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KRIEG/1524: Übungsobjekt Schwein ... ohne Antimilitarismus steht Tierschutz nur auf einem Bein (SB)



Das Quälen von Tieren für militärische Übungszwecke stößt in Deutschland ebenso auf Ablehnung wie das Kriegführen selbst. So wird derzeit am Verwaltungsgericht im thüringischen Gera über einen Eilantrag der Firma "Deployment Medicine International" gegen ein Verbot der thüringischen Landesregierung entschieden, Militärärzte und -sanitäter an narkotisierten Schweinen üben zu lassen. Dabei werden den Tieren Schnitt-, Stich- und Hiebverletzungen zugefügt, um die Soldaten die Versorgung dieser Wunden üben zu lassen. [1] Die Firma DMI bestreitet, im Auftrag der US-Armee zu handeln. Die von ihr angebotene Dienstleistung besteht nichtsdestotrotz darin, "Personal, das in Krisengebieten eingesetzt ist, unter möglichst realistischen Bedingungen aus -, fort - oder weiterzubilden". Dabei hätten die Tiere keine Schmerzen auszustehen, weil sie in tiefe Narkose versetzt würden [2].

Diese in den USA routinemäßig durchgeführte Übungspraxis soll laut Angabe der Tierrechtsorganisation Peta dort zwischen 2001 und 2010 rund 15.000 Schweine das Leben gekostet haben. Nun könnte man geltend machen, daß diese Zahl im Verhältnis zu den täglich geschlachteten Schweinen vernachlässigenswert wäre. Auch ist in Anbetracht der für Menschen in Anspruch genommenen Bioethik, laut der Hirntote keine Schmerzempfindungen mehr haben können, obwohl ihre vegetativen Lebensfunktionen aufrechterhalten werden und der angeblich tote Mensch überaus lebendig wirkt, schwer zu vertreten, daß man nicht wissen könne, ob narkotisierte Schweine dennoch Schmerzempfinden haben.

Die grundlegende Kritik daran, daß Tiere überhaupt "verbraucht" werden, ist elementar für jeden Versuch, etwas gegen ihre Ausbeutung zu unternehmen. Daß Tiere wie Dinge behandelt werden, daß man ihnen ihre kreatürliche Eigenheit abspricht, weil der Mensch sich über ihm eigene kognitive Kategorien definiert, ist das fundamentalere Problem. Die kommerzielle Verobjektivierung des Tieres ist nicht zuletzt ein Ergebnis kapitalistischer Praxis, laut der es dem Kapital völlig gleichgültig ist, wie es sich verwertet. Gegen seinen Mißbrauch als Übungsobjekt für den Krieg vorzugehen ist ein dementsprechend umfassendes Anliegen nicht nur tierschützerischer oder -rechtlicher, sondern auch antimilitaristischer Art.

Von daher ist das Argument einer Peta-Vertreterin, das medizinische Üben der Notfallversorgung im Kampfeinsatz sei "nicht nur unethisch, sondern auch ineffizient", weil niemand von Sanitätern erstversorgt werden wolle, die nur an Schweinen geübt hätten [2], so ambivalent wie das Auftanken von Bomberflotten mit Agrosprit. Medizinische Hilfe auf dem Schlachtfeld dient der Fortführung von Kriegen, die im ersten Schritt gar nicht erst geführt werden sollten. Ärzte und Sanitäter im Kriegseinsatz sind funktionale Elemente operativer Kriegführung und nicht etwa rettende Engel, die mit alledem nichts zu tun hätten. Die Quälerei von Schweinen mit dem Argument zu bekämpfen, daß es effizientere Methoden gäbe, die Notfallversorgung auf dem Schlachtfeld zu üben, heißt im Endeffekt, sich daran zu beteiligen, die Opfer von Aggressoren niederzumachen.

Fußnoten:

[1] http://www.thueringer-allgemeine.de/startseite/detail/-/specific/Scharfe-Kritik-an-US-Armee-wegen-Versuchen-an-Schweinen-1793181650

[2] http://martinaboehnke.suite101.de/straffes-deutsches-tierschutz-gesetz-steht-us-firma-im-weg-a124517

23. Oktober 2011