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KRIEG/1454: USA rüsten Saudi-Arabien auf - Größtes Waffengeschäft aller Zeiten (SB)



Die Vereinigten Staaten verfügen nicht nur über das weltweit größte militärische Potential zur Durchsetzung ihrer bellizistisch vorgetragenen geostrategischen Ambitionen, sondern zwangsläufig auch über die industriellen und politischen Voraussetzungen einer exzessiven Ausfuhr von Kriegswaffen. Als eine wesentliche Komponente der Exportwirtschaft spielen die Waffenverkäufe einerseits eine maßgebliche Rolle beim Ausbau ökonomischer Dominanz, so daß die USA in hohem Maße von Konflikten in anderen Weltregionen profitieren, die sie mit ihren Waffenlieferungen generieren und anheizen. Andererseits fungiert die Versorgung anderer Regierungen mit Kriegsgerät zugleich als Auslagerung der Waffengewalt, indem Verbündete aufgerüstet oder nicht selten auch Konfliktparteien beiderseits munitioniert werden, um Krisen zu schüren, aufstrebende Regionalmächte zu schwächen und Zugriffsoptionen zu schaffen. Auch bindet der Erwerb moderner Waffensysteme den Empfänger langfristig an den Verkäufer, der Ausbildung, Wartung, Ersatzteile und Nachrüstung gewährleisten oder vorenthalten kann. Neben dem ökonomischen Zugewinn für den Lieferanten resultiert daraus mithin ein beträchtliches Kontrollmoment, zumal es zu einer gewissen personellen und technologischen Verzahnung mit den örtlichen Streitkräften kommt.

Wie das Wall Street Journal in seiner heutigen Ausgabe berichtet, stehen die USA offenbar vor dem größten Waffengeschäft aller Zeiten. Saudi-Arabien will Kampfflugzeuge und Hubschrauber im Wert von bis zu 60 Milliarden Dollar kaufen und bekundet darüber hinaus Interesse an neuen Schiffen für die Marine sowie an Raketenabwehrsystemen im Wert von weiteren 30 Milliarden Dollar. Das Geschäft soll in den nächsten fünf bis zehn Jahren über die Bühne gehen und nach dem Willen der US-Regierung Arbeitsplätze schaffen wie auch einen Gegenspieler des Iran massiv aufrüsten. Im einzelnen soll der Kongreß den Verkauf von 84 neuen F-15-Kampfjets sowie die Aufrüstung von 70 weiteren dieser Flugzeuge genehmigen sowie die Erlaubnis erteilen, 70 Hubschrauber vom Typ Apache, 72 vom Typ Black Hawk und 36 Little Birds an Riad zu liefern.

Einwände könnten in erster Linie aus Israel kommen, dessen Regierung auf absoluter militärischer Überlegenheit gegenüber den Nachbarstaaten besteht, die nur dank massiver Unterstützung seitens der USA aufrechterhalten werden kann. Daß Washington den Rivalen Saudi-Arabien weiter hochrüstet, müßte in Jerusalem eigentlich auf entschiedene Ablehnung stoßen. Die USA haben sich jedoch Israel gegenüber zum Austausch von Informationen über solche Aufträge verpflichtet, und der US-Kongreß kann Waffengeschäfte sogar blockieren, die israelischen Sicherheitsinteressen zuwiderlaufen. Daher muß man wohl davon ausgehen, daß längst ein Abgleich stattgefunden hat, da das Vorhaben der US-Regierung andernfalls kaum Aussichten auf parlamentarische Zustimmung hätte.

Saudi-Arabien ist ein Vasall Washingtons, den die USA mit dieser Waffenlieferung stärker einbinden wollen, zumal die Saudis in jüngster Vergangenheit ihre Einkäufe verstärkt auch in Europa und Rußland getätigt haben. Zudem wird das Königreich gegen den Iran in Stellung gebracht, was durchaus in vollem Einklang mit strategischen Interessen Israels steht. Um dessen Vormacht sicherzustellen, soll das Land in Kürze die ersten F-35 Tarnkappenjets erhalten und somit einen technischen Vorsprung gegenüber den älteren F-15 Saudi-Arabiens wahren, das überdies nur eine abgerüstete Version des Jets ohne Langstreckenwaffen bekommt.

