Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1337: Wachsende Verluste britischer Truppen in Afghanistan (SB)



Insgesamt 15 britische Soldaten fielen der Offensive der NATO in der südafghanischen Provinz Helmand zum Opfer. Am letzten Freitag, als sich die Staats- und Regierungschefs der G8, deren Streitkräfte in den meisten Fällen am Afghanistankrieg beteiligt sind, in L'Aquilia gegenseitig feierten, fielen innerhalb von 24 Stunden acht britische Soldaten. Vom italienischen Konferenzort aus quittierte Premierminister Gordon Brown diese Verluste mit der Behauptung, es gebe "eine Kette des Terrors, die von den Bergen und Städten Afghanistans in die Straßen Britanniens" führe. "Unsere Entschlossenheit, die Arbeit zu beenden, die wir begonnen haben, ist unvermindert", schwadronierte der Labour-Politiker in Richtung all derjenigen Defätisten, die meinen, aus dem Tod der Soldaten Kapital schlagen zu können. Wie hierzulande Verteidigungsminister Franz Josef Jung rechnete Brown den bereits angerichteten Schaden an Leib und Leben der eigenen Soldaten auf, um die Durchhalteparole "Nun erst recht" zu intonieren.

Browns beschwörende Worte und die emotionale Würdigung der britischen Opfer durch US-Präsident Barack Obama haben bewirkt, daß nach Maßgabe einer Eilanordnung der Londoner Regierung innerhalb weniger Monate Tausende Soldaten nach Afghanistan entsandt werden, um die bereits dort kämpfenden 9000 Briten zu verstärken. Dabei fällt es der britischen Regierung immer schwerer, ihrer krisengeschüttelten Bevölkerung zu erklären, wieso viel Geld für einen Krieg ausgegeben werden muß, der mit inzwischen 184 gefallenen und zahlreichen dauerhaft versehrten Soldaten Schmerz und Leid über die eigene Bevölkerung bringt. Im Prinzip kann er nur auf das antiislamische Ressentiment bauen, das er gleichzeitig zu bekämpfen vorgibt, gelangt man bei einer nüchternen Analyse des angeblichen Handlungsnotstands doch zum gegenteiligen Ergebnis - terroristische Anschläge sind vor allem dann zu befürchten, wenn die eigenen Truppen fremde Länder besetzen und immer wieder Opfer unter der einheimischen Bevölkerung produzieren.

Da nicht nur britische Militäranalysten bestätigen, daß die Kriegführung der Taliban in den letzten acht Jahren Fortschritte gemacht hat, ist mit zahlreichen weiteren Opfern unter den Truppen der NATO zu rechnen. So berichtet Jason Burke in der Tageszeitung The Guardian (11.07.2009) von US-Soldaten, die vom Irak nach Afghanistan versetzt wurden und ihren dortigen Gegnern attestieren, daß sie weit effizienter organisiert sind als die Widerstandsgruppen im Irak. Burke zitiert einen Geheimdienstbeamten, laut dem die Taliban inzwischen weit besser aufgestellt seien, daß sie enger zusammenarbeiteten und sehr viel professioneller vorgingen. Hätten sie nicht den Nachteil, nur über einfache Waffen zu verfügen, mit denen sie der Feuerkraft der NATO weit unterlegen sind, dann wäre keineswegs sicher, daß sie nicht selbst in die Offensive gehen könnten.

Nun hat der vom britischen Außenministerium unterstützte Informationsdienst IWPR (10.07.2009) bestätigt, daß die Taliban in den afghanischen Nordprovinzen immer mehr Boden gewinnen. In dem Bericht warnt Gilles Dorronsoro von der Carnegie Endowment for International Peace davor, die Stärke des Widerstands im Norden zu unterschätzen. Er hält die Konzentration der Kampfaktivitäten der NATO auf die Südprovinzen für höchst riskant, da dies die Taliban dazu veranlasse, ihre Angriffe im Norden zu intensivieren. Überspitzt gesagt könnte man auch behaupten, die USA und Britannien schaffen auf diese Weise, was sie auf politischem Wege bei allen Versuchen, der Bundesregierung Feigheit vor dem Feind anzulasten, nie erreichten - die Bundeswehr wird nun, ob sie will oder nicht, auf ähnlich mörderische Weise mit dem Krieg konfrontiert, wie es für die Truppen anderer NATO-Staaten schon seit Jahren der Normalfall ist. Damit werden neue Maßstäbe für die Kriegsbereitschaft der Bundesbürger gesetzt - wenn sie weiterhin eine irrationale Kriegspropaganda schlucken und den Tod eigener Angehöriger klaglos wegstecken, dann kann auf dem Feld der Ehre noch viel erreicht werden.

12. Juli 2009