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HERRSCHAFT/1417: Mehr Frauen in die Außen- und Sicherheitspolitik ... (SB)



Eine "stärker frauenzentrierte Außenpolitik" wünscht sich die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margot Wallström. In einem Kommentar (EU-Observer, 12.01.2009) nimmt sie die Präsenz hochrangiger Außenpolitikerinnen in der neuen US-Administration zum Anlaß, die angeblichen Vorteile herauszustreichen, die sich aus einem geschlechtsspezifischen Ausgleich in den Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik ergeben sollen.

Ein besonderes Symbol ist in ihren Augen die spanische Verteidigungsministerin Carme Chacon, die, im achten Monat schwanger, eine Truppeninspektion vornahm. Dieses "Bild des Wandels" werde jedoch dadurch getrübt, daß von 27 Verteidigungsministern in der EU nur vier weiblich sind. Wallström beklagt die Dominanz von Männern auf diesem Feld nicht nur aufgrund der beruflichen Benachteiligung von Frauen, sondern weil daraus eine "Bedrohung der globalen Sicherheit und von Frauen in aller Welt" resultiere. Wallström wünscht sich eine "weibliche Perspektive" insbesondere bei sogenannten Friedenseinsätzen, weil Frauen aufgrund ihrer weiblichen Weltsicht sehr viel mehr geeignet wären, sich um die sicherheitsrelevanten Probleme der Armut und des Hungers, der Flüchtlinge und der sexuellen Gewalt zu kümmern.

Die Theorie der EU-Kommissarin, daß Frauen als Außen- und Sicherheitspolitikerinnen einen positiven Einfluß auf die Entwicklung von Frieden und Demokratie hätten, entspringt einem postmodernen Verständnis von Feminismus, das den emanzipatorischen Bewegungen der Frauenbefreiung in den sechziger und siebziger Jahren nicht nur fremd, sondern antagonistisch ist. Hier reproduziert sich ein postlinkes Verständnis von institutioneller Einflußnahme, das mit dem konformistisch verstandenen Marsch durch die Institutionen begann und in die zusehends unreflektierte Beteiligung einst linker Kräfte an Praktiken der Ausbeutung und Unterdrückung resultiert.

Der wohlfeile Glauben an die Möglichkeit, innerhalb kapitalistischer Systeme systemanatagonistische Effekte zu erzielen, legitimiert Karrieren, die in höchste Ämter führen und dort eben die Ergebnisse zeitigen, die von deren Amtsinhabern erwartet werden. Die US-Außenministerinnen Madeleine Albright und Condoleezza Rice belegen mit der Gutheißung schwerwiegender kriegerischer Maßnahmen, daß Frauen im Feld der Außenpolitik unterschiedslos von Männern völlig ignorant gegenüber dem leiderfüllten Schicksal von Müttern sein können. Der von Hillary Clinton und ihrer Nachfolgerin als First Lady Laura Bush an den Tag gelegte Einsatz für afghanische Frauen hat deren Lage nicht im mindesten verbessert. Nachdem die Taliban vertrieben wurden, haben die nicht minder patriarchalischen Akteure der mit den USA verbündeten Nordallianz das Ausmaß an sexueller Gewalt gegen Frauen erheblich gesteigert. Die Betroffenen gerieten vom Regen in die Traufe, ohne daß die vielen westlichen Politikerinnen, die ihre angebliche Befreiung bejubelten, dies wirklich zur Kenntnis genommen hätten.

Wallströms Unterstellung, das Geschlecht politischer Funktionsträger wirke sich auf nennenswerte Weise auf ihre Politik aus, basiert auf einem biologistischen Verständnis, das den sozial und gesellschaftlich bedingten Einfluß auf Geschlechterrollen zu gering schätzt. Der radikale Feminismus früherer Zeiten bezog sich aus gutem Grund sehr viel stärker auf die Inhalte der Politik und machte diese an spezifischen Formen männlicher Sozialisation fest, anstatt vom Geschlecht eines Amtsinhabers ausgehend über mögliche Auswirkungen auf seine Politik zu mutmaßen. So kann von der den administrativen Institutionen und Machtapparaten immanenten Gewalt abstrahiert werden, um im Endeffekt die Beteiligung an patriarchalischer und imperialistischer Politik zu sichern.

Wallströms Werben für eine weibliche Außen- und Sicherheitspolitik ist ein typisches Produkt jener Identitätspolitik, die die Menschen dazu veranlaßt, von einem schwarzen US-Präsidenten Veränderungen zu erwarten, die seinen spezifischen Erfahrungen als Mitglied einer unterdrückten Minderheit entspringen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus - wenn nicht einmal Vertreter privilegierter Eliten in der Lage sind, sich gegen das konstitutive Gewaltverhältnis kapitalistischer Gesellschaften durchzusetzen, warum sollten dies gerade Mitglieder sozial benachteiligter Gruppen leisten können? Gerade deshalb werden sie gerne als legitimatorisches Feigenblatt eingesetzt, wie der hohe Anteil von Frauen in politischen PR-Funktionen zeigt. Politikerinnen, Journalistinnen und Sprecherinnen sind letztlich besonders gut dazu geeignet, den Bomben und Granaten einen sympathischen Spin zu geben.

Unterhalb der Schwelle revolutionärer Umwälzungen beherrschen partizipatorische Interessen das Feld, die auch idealistischen Politikern schnell die Grenzen ihrer Möglichkeiten aufzeigen. Wäre es anders, dann könnte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner nicht guten Gewissens jahrelang eine gegen das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser gerichtete Politik unterstützen, die Frauen und Kinder nicht erst im jüngsten Krieg auf verheerende Weise in Mitleidenschaft zieht. Wenn Tzipi Livni das Massaker im Gazastreifen nach wie vor als legitim und notwendig darstellt, dann können Frauen froh darüber sein, daß mit ihrem Geschlecht keine politische Position verbunden sein muß.

25. Januar 2009