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KULTUR/0768: Auswärtige Kulturpolitik geostrategisch eingespannt (SB)



Nicht mehr Randelement, sondern Kern einer Außen- und Sicherheitspolitik sei die deutsche Kulturpolitik, so der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Peter Ammon, am 28. Januar in einer Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Bundestags. Er bekräftigte damit die schon unter dem früheren Außenminister Joseph Fischer betriebene Politik, die auswärtige Kulturpolitik vollends in eine Agentur der globalen Ordnungspolitik zu verwandeln, in der sich die hegemonialen Interessen der Bundesrepublik spiegeln.

Natürlich fungiert staatliche Kulturpolitik im Ausland meist als Träger nationaler Interessen. Fischer faßte dies schon zu Beginn seiner ersten Amtszeit 1999 in die Worte, dieses Feld der Politik sei eben "nicht allein für das Gute, Schöne, Wahre zuständig, sondern integraler Bestandteil einer auf Konfliktprävention und Friedenssicherung ausgerichteten Außenpolitik". Warum die von ihm zur Disposition größeren Nutzens gestellten Ideale überhaupt im Widerspruch zu einer angeblich ebenfalls ethischen und humanitären Werten verpflichteten Außenpolitik stehen sollen, ist seit dem Jugoslawienkrieg leicht zu beantworten. Daß die Welt am deutschen Wesen genesen soll, ist allerdings keine Erfindung Fischers. Wenn Dichter und Denker Heldengesänge anstimmen und vom Schlachtenruhm deutscher Soldaten künden, dann war das kaum ein Grund dafür, sie aus dem Pantheon unsterblicher nationaler Größen zu verbannen.

Was Fischer noch friedenspolitisch verklausuliert, kommt heute ganz offen als integrales Element der Kriegspolitik daher. Ammon hält Kulturpolitik für "stark operative Außenpolitik" und illustriert diese Zuweisung mit dem Beispiel, daß sie "in Konfliktregionen wie Gaza, Afghanistan und im Irak (...) einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und zur Stabilisierung von Gesellschaften" (Das Parlament, (02.02.2009) leiste. Die dort angeblich zu überwindenden kulturellen Trennlinien gruppieren sich im wesentlichen um den Widerspruch zwischen kultureller Selbstbestimmung und von außen aufgezwungener Normen und Werte. In allen drei genannten Konfliktregionen sollen die dort verbreiteten autochthonen Kulturen und die Stammesstrukturen, die den Wirkungsgrad äußerer Einflußnahme begrenzen, aufgebrochen und durch säkulare Konzepte der westlichen Zivilgesellschaft ersetzt werden.

Das wäre nicht weiter verwerflich, wenn dies in Form eines Angebots erfolgte, auf daß sich niemand einlassen müßte. Die Bevölkerungen der exemplarischen Konfliktregionen sind jedoch Opfer einer Besatzungspolitik, die sie für jede Aussicht auf Linderung ihrer Not empfänglich und damit käuflich macht. Hier geht es nicht darum, in aller Freiwilligkeit Möglichkeiten zur Emanzipation von orthodoxen Moralvorstellungen und gesellschaftlichen Zwängen bereitzustellen, sondern die in westlichen Industriegesellschaften etablierte Norm allseitiger Verfügbarkeit für ökonomische und administrative Interessen durchzusetzen. Wenn auswärtige Kulturpolitik als Element des "Stabilitätsexport" und des "Nation Building" verstanden wird, dann handelt es sich um eine Form zivil-militärischer Zusammenarbeit, die mit Respekt vor den gewachsenen Traditionen und Strukturen einer Bevölkerung nicht vereinbar ist, weil es im Kern um deren Überwindung geht.

Wie etwa auch der vermehrte Einsatz von Anthropologen und Ethnologen in den Eroberungskriegen der USA zeigt, setzt man auf die Unterwanderung einheimischer Kulturen, die vielleicht als folkloristisches Brauchtum oder museale Touristenattraktion weiterexistieren dürfen, aber jede Bedeutung für die Widerständigkeit gegen äußere Aggressoren verlieren sollen. Dabei geht es vor allem um die Kooptierung einheimischer Eliten mit dem Ziel des Regimewechsels. Wenn man aufgrund der vorrangig verwendeten militärischen Mittel nicht in der Lage ist, die Mehrheit der Bevölkerung auf die eigene Seite zu ziehen, dann bedient man sich der neokolonialistischen Methode, nationale Sachwalter eigener Interessen vorzuhalten. Dafür gibt es in der globalisierten Welt, in der Hollywood, Sony, Apple, Adidas, Coca-Cola und McDonald's auch in entlegensten Regionen Wünsche nach konsumistischer Erlösung schüren, mehr Möglichkeiten denn je.

Der sicherheitspolitische Ansatz in der Kulturpolitik droht auch letzte Möglichkeiten zu vernichten, innerhalb staatlich geförderter Institutionen emanzipatorische Arbeit zu leisten. Es steht zu befürchten, daß der Impetus zweckdienlicher Indoktrination auch diejenige Kulturpolitik verstärkt kontaminieren wird, mit der die Bundesbürger auf Linie herrschender Interessen gehalten werden. Desto mehr Gründe haben die Sachwalter unabhängiger Kulturarbeit, sich von jeglicher Einflußnahme staatlicher Agenturen wie auch transnationaler Kapitalmacht fernzuhalten.

9. Februar 2009