Grundsätzlich ist die US-Administration bestrebt, in dieser Region einen hochwertigen Raketenabwehrschild aufzubauen, wofür angeblich drohende Angriffe des Irans zum Vorwand genommen werden. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben bereits ein Raketenabwehrsystem von den USA gekauft, das auch Saudi-Arabien erhalten könnte, das derzeit über den Kauf eines Systems zur Abwehr von Kurz- und Mittelstreckenraketen verhandelt. Zudem raten die Amerikaner ihren Verbündeten, ihre Patriot-Abwehrraketen zu modernisieren. Auf diese Weise bauen die USA ihre vorgelagerten Bastionen aus, die auf lange Sicht gegen Rußland und China in Stellung gebracht werden. Die herrschenden Eliten am Golf mit ihren immensen finanziellen Mitteln sind die idealen Partner bei diesem Aufrüsten, wobei in Washington kein Hahn danach kräht, wenn die Menschenrechte in diesen Ländern mit Füßen getreten werden.

Die wirtschaftlichen Argumente für dieses größte Waffengeschäft in der Geschichte der USA liegen auf der Hand. Die Produzenten des Kriegsgeräts halten mögliche Bedenken mit den Vorteilen für den schwer angeschlagenen Arbeitsmarkt in Schach. Die Branche geht davon aus, daß mittelfristig Zehntausende Arbeitsplätze in 44 Bundesstaaten gesichert oder sogar neu geschaffen werden. Allein beim Hersteller Boeing, der die F-15, Apaches und Little Birds liefern wird, könnten nach Unternehmensangaben 77.000 Jobs abgesichert werden. Hinzu kommen die Black Hawks von Sikorsky, für die noch keine entsprechenden Prognosen vorliegen. Sollten künftig Aufträge für die Marine und den Raketenabwehrschild folgen, zeichnet sich um so mehr ein Anschub für die US-Wirtschaft ab.

Für die USA wäre dies eine bemerkenswerte Trendwende, da die weltweiten Waffenverkäufe infolge der Systemkrise der kapitalistischen Wirtschaftsordnung im vergangenen Jahr auf den tiefsten Stand seit 2005 gesunken sind. Dies geht der New York Times zufolge aus einem Bericht an den US-Kongreß hervor, in dem der Rückgang gegenüber 2008 auf 8,5 Prozent beziffert wird. Zwar blieben die USA mit Geschäften im Wert von 22,6 Milliarden Dollar, die einem Marktanteil von 39 Prozent entsprachen, die mit deutlichem Abstand führende Kraft in der Branche des Todes. Gegenüber ihren 38,1 Milliarden des Jahres 2008 war dies jedoch ein überaus herber Rückschlag für die US-amerikanischen Waffenschmieden, der den vermeintlich krisenresistenten Höhenflug der Rüstungsindustrie jäh zum Absturz brachte.

Die Studie führt die rückläufige Entwicklung des letzten Jahres insbesondere auf fehlende Aufträge aus dem Nahen Osten und aus Asien zurück, die zuvor für den Boom verantwortlich gewesen waren. Was Kriegsgegner aufatmen ließ, war mitnichten der Anfang vom Ende des Wettrüstens, sondern allenfalls eine Modifikation der Vorgehensweise. Viele Akteure sahen sich veranlaßt, ihre militärische Schlagkraft trotz eingeschränkter finanzieller Mittel durch strukturelle oder technische Modernisierung zu erhöhen. Wie sich nun abzeichnet, folgt auf die vermeintliche Atempause ein um so mächtigerer Zuschlag für den führenden Waffenexporteur, der von dem unstillbaren Rüstungshunger eines seiner weltweit wichtigsten Klienten profitiert. Von Washington geschoben, läßt sich das Regime in Riad bereitwillig in die Frontstellung gegen den Iran bugsieren, auch wenn es dabei sehenden Auges in einen Stellvertreterkrieg zu stürzen droht.

13. September 2010