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KULTUR/0780: Body of Lies ... Terrorkrieg auf den Stand gebracht (SB)



Gleich zu Beginn des Spionagethrillers Body of Lies klärt der CIA-Beamte Ed Hoffman (Russell Crowe) seine Vorgesetzten darüber auf, warum die Bekämpfung des Terrorismus so schwierig sei. Während man selbst mit der Technologie der Zukunft arbeite, bedienten sich die Terroristen der Mittel der Vergangenheit, indem sie auf Mobiltelefone und Computer verzichteten, um ihre sinistren Pläne statt dessen im persönlichen Gespräch oder mit Papier und Schreiber zu kommunizieren. Illustriert mit Bildern orientalischer Betriebsamkeit, in der sich verdächtige Gestalten bewegen wie die sprichwörtlichen Fische im Wasser, wird schon mit dieser Aussage klargestellt, daß der Kampf der Kulturen keine versponnene Theorie, sondern blanke Realität ist.

Der 2008 in die Kinos gekommene Streifen des Starregisseurs Ridley Scott bringt den Terrorkrieg auf den aktuellen Stand, indem er die rassistischen Herrenmenschenallüren Hoffmans als nicht nur ignorant, sondern auch ineffizient darstellt. Dessen untergebener Roger Ferris (Leonardo DiCaprio) verkörpert den Typus des operativen Agenten, der die Terrorismusbekämpfung in der Kampfzone nahöstlicher Staaten mit zwar harter Hand, aber auch gewisser Sympathie für die dort lebenden Menschen verrichtet. Wo Hoffman in der CIA-Zentrale Kriegführung per Drohnentechnik betreibt, als ob es sich um ein Schachspiel mit austauschbaren Figuren handelte, wird Ferris bei aller Härte von Skrupeln geplagt, die aus der für das US-Kino prototypischen Wahrheitsmoral resultieren.

Im jordanischen Geheimdienstchef Hani Salaam (Mark Strong) findet er einen Partner im Geiste, der die arrogante Suprematie eines neokonservativen Weltretters wie Hoffman ebenso verachtet wie dessen grobe Auffassung von Geheimdienstarbeit. Die damit transportierte Botschaft, die USA müßten mit den Bevölkerungen der von ihren Truppen besetzten und ihren Agenten heimgesuchten Länder lediglich respektvoller umgehen, dann wäre der Sieg über den Terrorismus schon fast erreicht, sieht völlig davon ab, wer in diesem Konflikt als primärer Aggressor in Erscheinung getreten ist. Wo Fragen nach der Zuständigkeit der US-Geheimdienste in nahöstlichen Staaten angebracht wären, wird der Zuschauer dazu veranlaßt, die Zusammenarbeit mit dem jordanischen Geheimdienst als Ausdruck zivilisierter Bemühung um die Befriedung kriegserschütterter Gesellschaften zu verstehen. Daß diese nicht nur unter imperialistischer Einflußnahme von außen leiden, sondern es mit brutalen Herrschaftssystemen zu tun haben, die die innere Opposition massiv unterdrücken und die Bevölkerung in Armut und Unmündigkeit halten, bleibt bei dieser Darstellung außerhalb des Blickfelds. Dem Publikum wird statt dessen suggeriert, arabische wie US-amerikanische Geheimdienstarbeit sei um so vieles weniger grausam als das Zerstörungswerk der Terroristen, so daß man als Zuschauer, der von dem technisch gut gemachten Film gepackt wird, das Richtige macht, wenn man seine Sympathien auf die empfohlene Weise verteilt.

Zu dem Eindruck, die USA wären als globale Ordnungsmacht unentbehrlicher denn je, tragen auch mehrere in der EU vollzogene Anschläge islamistischer Terroristen bei. Lediglich der selbstherrliche Charakter mancher CIA-Beamter bedürfe einer Korrektur, nicht jedoch der weltweite Einsatz des US-Auslandgeheimdienstes, der mit Hilfe bewaffneter Drohnen zur jederzeit möglichen Echtzeit-Exekution aufgerüstet wurde. Die der Ideologie der asymmetrischen Kriegführung entlehnte Behauptung Hoffmans, man könne militärisch hochgerüsteten Streitkräften mit Hilfe vordigitaler Kommunikationsformen zu Leibe rücken, wird mit den spektakulär inszenierten Overkillkapazitäten US-amerikanischer Waffensysteme wirksam dementiert. Was bleibt, ist das Ressentiment gegenüber einer fremden Welt, die sich nur dann, wenn sie sich der Merkmale und Signaturen westlicher Kultur bedient, ein freundliches Gesicht erhält.

Body of Lies nimmt das titelgebende Lügengeflecht geheimdienstlicher Intrigen keineswegs zum Anlaß, das dagegen gerichtete Wahrheitspostulat zu verabsolutieren, sondern bescheidet sich mit der Weltsicht, daß die Wahrheit im Terrorkrieg als Lüge larviert in Erscheinung treten muß, um einem Gegner gewachsen zu sein, der seine technologische Unterlegenheit durch die Verschwiegenheit religiöser und tribalistischer Codices wettmacht. Nachdem der Neokonservativismus der Bush-Administration abgewirtschaftet hat, treten Realpolitiker auf den Plan, die den Verzicht auf die Welteroberungsmission Freedom & Democracy durch den Pragmatismus des machbaren Imperialismus nicht minder grausam, aber mit der Attitüde demonstrativer Menschlichkeit mehr als nur kompensieren.

Der dem Film zugrundeliegende, 2007 veröffentlichte Roman Body of Lies wurde von David Ignatius verfaßt, einem der einflußreichsten US-Journalisten, die mit dem Themenkreis des Nahen und Mittleren Ostens befaßt sind. Wer seine Ansichten kennt, kann von der ideologischen Ausrichtung des Films nicht überrascht werden. Ignatius hat jene Diskussion auf dem letzten Weltwirtschaftsforum in Davos moderiert, bei der der israelische Präsident Shimon Peres in aller Ausführlichkeit behaupten konnte, daß der Gazakrieg lediglich der Verteidigung seines Landes diente. Nachdem Ignatius dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan lediglich eine Minute zugestand, um eine Gegenposition zu formulieren, war der Eklat perfekt und ein passendes Sinnbild für den in Body of Lies zeitgemäß inszenierten Kampf der Kulturen in der realen politischen Welt geschaffen.

30. März 2009