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HEGEMONIE/1630: Der neue Herr ... Guttenberg weist Karzai zurecht (SB)



Mit der neuen Größe Deutschlands, die die schwarz-gelbe Bundesregierung auf ihre Fahnen geschrieben hat, hält auch ein neuer Ton im Umgang mit den Subjekten neokolonialistischer Politik Einzug. Bei seinem Besuch in Afghanistan verlangte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von der afghanischen Regierung, die Bundesrepublik wolle endlich Erfolge sehen. Diese seien nicht nur im Interesse Afghanistans, sondern auch der internationalen Gemeinschaft, rückte Guttenberg mit hinlänglicher Klarheit die herrschende Rangordnung zurecht. Nur wenn Präsident Hamid Karzai beim Wiederaufbau, bei der Durchsetzung von Reformen und der Bekämpfung der Korruption Fortschritte mache, bleibe es bei der ihm gewährten Unterstützung Deutschlands. Guttenberg wandte sich mit seinem Forderungskatalog zwar nicht direkt an Karzai, sondern stellte seine Bedingungen dem afghanischen Außenminister Abdul Rahim Wardak. Dennoch dürfte der afghanische Präsident, der in den letzten Tagen von diversen Regierungen der NATO-Staaten bis an die Grenze der Beleidigung zurechtgewiesen wurde, dies nicht gerade als freundliche Geste empfunden haben.

Indem die Besatzer einer weitgehend machtlosen Regierung, deren Einfluß sich kaum über die Hauptstadt Kabul hinaus erstreckt, als Befehlsempfänger vorführen, verstärken sie lediglich die ablehnende Stimmung, die den militärischen und zivilen Agenten der Besatzungsmacht entgegenschlägt. Auf die Inszenierung einer demokratischen Wahl inmitten eines Krieges, an der nicht alle politischen Kräfte des Landes teilnehmen konnten und die unter Aufsicht der Besatzer auf eine Farce hinauslief, folgt die Demütigung des angeblichen Wahlsiegers. Die von ihm verkörperte Souveränität Afghanistans wird zum Popanz einer Kriegführung, die einer einheimischen Regierung nur deshalb bedarf, um die Besatzer nicht ganz offiziell als Kolonialherren etablieren zu müssen. Daß das kaum einen Afghanen von den Tugenden der Demokratie überzeugen kann, versteht sich von selbst. Die naheliegende Schlußfolgerung, daß das auch nicht beabsichtigt ist, sondern lediglich der Legitimation eines Subordinationsverhältnisses dient, wird durch Erklärungen der NATO-Regierungen, noch auf lange Zeit im Land zu sein, bekräftigt.

Dazu bedarf es allerdings erheblicher Feuerkraft, und über die verfügen vor allem die US-Truppen. Guttenberg trat denn auch gegenüber dem US-Kommandeur Stanley McChrystal weit weniger selbstbewußt auf. So bewertete er die Kampfeinsätze der US-amerikanischen Streitkräfte in der Region Kundus als grundsätzlich positiv. Er beklage sich über nichts, was die Sicherheit der deutschen Soldaten in Afghanistan erhöhe, so Guttenberg in offensichtlicher Mißachtung der Tatsache, daß die Taliban mit der jüngsten Offensive der US-Truppen dazu herausgefordert wurden, ihre ungebrochene Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Die vermehrten Angriffe auf Bundeswehrpatrouillen dürften in direktem Zusammenhang zur tagelangen Bombardierung eines Gebiets in der Nähe von Kundus und dem Tod von über 130 Menschen, bei denen es sich der NATO zufolge um Taliban handeln soll, stehen.

Da Guttenbergs Erklärung gegenüber McChrystal die einzige Stellungnahme der Bundesregierung zur US-Offensive in dem von der Bundeswehr kontrollierten Gebiet ist, kann man nur von offenem Einknicken oder versteckter Kollaboration sprechen. In jedem Fall stehen die Zeichen für die Bundeswehr auf Sturm, und das nicht nur wegen der Herausforderung der Taliban, sondern auch der Demontierung der Kabuler Regierung. Je unverblümter die Besatzer zeigen, daß sie von den Bewohnern Afghanistans Unterordnung verlangen, desto mehr arbeiten sie dem gegen sie gerichteten Widerstand zu. Daß Guttenberg mit seiner Drohung ernst machte und die Bundeswehr abzöge, ist schon deshalb nicht zu erwarten, weil herrisches Auftreten und aggressive Taten eins sind.

12. November 2009