmte oder unbestimmte Fristen. Was Saudi-Arabien betrifft, entscheidet die Bundesregierung Ende März darüber, ob der Waffenexportstopp verlängert wird. [4]

Andere deutsche Rüstungskonzerne wie insbesondere der Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) sind einerseits Konkurrenten, bei vielen Waffensystemen aber auch Verbündete, was freilich schnell wechseln kann. Die privaten KMW-Gesellschafter haben ihre Panzersparte in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem französischen Staatsrüstungskonzern Nexter eingebracht, das als KNDS firmiert. Ein Versuch des Rheinmetall-Chefs Papperger, sich in dieses Bündnis durch Übernahme der KMW-Anteile einzukaufen, scheiterte bislang. Die Ende 2018 überraschend von Rheinmetall verkündeten Einstiegspläne sind am Widerstand von KMW-Chef Frank Haun geplatzt. Rheinmetall wollte auf diesem Weg das Sagen bei dem Milliardenprojekt für den ersten gemeinsamen deutsch-französischen Kampfpanzer bekommen und einen großen deutschen Heerestechnikkonzern aufbauen.

Angela Merkel und Emmanuel Macron haben 2017 vereinbart, als gemeinsame Projekte ihrer Zusammenarbeit in der EU eine neue Generation von Flugobjekten, einen Kampfpanzer und Artilleriesysteme zu entwickeln. Bis 2035 sollen neue Kampfpanzer produktionsreif sein und die Leopard 2 der Bundeswehr sowie die Leclerc-Panzer der französischen Armee ersetzen. Mit dem Main Ground Combat System soll ein Hightechsystem entwickelt werden, bei dem Robotik und Waffen wie Hochgeschwindigkeitsraketen eine entscheidende Rolle spielen. Dieses neue Waffensystem soll zum Standardpanzer in Europa werden, um die Vielzahl der Panzertypen abzuschaffen. Bei Krauss-Maffei Wegmann rechnet man in den nächsten 25 bis 30 Jahren in Europa mit einem Bedarf von 5.000 Kampfpanzern im Wert von 75 Milliarden Euro. Berlin und Paris haben beim gemeinsamen Panzerprojekt festgelegt, daß Deutschland die Führung haben soll.

Mit im Boot ist als Kanonenhersteller Rheinmetall, wo man parallel dazu weitere große Pläne schmiedet und einen Leopard-Kampfpanzer mit einer Kanone präsentiert, die über ein größeres Kaliber (130 statt 120 Millimeter) verfügt. Die Rede ist von 50 Prozent mehr Feuerkraft und einer Ladeautomatik, um modernsten Standards zu entsprechen und einen angeblichen Rückstand gegenüber dem neuen russische Panzer T-14 Armata wettzumachen. Der neue Panzerturm soll nach 2025 den Leopard-Kunden als Modernisierungsmaßnahme vorgeschlagen werden, könnte aber auch in einem Nachfolger des US-Kampfpanzers Abrams eingesetzt werden. Über 300 Panzer mit stärkerer Kanone im Auftragswert von 1,7 Milliarden Euro sollen an Deutschland und die Niederlande geliefert werden. Zudem argumentiert Rheinmetall, daß bei der Arbeit an dem unbemannten Turm für den Leopard-Panzer mit der 130-Millimeter-Kanone Erfahrungen gesammelt werden, bevor der neue deutsch-französische Kampfpanzer einsatzbereit ist.

Hinzu kommt natürlich, daß Rheinmetall für das größere Kaliber auch entsprechende Munition entwickelt und verkaufen will. Sollten die Nutzerstaaten des Leopard 2, von denen es derzeit 18 und in Kürze mit Ungarn einen weiteren gibt, ihre Modelle modernisieren, wäre das eine äußerst lukrative Perspektive für das Düsseldorfer Unternehmen. Zwar wird in der Branche längst spekuliert, ob ein Panzer der Zukunft überhaupt noch eine große Kanone mit Pulvergeschossen haben muß, da auch senkrecht startende Flugkörper oder sogenannte Wuchtraketen denkbar seien. [5] Der Kanonenbauer setzt aber darauf, daß der Leopard 2 selbst nach 40 Jahren Nutzungsdauer noch nicht am Ende ist und die Rohre, Türme und Granaten von Rheinmetall auf Jahre hinaus heiß begehrt bleiben werden.

"Wir legen nicht alle Eier in einen Korb", heißt es auf einer Präsentationsfolie zum Rüstungsgeschäft von Rheinmetall. Das kann als Anspielung auf den Konkurrenten Krauss-Maffei Wegmann verstanden werden, der sich durch die Fusion an den französischen Staatskonzern gebunden hat. Aber auch als Hinweis auf das diversifizierte Geschäft der Düsseldorfer Waffenschmiede, die eine breite Palette an Kriegsgerät anbietet und weltweit verkauft, wo immer Eliten zur Unterdrückung der Bevölkerung und Drangsalierung ihrer Nachbarn auf militärische Hochtechnologie "Made in Germany" setzen. So kreuzt sich Kapital, dem es absolut gleichgültig ist, womit es sich vermehrt, mit Herrschaftsansprüchen, denen das Schicksal ihrer Opfer nicht gleichgültiger sein könnte.


Fußnoten:

[1] www.boerse.ard.de/aktien/ruestungs-geschaeft-treibt-rheinmetall-ergebnis100.html

[2] www.welt.de/wirtschaft/article206271503/Rheinmetall-Groesster-deutscher-Ruestungskonzern-profitiert-vom-Super-Zyklus.html

[3] www.merkur.de/wirtschaft/rheinmetall-mit-rekord-bei-operativem-gewinn-zr-13568983.html

[4] www.heise.de/tp/features/Ruestungsunternehmer-im-Super-Zyklus-4674259.html

[5] www.welt.de/wirtschaft/article202022514/Kampfpanzer-Leopard-2-Nachfolger-soll-Superkanone-bekommen.html

4. März 2020


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