Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

HEGEMONIE/1637: Vor 20 Jahren stürzte Bush seinen Handlanger Noriega in Panama (SB)



In seinem "Kalenderblatt" vom 20. Dezember erinnerte das Deutschlandradio an die vor 20 Jahren erfolgte Intervention US-amerikanischer Streitkräfte in Panama, deren Ziel die spektakulär in Szene gesetzte Entmachtung und Festnahme des Diktators General Manuel Antonio Noriega war. Beim nächtlichen Angriff auf sein militärisches Hauptquartier bombardierten Kampfflugzeuge und Hubschrauber die Kasernengebäude in dem Armenviertel Chorrillo. Hinzu kam schwerer Artilleriebeschuß, bis ganze Straßenzüge in Flammen standen und Hunderte Menschen getötet worden waren. In den frühen Morgenstunden marschierten 24.000 US-Soldaten in Panama ein, das binnen drei Tagen besetzt war. Noriega floh in die Residenz des Vatikans und ergab sich nach elf Tagen den US-Truppen. Seit seiner Verurteilung befindet er sich als Kriegsgefangener in einem Hochsicherheitstrakt in Miami.

Am Morgen nach dem Angriff wandte sich Präsident George Bush senior in den USA über Fernsehen und Radio mit den scheinheiligen Worten an die amerikanische Nation: "Liebe Mitbürger, letzte Nacht habe ich US-Militär nach Panama beordert. Keinem Präsidenten fällt so etwas leicht." Bush begründete die "Operation Gerechte Sache" mit folgendem Lügengebäude: "Die Ziele der USA bestehen darin, das Leben von US-Bürgern zu schützen, die Demokratie in Panama zu verteidigen, den Drogenhandel zu bekämpfen und die Unversehrtheit des Panamakanalvertrags zu wahren. Es gab viele Versuche, die Krise mit Diplomatie und Verhandlungen zu lösen. All dies scheiterte am Diktator von Panama, General Manuel Noriega, einem angeklagten Drogenhändler."

Noriega war ein alter Verbündeter der USA, der seit den sechziger Jahren im Kampf gegen die sogenannte kommunistische Gefahr in Lateinamerika von der CIA unterstützt wurde. Als Bush 1976 CIA-Chef wurde, war sein Hauptansprechpartner in Panama Militärgeheimdienstchef Noriega, der den USA jahrelang als wichtiger Informationszuträger diente und dafür Hunderttausende Dollars erhielt. Seine Drogengeschäfte mit dem kolumbianischen Medellín-Kartell waren in Washington wohlbekannt und wurden auch dann unter den Tisch gekehrt, als Bush unter Ronald Reagan Vizepräsident und Leiter des sogenannten Feldzugs gegen Drogen war. Entscheidend blieb, daß Noriega kooperierte, als die Contras in Nicaragua mit Waffen versorgt wurden. Den Vertrag zur Rückgabe der Hoheit über die Kanalzone bis Ende des Jahres 1999 an Panama stellte Noriega nie ernsthaft in Frage.

Heute ist Manuel Antonio Noriega ein fast vergessenes Fossil aus einer Entwicklungsphase US-amerikanischer Interventionspolitik, die damals insofern innovativ war, als eine militärische Operation unter dem Vorwand einer Polizeiaktion durchgeführt wurde, um ein von Washington zum Feind erklärtes Staatsoberhaupt gefangenzunehmen, zu entführen und abzuurteilen. Gemessen an den Kriegen in Afghanistan und dem Irak mag der Einfall in Panama rückblickend wie ein Mückenstich anmuten, doch sobald man ihn in den historischen Kontext einzuordnen versteht, kommt ihm als Vorläufer in einem strategischen Handlungsbogen eine aufschlußreiche Bedeutung zu.

Aus Perspektive Washingtons war Noriega in der zweiten Amtszeit Präsident Reagans mehr denn je ein wichtiger Handlanger in Mittelamerika, das als Schlachtfeld gegen den Kommunismus galt. Der General hielt die strategisch überaus wichtige Kanalzone unter Kontrolle, während die USA die Contras unterstützten, um die Sandinisten in Nicaragua niederzuwerfen und zugleich eine mögliche Ausbreitung des Widerstands in Guatemala, Honduras und El Salvador zu verhindern.

Noriega stand auf der Lohnliste der CIA und wurde auch vom Pentagon gedeckt, so daß sich jene Kräfte zunächst in der Defensive sahen, die angesichts des näherrückenden Abzugs der USA aus der Kanalzone im Jahr 2000 eine andere Führung Panamas wünschten, als diesen Drogenhändler und brutalen Machtmenschen in Generalsuniform. Die Diktatur in Lateinamerika war nicht zuletzt ein Ziehkind der USA, die diese Form der Herrschaft aus einer ganzen Reihe von Gründen etablierten und förderten. Als notwendiger Vorläufer des Neoliberalismus war die diktatorische Staatsführung zunächst unverzichtbar, doch sollte sie gerade deswegen auch wieder abtreten, sobald sie ihren Zweck erfüllt hatte, und ihrem Nachfolger Platz machen. Es war nach dieser Maxime also völlig klar, daß Noriega - ob freiwillig oder gezwungen - das Feld räumen mußte, wobei allenfalls Uneinigkeit darüber herrschte, wann und wie das geschehen sollte.

