Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

WISSENSCHAFT/992: Neues vom Karlsruhe Institute of Technology - KIT (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 1 vom 8. Januar 2010
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Neues vom Karlsruhe Institute of Technology (KIT)

Die Innenarchitektur des militärisch-industriellen Großforschungskomplexes Universität Karlsruhe

Von Dietrich Schulze


Unter dem Titel "KIT: Erster Forschungsneubau in Ex-Kaserne - Konzepte für Fahrzeuge der Zukunft" konnte man im Amtsblatt der Stadt Karlsruhe am 20. November 2009 lesen, dass in fünfzehn Monaten das rund acht Millionen Euro teure Gebäude fertiggestellt sein soll, dessen Kosten sich Bund und KIT teilen. Dazu kämen noch sechs Millionen Euro für Großgeräte, davon 3,4 Millionen aus der Exzellenzinitiative. Und weiter: "Exzellente Forschung braucht exzellente Ausstattung. Wir nehmen die Herausforderung auch im baulichen Bereich an", freute sich KIT-Vizepräsident Professor Detlef Löhe über "erste Neubaumaßnahmen unter dem Dach des KIT". Gleichzeitig wies er auf die Bedeutung der Fahrzeugtechnik als wichtigen Baustein im KIT-Portfolio hin, bei dem ein besonders intensiver Austausch mit Unternehmen und Drittmittelgebern stattfinde.

Man reibt sich die Augen. Hier sprudelt das Geld in einer ansonsten klammen Universität. Für die Kernforderung der für bessere Bildung streikenden Studierenden, höhere Mittelzuweisungen für die Universitäten, damit z. B. die Studiengebühren abgeschaft werden können, gibt es keine Zustimmung. Um welche gewichtige Sorte von Fahrzeugtechnik könnte es sich hier handeln, die diese Kosten rechtfertigen?

Dazu genügt ein Blick in das Online-Magazin "german foreign policy" vom 18. November. Unter dem Titel "Kampfmaschinen" heißt es dort: "Die Bundeswehr will bei künftigen Kriegsoperationen in Afghanistan zunehmend unbemannte Landfahrzeuge (Unmanned Ground Vehicles, UGVs) zum Einsatz bringen. ... Ziel ist es, die Verluste unter den eigenen Soldaten zu minimieren und Widerstände gegen den Krieg zu schwächen... Erst vor kurzem hat die deutsche Rüstungsindustrie einen entsprechenden millionenschweren Forschungsauftrag der Europäischen Verteidigungsagentur (European Defence Agency, EDA) erhalten. Die deutschen Streitkräfte arbeiten bereits seit längerem sehr erfolgreich an der Entwicklung 'intelligenter' Kampfmaschinen. Dazu wird auch an zivilen Hochschulen akkumuliertes Know-how genutzt. ... Federführend bei der Entwicklung von UGV's für die deutschen Streitkräfte ist der Wissenschaftler Hans Joachim Wünsche, Leiter des Bereichs 'Technik Autonomer Systeme' an der Münchener Bundeswehr-Universität. ... Zum anderen gehört Wünsche zu den Leitern des 'Sonderforschungsbereichs Kognitive Automobile', der mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) am 'Karlsruhe Institute for Technology' (KIT) eingerichtet wurde. Ziel, so die Münchener Bundeswehr-Universität, sei jeweils die Entwicklung von unbemannten Fahrzeugen, die sowohl mit Sensoren ausgestattet sind als auch über 'kognitive Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Überlegung, Lernen und Planen' verfügen." Und just eine kognitive neue Kommunikationstechnik unter dem Titel "Software Defined Radio", auch "Cognitive Radio" genannt, ist das nach monatelanger Vertuschung zugegebene Militärforschungsprogramm am Nachrichtentechnischen Institut der Uni Karlsruhe, das vorwiegend für multinationale Interventionseinsätze wie in Afghanistan gebraucht wird.


Ein Blick auf den gegenwärtigen Krieg in Afghanistan - auf das Kunduz-Massaker eines deutschen Offiziers

Nach der Bundestagswahl nicht mehr weiter zu verschweigen - mit höchster Billigung. Die Aufgabe des neuen Verteidigungsministers Guttenberg: Die Zivilbevölkerung Schritt für Schritt auf einen bekennenden Militarismus einzuschwören, der die Billigung offener Kriegsverbrechen einschließt.

Die Universitäten mit ihrem riesigen Potential an gebildeten und weiter zu bildenden jungen Menschen sollen Schritt für Schritt ebenso darauf eingeschworen und auf Teilnahme an militärischer und zivilmilitärischer Forschung eingestellt werden. Wie in der Regierung werden dazu in den Universitäten Macher gebraucht. Der Macher (nennen wir ihn Innenarchitekt) in Karlsruhe heißt Prof. Dr. Detlef Löhe, seines Zeichens vormals Prorektor für Forschung der Universität, seit dem Zusammenschluss mit dem Forschungszentrum Karlsruhe zum Karlsruhe Institute of Technology KIT, ab 1. Oktober Vizepräsident des KIT. Dessen Aufgabe ist nicht ganz trivial, aber er hat mächtige Verbündete wie den zuständigen Landesminister Frankenberg und Daimler-Chef Zetsche als Mitglied des KIT-Aufsichtsrats. Denn immerhin 69 Prozent der Bevölkerung befürworten einen baldmöglichsten Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Noch ist die Ausgrenzung von Studierenden aus den weniger begüterten Schichten der Bevölkerung mittels Studiengebühren und anderer Methoden nicht genügend weit fortgeschritten. Die Universitäten bilden also gegenwärtig noch die Gesamtbevölkerung ab. So verwundert es nicht, wenn in einer Urabstimmung in der Universität Karlsruhe im Januar 2009 sich 63 Prozent der abstimmenden Studierenden für eine einheitliche Zivilklausel am KIT, d. h. für den Verzicht auf jegliche Militärforschung ausgesprochen haben. Dieses demokratische Votum wird von Minister Frankenberg schlicht und ergreifend ignoriert.

