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HERRSCHAFT/1614: Von grün über lodengrün zu braungrün - mit den Realos in den Ökofaschismus? (SB)



Wird der Name des nächsten Bundeskanzlers Cem Özdemir lauten? Nach dem gegenwärtigen Trend in den Umfrageergebnissen kann das nicht mehr ausgeschlossen werden, die Grünen und die CDU liegen etwa gleichauf. Der lange Marsch durch die Institutionen einer aus der westdeutschen bürgerlichen Friedens-, Umwelt- und Emanzipationsbewegung hervorgegangenen Partei, die sich 1993 mit der ostdeutschen Bürgerbewegung Bündnis 90 zusammenschloß, hat gut dreißig Jahre gedauert. In dieser Zeit haben sowohl die grüne Partei als auch ihre Wählerschaft nahezu alle ursprünglich vorgehaltenen Positionen bzw. politischen Einstellungen aufgegeben. Der barfußgehende Latzhosenträger aus dem besetzten Haus in Kreuzberg mauserte sich zum erfolgreichen Entrepeneur der Solarenergiebranche, während die Kräuterhexe von der Schwäbischen Alb einen florierenden Internethandel mit Ökotextilien aufzog. Die Grünen repräsentieren heute gemeinsam mit ihrer Klientel den bundesrepublikanischen Durchschnittsspießbürger und könnten bald stärkste Kraft in Deutschland werden.

Der grüne Parteivorsitzende Cem Özdemir macht der CDU Avancen, und der grüne Bundestagsfraktionsvorsitzende Jürgen Trittin läßt sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einvernehmlich scherzend im Bundestag ablichten. Eine Botschaft, die bei Merkels Noch-Koalitionspartner FDP verstanden wurde. Dessen Parteivorsitzender Philipp Rösler hat öffentlich mehr Professionalität in der Koalition verlangt. Gemeint war, daß doch, bitte schön, seine Partei in der Öffentlichkeit nicht noch weiter demontiert werden soll.

Die Grünen an ihre einst angeblich radikalere Vergangenheit zu gemahnen wäre naiv, denn es unterstellte ungerechtfertigterweise, daß sie jemals etwas anderes erreichen wollten, als an den Stellschrauben der gesellschaftlichen Verwertungsordnung zu drehen, um sie innerhalb der Grenzen des Wachstums fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Was soll auch anderes von einer Partei erwartet werden, deren rebellischster Akt sich darauf beschränkte, im Bundetag Turnschuhe zu tragen und während der Plenarsitzungen zu stricken? Wer gegen die Kleiderordnung verstößt, hat mit dieser offensichtlich noch eine ganze Menge zu tun. Nichts gegen das Stricken, aber bis dahin hatten vor allem die Mütter und Großmütter gestrickt, nachdem sie ihre gesellschaftliche Reproduktionsaufgabe erfüllt und für Nachwuchs gesorgt hatten.

Was wäre von einer realogrünen Partei, die Sozialprogramme mitgetragen hat, die zur Massenverarmung im reichen Deutschland führten, zu erwarten, sollte sie bei der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2013 stärkste Partei werden und den Kanzler stellen? Angesicht ihrer basisopportunistischen Grundüberzeugungen wäre nicht mit weniger, sondern mit mehr Kriegseinsätzen der Bundeswehr zu rechnen. Mit Lodengrün bekleidete sich die Partei bereits 1999 durch ihr Ja zum Kriegseinsatz der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Die Steigerung von lodengrün wäre braungrün.

In der eigentlich bereits eingetretenen Zukunft mit annähernd zeitgleichen globalen Krisen - Hunger, Klimawandel, Meeresspiegelanstieg, Artensterben, Rohstoffmangel -, denen sich auch die relativ wohlhabende Bundesrepublik Deutschland nicht wird entziehen können, werden die gesellschaftlich vorherrschenden Kräfte eine rigorose Administration etablieren, welche die Politik des Mangels ideologisch verklärt (Konsumverzicht ist hip), den Lebensstandard des Establishments absichert (Spitzensteuersatz runter) und gleichzeitig "die Straße" befriedet, indem die potentiell aufmüpfigen zivilgesellschaftlichen Kräfte eingeseift werden. Wer eignete sich besser für diese gewaltregulativen Aufgaben als die Grünen?

12. Juni 2011