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KRIEG/1362: Tötung auf Verdacht - US-Attacke in Somalia (SB)



Wieder einmal haben US-Streitkräfte auf bloßen Verdacht hin eine Person liquidiert, von der behauptet wurde, sie sei ein Führer von Al-Kaida und für Terroranschläge in Kenia verantwortlich.

Während ein US-Kriegsschiff vor der Küste Somalias kreuzte, wurden laut Augenzeugen am Montag vier Kampfhubschrauber zu einem kleinen Dorf rund 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Mogadischu gelotst, wo sie einen Konvoi mit zwei Allradfahrzeugen beschossen. Ob sich der vom FBI gesuchte Saleh Ali Saleh Nabhan unter den Getöteten befindet oder zu den vermuteten Überlebenden gehört, die von den US-Amerikanern nach der Attacke verschleppt wurden, ist unklar. Presseberichten zufolge war der Konvoi mit insgesamt sechs Personen besetzt. Erst am späten Montagabend bestätigte das US-Militär den Einsatz.

Tötung auf Verdacht ist bei den Streitkräften der USA und ihren Verbündeten usus. Seit dem Einmarsch Äthiopiens am 26. Dezember 2006 in Somalia haben die USA bei mindestens vier Gelegenheiten Verdachtspersonen in Somalia beschossen. Der Rechtfertigungsversuch der US-Regierung, man befände sich seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in einem globalen Krieg gegen den Terror, greift insofern nicht, als daß US-Militärs bereits 1993 "Ziele" in Somalia attackiert haben. Im Rahmen einer von den Vereinten Nationen organisierten Hungerhilfemission beschossen US-Hubschrauber in Mogadischu eine Versammlung mit rund 50 Führern, die zu der Zeit beraten wollten, wie das angespannte Verhältnis zwischen den Einheimischen und der UN-Mission respektive den US-Soldaten verbessert werden könne. Nun, das wortlose, aber eindringliche Argument der Amerikaner sprach für sich: Eine Verbesserung der Beziehungen ist nicht erwünscht. Nachdem zu einem späteren Zeitpunkt wütende Somalier einige US-Soldaten lynchten (der Kinofilm "Black Hawk Down" zeigt die US-amerikanische Sicht der Ereignisse), zerstörten US-Kampfhubschrauber ganze Stadtteile Mogadischus und töteten eine unbekannte Zahl von Menschen; Schätzungen gehen von 1500 Einwohnern aus.

Wohin soll es führen, wenn die größte Militärmacht der Welt, deren Militärhaushalt fast dem aller anderen Staaten zusammen entspricht, extralegale Hinrichtungen vornimmt, wenn nicht dahin, daß ein solches Vorgehen zum allgemeinen Maßstab erhoben wird? "Die USA sind bekanntermaßen der Feind des Islam, und wir werden von ihnen kein Mitleid erwarten, genauso wenig wie sie es von uns erwarten sollten", sagte ein Informant laut n-tv (15.9.2009). Das paßt zu der bellizistischen Erklärung des früheren US-Präsidenten George W. Bush jr., man sei entweder für die USA oder gegen sie.

Die Vereinigten Staaten befinden sich im Krieg gegen den Rest der Welt, sofern sich dieser nicht als befristeter Bündnispartner andienert. Das sollten die Bundesbürger wissen, wenn ihnen Verteidigungsminister Franz Josef Jung wider besseres Wissen das Märchen auftischen will, Deutschland befände sich am Hindukusch nicht im Krieg.

Hätten nicht die Amerikaner einen oder mehrere Somalier getötet, sondern umgekehrt, die Somalier einen Amerikaner, wäre dies in den USA als Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgelegt worden. Kein Staat und keine Interessensgemeinschaft der Erde sollte es gestattet sein, Menschen zu liquidieren. Der Vorfall in Somalia zeigt, es regiert das Recht des Stärkeren in der Welt. Die Menschheit ist anscheinend nicht in der Lage, einem Lebensentwurf zur Geltung zu verhelfen, in dem Vertreter der eigenen Art nicht letztlich als zu unterwerfende und somit nach Belieben zu tötende Subjekte vorkommen.

15. September 2009