In einer ddp-Pressemitteilung vom 12. Dezember heißt es: "Laut der Pressestelle des Ministeriums will Frankenberg zwar die bewährte Tradition ziviler Forschung des Forschungszentrums Karlsruhe auch im jetzigen KIT nicht verändern. Daher gelte dort die Zivilklausel weiterhin. Bei der anderen Institution des KIT gelte das aber so nicht: 'Für den Universitätsbereich gilt die Wissenschaftsfreiheit. Das Grundgesetz enthält einen Verteidigungsauftrag und dazu zählt auch die Verteidigungsforschung.'" Ganz abgesehen davon, dass die angebliche Freiheit für Militärforschung auch für das Forschungszentrum gelten müsste und der dortigen Zivilklausel widersprechen würde, wiederholt der Minister seine hanebüchene Uminterpretation des Grundgesetzes, obwohl diese bereits im Februar von dem führenden Verfassungsrechtler Prof. Eberhard Denninger in einem Gutachten widerlegt worden ist. Ignoranz und Arroganz der Macht. Der US-Friedenwissenschaftler Subrata Ghoshroy hatte am 1. Dezember in dem von Streikenden besetzten Redtenbacher-Hörsaal in der Uni Karlsruhe die verheerenden Folgen der seit Jahrzehnten betriebenen Militarisierung der US-Gesellschaft aufgezeigt. Präsident Eisenhower hatte schon 1961 vor dem militärisch-industriellen Komplex gewarnt. Nach dem Vortrag beschlossen die Studierenden: "Wir fordern Bundesund Landesregierung in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der Urabstimmung der Studierenden im Jahr 2009 auf, im KIT-Gesetz die Zivilklausel für das gesamte KIT zu verankern."

Kognitive Soldatenkommunikation - und vermutlich "kognitive unbemannte Kriegsmaschinen" - ist beileibe nicht die einzige Militärforschungsaktivität am KIT. Das Online-Magazin ka-news berichtete am 10. Dezember über das durch Fusion mit einem Rüstungsforschungsinstitut neu entstandene Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB (früher IITB): "Die zivile und militärische Sicherheitsforschung zur Bewältigung von Naturkatastrophen sowie zur Abwehr von terroristischen Bedrohungen, hat für beide Institute zentrale Bedeutung und profitiert durch die Fusion besonders stark. ... Aber nicht nur untereinander, sondern auch in der TechnologieRegion soll die Vernetzung ausgebaut werden. Bisher ist das IITB in Karlsruhe über den Lehrstuhl Interaktive Echtzeitsysteme an die Fakultät für Informatik des Karlsruher Instituts für Technologie KIT angebunden. Eine Einbindung des IOSB in eine weitere Fakultät wird angestrebt. Eine frühere 'weitere' Anbindung gibt es schon. Der Chef des Rüstungsforschungsinstituts, jetzt zweiter IOSB-Chef, war und ist Lehrbeauftragter am militärisch forschenden Nachrichtentechnischen Institut der Uni."

Liegt es bei all dieser Verquickung des KIT mit umliegenden Fraunhofer-Instituten nicht nahe, diese gleich in das KIT einzubauen? Ja, genau das war der Plan des Innenarchitekten. Das geht aus dem Bericht von Dennis Nitsche, persönlicher Referent des Uni-Rektors, über die KIT-Gründung hervor: "Noch weiter war der von Prorektor Löhe eingebrachte Vorschlag gegangen, neben dem FZK (Forschungszentrum Karlsruhe) die um Karlsruhe angesiedelten Fraunhofer-Institute ebenfalls einzubeziehen; dieser Vorschlag wurde aufgrund zu hoher Komplexität jedoch wieder verworfen." Tatsächlich wurde die Idee nicht verworfen, sondern lediglich anders umgesetzt. Verflechtung statt Fusion. Auf den entstehenden zivilmilitärischen Großforschungskomplex hatte der Autor aufgrund von Indizien bereits im Januar hingewiesen (UZ 30.1.2009). Diese Pläne werden gegenwärtig noch verborgen und vertuscht. Nur zwei aktuelle Beispiele dafür, wie öffentlichkeitsscheu das KIT ist. Angesprochen auf die eingangs dargestellte Zusammenarbeit zwischen KIT und Militärs, lehnte die KIT-Pressestelle eine Stellungnahme ab (ddp-Bericht 12.12.2009).

Pünktlich zur KIT-Gründung wurde der öffentliche Zugang zum zitierten Nitsche-Bericht im Netz gesperrt. War er zu offenherzig bezüglich des beschriebenen Löhe-Plans, gleich von Anfang an die Universität, das Forschungszentrum und die umliegenden Fraunhofer-Institute im KIT zu fusionieren?


Die "Initiative gegen Militärforschung an Universitäten" wird weiter öffentlich informieren und demokratische Unruhe verbreiten:
Doku-Webseite www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf


*


Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 42. Jahrgang, Nr. 1,
8. Januar 2010, Seite 3
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
Telefon 0201 / 22 54 47
E-Mail: redaktion@unsere-zeit.de
Internet: www.unsere-zeit.de

Die UZ erscheint wöchentlich.
Einzelausgabe: 2,80 Euro
Jahresbezugspreise:
Inland: 126,- Euro
Ausland: 130,- Euro
Ermäßigtes Abo: 72 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2010