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FRIEDEN/0989: EU setzt Feldzug gegen Gaza mit anderen Mitteln fort (SB)



Die Friedensbemühungen der Europäer im Nahostkonflikt setzen den Krieg Israels gegen den Widerstand der Palästinenser im Gazastreifen mit anderen Mitteln fort. Während nämlich das Massaker der israelischen Streitkräfte an der palästinensischen Bevölkerung stets mit der absurden Begründung gerechtfertigt wurde, man kämpfe ausschließlich gegen die Hamas, taucht diese nach Einstellung der Kampfhandlungen als Verhandlungspartner für die europäischen Vermittlungsbemühungen plötzlich nicht mehr auf. Zu einem Treffen der 27 EU-Außenminister mit ihren Amtskollegen aus Ägypten, Jordanien und der Türkei in Brüssel war als Vertretung der Palästinenser nur die Autonomiebehörde, nicht jedoch die Hamas eingeladen.

Mit kaum zu überbietender Scheinheiligkeit riefen die europäischen Chefdiplomaten die Palästinenser zur Überwindung ihrer inneren Spaltung auf. So sprach der britische Außenminister David Miliband von einer notwendigen "Wiedervereinigung der Palästinenser" und sein schwedischer Kollege Carl Bildt fügte hinzu, man müsse die Spaltung der palästinensischen Gesellschaft überwinden, da andernfalls Fortschritte im Gazastreifen und beim Friedensprozeß sehr schwierig seien. Ohne Konsensregierung werde es keinen Fortschritt geben, verlangte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung.

Wie diese Regierung aussehen könnte, deutete unterdessen der oberste EU-Diplomat, Javier Solana, an. Wie er klarstellte, werde man den Wiederaufbau Gazas mit einer "konsensgestützten Allparteienregierung unter der Führung von Präsident Abbas" koordinieren. Die Hamas erwähnte Solana mit keinem Wort, da die Europäische Union sie ebenso wie Israel und die USA als "Terrororganisation" eingestuft hat, womit ihr der Status eines möglichen Verhandlungspartners aberkannt wird. Bekanntlich beteiligte sich die EU massiv an der Blockadepolitik, nachdem die Hamas in einer demokratischen Wahl mit der Regierungsbildung betraut worden war. Welche Regierung der Palästinenser legitim ist, bestimmen allein die Besatzungsmacht Israel und ihre Verbündeten. Als die Hamas bereit war, eine Einheitsregierung mit der Fatah zu bilden, ließ Israel deren Bewaffnung in der Hoffnung zu, auf diese Weise den inneren Machtkampf zu Lasten der Hamas zu entscheiden. Nachdem der Putsch der Fatah fehlgeschlagen und diese aus dem Gazastreifen vertrieben war, warf man der Hamas vor, sie errichte dort ein Unterdrückungsregime.

Natürlich geht es nicht um einen Friedensplan zwischen Israel und den Palästinensern und am allerwenigsten um die Schaffung eines palästinensischen Staats. Stets hat die israelische Doktrin die jeweils radikalsten Fraktionen des palästinensischen Widerstands bekriegt und andere in der Absicht geduldet oder unterstützt, die Front des Aufbegehrens zu spalten. Der jüngste Angriff auf den Gazastreifen war in erster Linie eine Demonstration haushoher militärischer Überlegenheit, zügelloser Grausamkeit und uneingeschränkter Unterstützung seitens der EU und der USA.

Dies setzt sich nun fort mit der aktiven Beteiligung der Europäer an der Blockade des Gazastreifens. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach mit seinem ägyptischen Kollegen Achmed Abul Gheit über eine mögliche Unterstützung der EU zur Unterbindung des Waffenschmuggels an die Hamas, um deren rasche Wiederbewaffnung zu verhindern. Dem Vernehmen nach ist Deutschland bereit, Experten zur Tunnelüberwachung mit Radargerät nach Ägypten zu schicken. Die Franzosen wollen ein Kriegsschiff mit Hubschraubern zur Überwachung der Gewässer vor Gaza entsenden und die EU möchte sich wieder an der Kontrolle der Grenzübergänge beteiligen. Deutlicher könnte die Interessenlage kaum sein, die letzten verbliebenen Schlupflöcher einer Versorgung des Gazastreifens zu schließen, die nicht vollständig von Israel kontrolliert werden.

Nach dem Willen der EU sollen die Hilfsgelder für den Gazastreifen von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet und verteilt werden. Da diese jedoch in Gaza überhaupt nicht präsent ist, bleibt völlig schleierhaft, wie das Täuschungsmanöver unter Umgehung der Hamas abgewickelt werden könnte. Diese hat unterdessen längst begonnen, Gelder als Kompensation für erlittene Verluste und den Wiederaufbau an die Bevölkerung auszuzahlen, während der Unmut über das Ausbleiben der vollmundig angekündigten humanitären Hilfe aus dem Ausland von Tag zu Tag wächst.

Die israelische Führung läßt sich nach ihrem Angriff auf den Gazastreifen weniger denn je in ihrer Blockadepolitik beirren. Wie Peter Lerner, Sprecher des Koordinierungsbüros für Gaza im israelischen Verteidigungsministerium, erklärte, ziehe man eine vollständige Öffnung der Grenzübergänge für den gewerblichen Warenverkehr nicht in Erwägung. Auch müsse jedes Bauvorhaben individuell geprüft werden, da man ja schließlich nicht die Hamas wiederaufbauen wolle. Ahmed el-Kurd, Arbeitsminister der Hamas-Regierung in Gaza, faßte dies kurz und zutreffend mit den Worten zusammen: "Blockade ist Krieg!"

27. Januar 2009