Im Herbst 1985 waren Pentagon, CIA und DEA durchaus mit dem zufrieden, was ihnen Noriega bot, weshalb sie noch nicht ernsthaft daran dachten, ihn über die Klinge springen zu lassen. Man entschloß sich jedoch, ihm einen Warnschuß vor den Bug zu geben. Der nationale Sicherheitsberater John Poindexter, Elliott Abrams, der als Staatssekretär für Lateinamerika zuständig war, und Botschafter Everett Ellis Briggs trafen heimlich auf einem Stützpunkt der US-Luftwaffe in der Kanalzone mit Noriega zusammen. Dabei wurde dem General angeblich signalisiert, daß es ihm ebenso ergehen könnte wie den Sandinisten, wenn er weiterhin Einfluß auf die zivile Staatsführung nehme und einen destabilisierenden Einfluß ausübe.

Der CIA-Chef in Panama hatte jedoch von diesem Treffen Wind bekommen und fragte auf eigene Faust umgehend bei Noriega nach, worum es dabei gegangen sei. Aus dieser Rückfrage mußte der General schließen, daß der Geheimdienst ihn nach wie vor unterstütze und Gegenkräfte zur Räson bringen werde. Unterdessen stellte sich ohnehin heraus, daß in Washington keinerlei Maßnahmen gegen Noriega geplant waren, solange der Kampf gegen die Sandinisten und die Rebellen in den Nachbarländern anhielt. Trat man ihm auf die Füße, konnte er den US-Truppen in der Kanalzone Ärger machen und über seine langjährige Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten plaudern. Das wollte man sich damals nicht leisten. Die angebliche Untersuchung zu Noriegas Drogengeschäften wurde nicht mehr erwähnt, und wer Zweifel an diesem Kurs gehabt haben mochte, behielt das für sich, als klar wurde, daß einflußreiche Kreise in der Administration die Weichen gestellt hatten und keine Störungen wünschten.

Kaum ein Jahr später hatte General Noriega die Macht in Panama übernommen und begann, Oppositionelle zu drangsalieren, Geldwäsche in großem Stil zu betreiben und seine Drogengeschäfte auszubauen. Der Bruch Washingtons mit seinem Statthalter in Panama erfolgte auf dem Höhepunkt des Iran-Contra-Skandals 1986. US-Regierungsvertreter hatten geheim Waffen an die iranische Regierung geliefert, worauf ein Teil der Erlöse illegal an die Contras floß, welche die Sandinisten in Nicaragua bekämpften und zusammen mit Noriega im internationalen Drogenhandel tätig waren. Als diese Allianz in Washington aufflog und zahlreiche US-Regierungsbeamte ihren Hut nehmen mußten, war auch Noriega nicht mehr haltbar. Die US-Regierung unterstützte den Putschversuch eines abtrünnigen Offiziers, der jedoch ebenso scheiterte wie ein geplanter Staatsstreich durch eine Gruppe von Offizieren der zweiten Führungsebene im Jahr 1989, die daraufhin alle hingerichtet wurden.

Wäre es allein darum gegangen, Noriega festzunehmen und ihm wegen Drogenhandels den Prozeß zu machen, hätte man heimlich einen Haftbefehl erlassen und bei einem der Besuche des Generals beim Zahnarzt in Miami oder am Spieltisch in Las Vegas vollstrecken können. Statt dessen versuchte das US-Außenministerium Anfang 1988, Noriega zu überreden, sich der US-Justiz zu stellen. Er lehnte das natürlich ab, worauf man mit der Forderung nachlegte, er solle zurücktreten und ins Exil gehen. Als auch das nicht geschah, machte man im Februar 1988 die Vorwürfe des Drogenhandels gegen Noriega offiziell bekannt und untersagte der gesamten Führung Panamas, in die USA einzureisen. Dadurch waren fortan normale Beziehungen beider Länder nicht mehr möglich und alle Kontaktnahmen mit Personen aus dem engeren Umfeld Noriegas so gut wie ausgeschlossen.

Wie nicht anders zu erwarten, verschlechterten sich die Beziehungen zur Führung Panamas weiter. Washington verhängte ein Handelsembargo, und als Noriega Druck auf US-amerikanische Militärs und Zivilisten auszuüben begann, lieferte dies den Vorwand zu der von Präsident Bush im Dezember 1989 angeordneten Invasion. Washington hatte Noriega zu dem gemacht, was er war, nämlich ein Drogenhändler und Diktator, und ihn später unter dem Vorwurf gestürzt, eben dies geworden zu sein. Deutlicher könnte das Muster kaum sein, findet man es doch in diversen Zusammenhängen der späteren Kriegsführung der USA und ihrer Verbündeten wieder.

Gerüchten zufolge fanden US-Soldaten, die bei der Invasion Panamas in das Haus des Militärmachthabers Manuel Antonio Noriega eindrangen, einen ganzen Kühlschrank voller Voodookerzen. Jede von ihnen war in ein Stück Papier eingewickelt, auf dem der Name eines Feindes stand, darunter auch zahlreiche hochrangige US-Amerikaner. Die Kerzen wurden samt dem restlichen Inventar von der CIA beschlagnahmt, die sich in Folge selbst auf Anfrage weigerte, diese Kerzen an die betreffenden Personen herauszugeben.

23. Dezember 2009