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HEGEMONIE/1615: Israels Besatzungsregime züchtet Kollaborateure (SB)



Solange die israelische Führung dank unablässiger militärischer, wirtschaftlicher und politischer Unterstützung der Vereinigten Staaten und der EU ihre Position unanfechtbarer Stärke gegen die Palästinenser durchsetzen kann, ist ein Friedensprozeß im Nahen Osten ausgeschlossen, dessen Resultat eine Annäherung an eine gleichberechtigte Existenz wäre. Das fundamentale Verhältnis des Raubes an Land, Sourcen und Arbeitskraft zu Lasten der palästinensischen Seite macht jede substantielle Verbesserung der Lebensverhältnisse im Gazastreifen und Westjordanland obsolet, weil sie aus israelischer Sicht einem niemals hinzunehmenden Verzicht und Verrat am nationalen Interesse gleichkäme. Der Dauerkonflikt ist insofern sogar das Lebenselixier des Staates Israels, als er die subventionierte und legitimierte Frontstellung im Kontext eigener wie globaler Herrschaftssicherung samt allen daraus abgeleiteten bellizistischen und administrativen Grausamkeiten fortschreibt.

Um Millionen gedemütigter, ausgebeuteter und unterdrückter Palästinenser in Schach zu halten, die in unmittelbarer Nachbarschaft leben, und deren verzweifelte Massenrevolte zu verhindern, die auch der höchstentwickelte Sicherheitsapparat nicht aufhalten könnte, bedarf es einer ständig qualifizierten Verbindung von Konfrontation und Spaltung. Insbesondere geht es dabei um die Ausgrenzung und Vernichtung des entschiedensten Widerstands auf der einen und die Förderung der Kollaboration auf der anderen Seite, wie sie grundsätzlich für jedes Besatzungsregime unverzichtbar ist, jedoch im Nahostkonflikt auf höchstentwickelter Stufe in Erscheinung tritt. Es gilt nichts weniger, als den tendenziellen Genozid im Gazastreifen kaum 60 Kilometer von der pulsierenden Metropole Tel Aviv entfernt durchzutragen und zugleich nicht nur für die Mehrheit der Bürger Israels, sondern auch die Weltöffentlichkeit so weitgehend auszublenden, als handle es sich um ein anderes Universum. Zugleich müssen die Palästinenser, die das Elend ihres Volkes weder verdrängen noch vergessen können, zur Teilhaberschaft der Unterwerfung und gegenseitigen Unterjochung zugerichtet werden.

Derzeit forciert die israelische Regierung die Strategie, die Fatah gegen die Hamas auszuspielen, indem sie den Gazastreifen nach wie vor unter mörderischer Blockade hält und mit gelegentlichen Luftangriffen überzieht, die Straßensperren und anderen Blockaden der Mobilität im Westjordanland jedoch etwas lockert. Steigende Prosperität in Ramallah, Nablus oder Hebron kontrastiert mit den Verwüstungen in Gaza soll den Palästinensern einbläuen, daß Wohlfahrt identisch mit Fatah und unabsehbares Leiden untrennbar mit Hamas verknüpft ist. Wenn man bedenkt, daß letztere ihren Rückhalt in der Bevölkerung vor allem einem beispiellosen sozialen Engagement verdankte, während die Führung der Fatah für ihre Korruption berüchtigt war, erfordert die Verkehrung der Verhältnisse im Denken der Menschen einen ebenso langwierigen wie brutalen Prozeß der Repression und Propaganda, der ohne die intensive Mithilfe aus Washington und den europäischen Hauptstädten nicht möglich wäre.

Es liegt in der Natur des gequälten Menschen, über dem Zuckerbrot die Peitsche zu vergessen, ohne die das erstere seine Verführungskraft auf der Stelle einbüßt. Dementsprechend wird die Lockerung des Regimes im Westjordanland vielfach wie das langersehnte Ende der Gefangenschaft und der unübersehbare Auftakt eines Friedensprozesses empfunden, was sie mit Sicherheit nicht ist. Vielmehr handelt es sich um ein weiteres Spaltungsmanöver, dessen Ziel die Eliminierung des palästinensischen Widerstands bleibt. Die Positionen der Fatah auf dem Kongreß in Bethlehem schlössen jede Möglichkeit eines Friedensabkommens auf Jahre aus, frohlockte Außenminister Avigdor Lieberman in gespielter Empörung, als sei es ihm jemals darum gegangen, Frieden mit den Palästinensern herbeizuführen. Dabei hatte die Fatahführung im Grunde signalisiert, daß sie Widerstand leisten könnte, wenn sie wollte, das jedoch weniger denn je vorhat. Noch darf sie die Stimmung auf der Straße nicht ignorieren, die ihr einen allzu offensichtlichen Pakt mit Israel übelnehmen würde. Der Traum, den Gazastreifen von der Hamas zurückzuerobern, muß bedachtsam umgesetzt werden.

Wenn sich der gegenüber dem Besatzungsregime zunehmend zahnlose Protest der Fatah um so wilder in die Hamas verbeißt und dafür skrupellos jede Hilfe angeblicher Erzfeinde in Anspruch nimmt, kann sich die israelische Führung wieder einmal auf die Schulter klopfen. Die Palästinenser bleiben in unversöhnliche Fraktionen gespalten, die sich aneinander aufreiben und darüber den Widerstand schwächen. Derzeit gewinnen im Westjordanland jene Kräfte die Oberhand, die Hafterleichterung mit einer bevorstehenden Entlassung in die Freiheit verwechseln und darüber vergessen, daß sie als Palästinenser Lebenslängliche sind.

13. August 2009