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HEGEMONIE/1733: Ringen um Vorherrschaft - Haupttätigkeit auf der Klimaschutzkonferenz in Durban (SB)



Wer hätte gedacht, daß das zahnlose Kyoto-Protokoll noch einmal als viel zu hohe Hürde der internationalen Klimaschutzverhandlungen angesehen wird! Das 1997 beschlossene und 2005 ratifizierte Abkommen läuft Ende nächsten Jahres aus und wird aller Voraussicht nach nicht verlängert. So lautet die Halbzeitbilanz der UN-Klimaschutzkonferenz in Durban.

Ein Nachfolgeprogramm sollte vor zwei Jahren in Kopenhagen vereinbart werden, doch zu konträr blieben die Interessen, und die dänische Konferenzführung war offensichtlich so sehr mit der eigenen Vorteilssuche befaßt, daß sie unfähig war, zwischen den Fraktionen zu vermitteln. Die Organisatoren scheuten sich nicht einmal, unliebsame Regierungschefs zu schikanieren. Das Konferenzklima war ausgesprochen mies - dementsprechend die Resultate.

Beim nächsten Treffen, 2010 in Cancun, waren die Erwartungen von vornherein schon so gering, daß die Bekräftigung des unverbindlichen Versprechens der Industriestaaten, ab dem Jahr 2020 die vom Klimawandel am schwersten betroffenen Entwicklungsländer mit jährlich 100 Mrd. Dollar unter die Arme greifen zu wollen, als Erfolg verkauft wurde. Aktuell wird unter anderem darüber verhandelt, wer was wann einzahlt und wer den Klimafonds verwaltet.

Erringen der Verfügungsgewalt - darum geht es nicht nur hinsichtlich der Transferleistungen von den Industriestaaten in Richtung Schwellen- und Entwicklungsländern, sondern grundsätzlich bei den Verhandlungen, die unter dem Stichwort "Klimaschutz" doch nichts anderes meinen, als die eigene wirtschaftliche, technologische und politische Hegemonie durchzusetzen.

In Durban wird es nur zu Vereinbarungen kommen, wenn die einflußreichen Interessen das Gefühl haben, sie könnten ihnen Vorteile einbringen. Eine Transferzahlung von 100 Mrd. Dollar jährlich vom reichen Norden an den ärmeren Süden wird es nie und nimmer geben ohne eine mindestens gleichwertige Gegenleistung. Das haben andere internationale Vereinbarungen wie die sogenannte Entschuldungsinitiative, die AGOA-Vereinbarungen (zwischen USA und ausgesuchten afrikanischen Staaten), die EPA-Verhandlungen (Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit den AKP-Staaten) und die Doha-Runde der Welthandelsorganisation in den letzten Jahren hinlänglich bewiesen.

Beispielsweise mußten die Regierungen der afrikanischen Staaten, die entschuldet werden sollten, jahrelang Haushaltsprogramme, die ihnen von den Kreditgebern oktroyiert worden waren, erfüllen und regelmäßig detaillierte Berichte über Fortschritte und geplante Maßnahmen liefern, bis ihnen dann ein Teil der Schulden gnädigerweise erlassen wurde. Aber zu keinem Zeitpunkt wurde und würde irgendein Entwicklungsland dabei unterstützt, sich von den Zwängen des Weltmarkts und damit der Vorherrschaft seiner wesentlichen Profiteure zu befreien. Die wirtschaftlichen, finanzpolitischen, diplomatischen und nicht zuletzt militärischen Mittel der Industriestaaten zur Aufrechterhaltung der vorherrschenden Ausbeutungsordnung reichen so weit, daß sie keineswegs durch eine Teilentschuldung der zuvor in die Armut getriebenen Länder des Trikonts geschwächt werden könnten.

Sofern es in Durban überhaupt zu Vereinbarungen hinsichtlich des Klimafonds kommt, dürfte man spätestens bei der Realisierung der Mittel erkennen, daß es sich bei den angeblichen Zuwendungen um etwas handelt, von dem vor allem die Industriestaaten profitieren, da es ihre Vorherrschaft nicht antastet. Denkbar wäre zum Beispiel, daß die reichen Staaten mit Hilfe des Klimafonds Verfügungsrechte über Wälder (die als CO2-Senken definiert werden) erhalten, hydroelektrische Staudämme bauen, den gentechnologischen Pflanzenanbau forcieren und damit landwirtschaftliche Bodenbearbeitungsformen vorschreiben und ganz allgemein teure Umwelttechnologien exportieren. Dadurch würden die aufstrebenden Länder des Südens weiterhin einerseits als Rohstofflieferanten für die reichen Länder, andererseits als Absatzraum ihrer industriellen Güter dienen.

Bei den Verhandlungen in Südafrika soll die kapitalistische Verwertungsordnung, die aufgrund der immanenten Wachstumsnot, des Konkurrenzprinzips und der Profitorientierung treibende Kraft hinter den Treibhausgasemissionen ist, unter den Vorwänden Klimaschutz und Ausgleich zur historischen Verantwortung der Industriestaaten für die Erderwärmung von eben diesen dazu benutzt werden, die nächst höhere Ebene der stets gleichen Ordnung zu installieren. Die ärmeren Staaten verbleiben in der Dauerabhängigkeit, und die Antwort der Regierungen auf die klimabedingten Zwänge wird in individualistischen Verhaltensanforderungen bestehen.

5. Dezember 2011