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KRIEG/1335: Platzende Propagandablasen bei Großoffensive in Helmand (SB)



Die Großoffensive der US-amerikanischen Besatzungstruppen im Süden Afghanistans stößt zwangsläufig auf wenig Gegenliebe der einheimischen Bevölkerung, die nur zu gut weiß, daß die Kämpfe gegen die Taliban zum überwiegenden Teil zu ihren Lasten gehen. Amerikanische Reporter, welche die Operation "Schwertstreich" der 4.000 Marines und 650 afghanischen Soldaten begleiten, beschreiben die Stimmung als feindselig gegenüber den vorrückenden Truppen. Es gebe in der Provinz Helmand mehr Menschen, die mit den Taliban zusammenarbeiten wollten als mit der Regierung, die sie teilweise seit Jahren nicht mehr wahrgenommen haben. In einigen Distrikten hätten Dorfbewohner sogar die Waffen gegen die ausländischen Soldaten erhoben. Da bei US-Luftangriffen in dieser Region viele Menschen getötet wurden, schenkt man der Behauptung keinen Glauben, die fremden Soldaten seien diesmal als Freunde gekommen, um zu helfen.

Wie die "New York Times" berichtet, gehe es diesmal nicht nur darum, den Feind zu töten, sondern die Bevölkerung zu schützen. Bislang seien die US-Truppen jeweils nur kurz auf Taliban-Gebiet vorgestoßen und hätten sich danach wieder zurückgezogen. Nun verfolge man eine neue Strategie, denn man werde in der Hochburg der Taliban mehrere kleine Stützpunkte einrichten, um so eine Rückkehr der Aufständischen zu verhindern. Gemäß der neuen NATO-Strategie des "vernetzten Ansatzes" suche man nach der Rückeroberung eines Ortes im Zeichen der "zivil-militärischen Zusammenarbeit" den Kontakt mit den Dorfältesten, um mit ihnen die dringendsten Erfordernisse durchzusprechen. Es gehe insbesondere darum, in kürzester Zeit den Einfluß der Taliban durch sichtbaren Wiederaufbau zu ersetzen. (Der Spiegel 04.07.09)

Anfängliche Siegesmeldungen, man habe die Taliban-Hochburgen überraschend schnell überrennen können und stoße auf keinen nennenswerten Widerstand, sind der Hiobsbotschaft gewichen, vor allem südlich der Stadt Garmsir hätten sich "höllische Gefechte" entwickelt. Überall müsse man mit einem Hinterhalt plötzlich angreifender und sofort wieder untertauchender Gegner, aber auch mit Sprengfallen rechnen, wobei Temperaturen von rund 43 Grad den Marines besonders zu schaffen machten. Überdies seien Rettungshubschrauber, die kollabierende Soldaten abtransportieren wollten, von den Gegnern beschossen worden. Die von gepanzerten Fahrzeugen und zahlreichen Kampfhubschraubern unterstützten US-Truppen sehen sich mit einem Guerillakrieg konfrontiert, der nicht nur ihre vermeintliche Übermacht in Frage stellt, sondern auch die Propagandablasen von Schutz und Aufbau zerplatzen läßt.

Es handelt sich um die größte Offensive der Marineinfanterie seit dem Einsatz in Falludscha 2004 und erinnert fatal an das Desaster dieser Strategie, die etwa zwei Jahre lang im Irak umgesetzt wurde. Damals kam es zu schweren Verlusten unter der Zivilbevölkerung und einem Strom von Flüchtlingen, wobei die Aufständischen nach dem Abzug der Besatzungstruppen zurückkehrten und keinen Mangel an neuen Rekruten hatten, die den Tod ihrer Angehörigen und Freunde rächen wollten. Nichts anderes geschieht derzeit im Helmand, da nicht abzusehen ist, wie die Marines in dieser entlegenen und teilweise zerklüfteten Region Präsenz zeigen und die Bevölkerung schützen wollen.

Weder wurden die dort lebenden Afghanen gefragt, ob sie von den Amerikanern geschützt werden wollen, noch kann ihnen entgangen sein, auf welches Verhängnis ihre Zwangslage hinausläuft. Das ausgewiesene Ziel der Operation, rechtzeitig vor der Präsidentenwahl am 20. August auch jene Regionen zurückzugewinnen, die für die Zentralregierung in den letzten Jahren unerreichbar waren, zeigt in aller Deutlichkeit, welche strategische Marschroute verfolgt wird: Eine weitere Marionettenregierung in Kabul zu installieren, die als Kollaborateur einer unbefristeten Präsenz des Besatzungsregimes fungiert.

4. Juli 2009