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HERRSCHAFT/1535: Krötenmenü im Luxusrestaurant ... Kostverächterin Linkspartei (SB)



Wie groß die Kröten sind, die linke Politiker in Deutschland zu schlucken haben, um das Attest der Regierungsfähigkeit zu erhalten, erklärte die Landesvorsitzende der Partei Die Linke in NRW, Katharina Schwabedissen, nach dem Scheitern der Gespräche mit SPD und Grünen so: "Wir waren bereit, den Satz zu unterschreiben 'Die DDR war keine Demokratie. Die DDR war eine Diktatur'. Das hat offensichtlich SPD und Grünen nicht gereicht."

Fast fünf Stunden hatte man in einem Düsseldorfer Hotel die Möglichkeit einer Koalitionsregierung aus SPD, Grünen und Linkspartei ausgelotet. Die Hälfte der Zeit soll es nur darum gegangen sein, daß die Linke ihr Verhältnis zur DDR auf eine Weise klärt, die für die Verhandlungspartner akzeptabel gewesen wäre. Deren Urteil fiel vernichtend aus. Weder habe man Vertrauen aufbauen noch Verläßlichkeit erkennen können, meinte die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft anschließend. Beim "Demokratieverständnis der Linkspartei", ihrem "Verhältnis zur DDR" und ihrer "Verfassungsfestigkeit" hätte man "sehr viele relativierende Äußerungen" vernommen, urteilte die SPD-Politikerin, als ob sie Vorsitzende einer Kommission zur Feststellung der FDGO-Tauglichkeit von Bewerbern des öffentlichen Dienstes in den 1970er Jahren wäre.

Ihre Kollegin von den Grünen, Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann, bemängelte hinsichtlich der "Regierungsfähigkeit" der Linken, daß sie nicht sehe, "welche Anforderungen an eine Regierungsfraktion noch dazu in einem sicher ungewöhnlichen Bündnis zu stellen sind" und daß sie sich nicht entscheiden könne, ob sie "Regierung oder Opposition" sein wolle. Ohne "hinreichende vertrauensbildende Maßnahmen" stehe ihre Fraktion nicht für eine rot-grün-rote Regierung zu Verfügung, so die Politikerin, die auch keinen Einwand gegen eine Koalitionsregierung mit der CDU gehabt hätte.

Der Eindruck, SPD und Grünen ginge es um ein Verfassungsverständnis, das freie und kritische demokratische Debatten ermögliche, könnte nicht irreführender sein. Das Pochen auf Einhaltung ideologischer Bekenntnisse, die zu relativieren gleichbedeutend mit dem Verdacht verfassungs- und damit staatsfeindlicher Umtriebe sei, verrät eine Mißachtung demokratischer Grundsätze, wie sie für politische Funktionseliten in kapitalistischen Staaten typisch ist. Allein die von SPD und Grünen nicht kritisierte Observation der Linkspartei durch den sogenannten Verfassungsschutz verstößt gegen dessen Auftrag, erwiesene Verfassungsfeinde und nicht bloß der Verfassungsfeindschaft verdächtigte Personen und Organisationen öffentlich zu machen. Von der Linkspartei zu verlangen, sie dürfe den Inlandgeheimdienst der BRD nicht mit dem Geheimdienst der DDR vergleichen stellt den Versuch dar, die notwendige Kritik eigener Verdächtigung durch diese Behörde auf eine Weise zu artikulieren, die Signalcharakter hinsichtlich der Bedrohung für die politische Freiheit der Bundesbürger hat.

Wie also kann ein antidemokratischer Gesinnungstest in Anbetracht drängender politischer Fragen bei der Bildung einer Koalitionsregierung, deren potentielle Mitglieder erklärtermaßen über eine inhaltliche Schnittmenge verfügten, die ein solches Unterfangen rechtfertigte, eine solche Bedeutung haben, daß das Vorhaben eines Politikwechsels daran scheiterte? Die Erklärung, der SPD sei es eigentlich nur darum gegangen, die Linkspartei vorzuführen, um dann entlastet von dieser Möglichkeit auf eine große Koalition in NRW zuzusteuern, träfe nur zu, wenn von vornherein klar gewesen wäre, daß die Linke auf Positionen beharrte, die mit den Interessen der SPD und Grünen unvereinbar gewesen wären. Den Eindruck machten die Ankündigungen führender Politiker der NRW-Linke jedoch nicht, wie auch die Bereitschaft belegt, Glaubenssätze zu unterschreiben, die nichts als solche sind. Daß es dennoch nicht gereicht hat, zeigt, daß der Hase woanders im Pfeffer liegt.

