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HEGEMONIE/1580: USA wollen UN-Menschenrechtsrat instrumentalisieren (SB)



Seit Menschenrechte Einzug in die internationale Politik gehalten haben, sind sie zu einer der hochwertigsten Waffen des Regimes von Bezichtigungen, Sanktionen und Angriffskriegen herangereift. Kaum ein Feldzug der führenden Mächte, der nicht direkt oder flankierend unter Verweis auf eine strafwürdige Menschenrechtsbilanz begonnen würde. Der seit jeher absurdeste aller Kriegsvorwände, man überziehe ein Land mit Bomben und Granaten, um seinen Bewohnern Freiheit, Wohlstand und Glück zu bringen, feiert dummdreiste Urstände, was für den Entwicklungsstand menschlicher Denkfähigkeit Schlimmstes befürchten läßt.

Menschenrechte werden zwischen den Staaten ins Feld geführt, um einen Gegner ins Unrecht zu setzen und die Überlegenheit der eigenen Position geltend zu machen. Folglich bestimmen die militärisch potentesten Nationen und Kriegsbündnisse darüber, wem die Drangsalierung der eigenen Staatsbürger oder der Menschen in anderen Ländern vorgeworfen wird und wem nicht. Das alte Sprichwort, wer im Glashaus sitzt, dürfe nicht mit Steinen werfen, wird hier nur als Ausdruck der Ohnmacht von jenen zitiert, die nichts zu sagen haben.

Mit Blick auf diese Voraussetzungen kann man den Wunsch der neuen US-Regierung, sich um einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat zu bewerben, auf das zugrundeliegende taktische und strategische Kalkül abklopfen. Die Vorgängerregierung unter Präsident George W. Bush hatte das Gremium insbesondere wegen dessen Fokussierung auf den Nahostkonflikt und seiner Kritik an der Politik Israels boykottiert. Außenministerin Hillary Clinton erklärte nun, die Regierung von Präsident Barack Obama wünsche, eine neue Ära der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen einzuleiten. Und da Menschenrechte ein grundlegender Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik seien, wolle man sich darum bemühen, das System zu ihrem Schutz zu verbessern. Wie die US-Botschafterin bei der UNO, Susan Rice, ergänzte, sei man überzeugt, daß eine Mitarbeit im Menschenrechtsrat der beste Weg sei, diesen effektiver zu machen.

Die USA wollen also den Menschenrechtsrat nicht länger ignorieren, sondern sogar von innen umkrempeln, um ihn aus einem unbedeutenden, aber lästigen Störfaktor in ein paßförmiges Instrument zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen zu verwandeln. Was mißbilligt Washington an Struktur und Arbeit dieses Genfer Gremiums? Dessen Vorläufer war bis 2006 die UN-Kommission für Menschenrechte, die heftig unter Beschuß geriet und schließlich reformiert wurde, weil sie nach Auffassung der Führungsmächte Länder wie Libyen nicht energisch genug ins Gebet nahm. Der Menschenrechtsrat übernahm als Nachfolgeorganisation jedoch die Aufteilung der 47 Mitglieder in Regionalblöcke, die dazu führt, daß Afrika und Asien zusammen 26 Stimmen besitzen und damit Westeuropa und die USA neutralisieren können.

Während die schwächeren und ärmeren Staaten fordern, daß in internationalen Gremien jedes Land eine gleichberechtigte Stimme haben müsse, ignorieren, umgehen oder unterlaufen die Großmächte dieses Prinzip. Ein Menschenrechtsrat, in dem die Afrikaner und Asiaten über derart großen Einfluß verfügen, muß Washington ein Dorn im Auge sein. Barack Obama ist angetreten, den abgewirtschafteten Ruf seines Landes als größter Kriegstreiber und Verletzer von Menschenrechten weltweit und das nicht minder brüchig gewordene Ansehen seines Juniorpartners Israel aufzupolieren, um die Verbündeten stärker in die Pflicht zu nehmen. Offenbar ist die neue US-Administration zu dem Schluß gekommen, daß in Verfolgung dieser Absicht der Menschenrechtsrat aufgemischt werden muß.

Dessen 47 Mitglieder werden von der UN-Vollversammlung für je drei Jahre gewählt. Nächster Wahltermin ist der 15. Mai, an dem Norwegen, Belgien und Neuseeland für den westlichen Block kandidieren, wobei ein Rückzug der Neuseeländer für den Fall der US-Bewerbung als sicher gilt. Wenn man jetzt im Menschenrechtsrat präsent sei, verfüge man über die günstigste Ausgangsposition, um auf die für 2011 avisierte Reform des Gremiums Einfluß zu nehmen, erläuterte Botschafterin Rice die Vorgehensweise der US-Regierung. Pseudokritiker dieser Entscheidung machen geltend, die USA könnten im Jahr 2011 mit dem Gewicht ihres Beitritts wesentlich mehr bewirken und hätten mit einer Mitgliedschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits ihr Pulver verschossen.

Einig ist man sich aber darin, daß nur die USA der Praxis dieses Gremiums ein Ende machen können, den Finger auf die Wunde israelischer Menschenrechtsverletzungen oder der Islamfeindlichkeit westlicher Länder zu legen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ist jedenfalls Feuer und Flamme für diese Idee und ließ durch einen Sprecher seine Freude über die Entscheidung der US-Regierung übermitteln: Der Menschenrechtsrat habe bei der Verbreitung und dem Schutz der Menschenrechte für alle Völker eine entscheidende Rolle zu spielen, und die USA könnten dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Dem schloß sich der Direktor von Human Rights Watch, Kenneth Roth, begeistert mit den Worten an, eine aktive Beteiligung der USA werde den Beratungen und Aktionen dieses Gremiums neue Energie und Schwerpunktsetzung verleihen. Der Menschenrechtsrat habe ein breites Spektrum schwerer Menschenrechtsverletzungen in aller Welt ausgespart und sich einseitig auf den Nahostkonflikt konzentriert. Als Mitglied könnten die USA das Gremium dazu bringen, endlich sein Potential auszuschöpfen.

3. April 2009