Die vielbeschworene "Zuverlässigkeit", an der es der Linkspartei angeblich mangelt, kann als Chiffre für die Durchsetzung herrschender Interessen auf den Punkt einer Politik gebracht werden, mit der die Konsolidierung europäischer Kapitalmacht zu Lasten der davon betroffenen Bevölkerungen gemeint ist. Die Schwierigkeit, die geplanten Maßnahmen der Krisenregulation durchzusetzen, sind mit dem Beispiel des Widerstands der griechischen Bevölkerung gegen das neoliberale Entschuldungsdiktat auf eine Weise manifest geworden, die den Funktionseliten der Bundesrepublik noch größere Anstrengungen zur Ausblendung und Beschwichtigung sozialer Widersprüche abverlangt. Dazu bedarf es nicht nur der autoritären Durchsetzung administrativer Maßnahmen, sondern auch ihrer Legitimation durch die Unterstellung ihrer Unabdinglichkeit.

Wie Löhrmann richtig erkannt hat, wäre von der Linkspartei zu erwarten, daß sie oppositionelle Inhalte in eine Koalitionsregierung einbrächte, die die Glaubwürdigkeit angeblich alternativloser Sozialkürzungen erschütterten und vor allem zu einem schwer kalkulierbaren Abstimmungsverhalten führten. Während man die Linke in der Opposition auf bekannte Weise der notorischen Verantwortungslosigkeit bezichtigen und sie mit ideologischer Demagogie diskreditieren kann, wäre sie in einer Landesregierung in den Genuß eines Vertrauensvorschuß gekommen, der ihren Positionen mehr politisches Gewicht verliehen hätte. Hätte sie sich in diesem Rahmen quergestellt, dann wäre der Schaden auch für das Ansehen der Koalitionspartner weit größer, als wenn sie auf der Oppositionsbank ihre Stimme erhebt und diese resonanzarm verhallt.

Offensichtlich haben die Vertreter der Linkspartei in den wichtigen Fragen nicht genügend eingelenkt, als daß ihre Regierungsbeteiligung die anstehenden Verschärfungen der sozialen Lage garantiert hätte. Das DDR-Thema bietet sich als ideologischer Stellvertreterkrieg an, weil es die von der Linken vertretenen sozialen Forderungen mit einem Makel befleckt, der sich auf die Summe jahrelanger antikommunistischer Propaganda stützt. Wo die Klassenfrage zu stellen wäre, wird mit dem Siegel des Totalitarismusurteils dafür gesorgt, daß die angebliche Diskreditierung des Sozialismus auch und gerade für die Zukunft Gültigkeit behält. Die politische Repression, der sich SPD und Grüne mit der Insistenz auf eine ideologische Norm andienen, die durch das Grundgesetz nicht gedeckt wird, nimmt die sicherheitsstaatliche Unterdrückung sozialen Widerstands vorweg.

Der letztlich doch nicht erfolgte Kniefall der NRW-Linken verschafft denjenigen Kräften in der Partei Rückenwind, die dem Kompromiß mit den etablierten Parteien von vornherein ablehnend gegenüberstanden. Zweifellos gibt es starke Kräfte in der Linkspartei, die das Krötenmenü zu einer Delikatesse erklärten, wenn es ihnen nur den Weg an die Fleischtöpfe der Nation eröffnete. Gleichzeitig könnte die anstehende Verschärfung der sozialen Polarisierung der Partei Die Linke, wenn sie sich antikapitalistischen Kräften nicht verschließt und den Schulterschluß mit außerparlamentarischen Protestbewegungen sucht, einen Zuspruch bescheren, der sich durch antikommunistische Kampagnen nicht irritieren läßt, weil er längst Partei ergriffen hat. Sich in einer kapitalistischen Gesellschaft als zuverlässiger Erfüllungsgehilfe zu empfehlen tun andere bereits zu Genüge, warum also sollte die Linke darüber die Möglichkeit verspielen, die etablierten Foren der Politik zur Artikulation unterdrückter Stimmen zu nutzen?

21. Mai 2010