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MILITÄR/907: Bangladesch - Januar-Putsch offenbart Extremismus innerhalb der Armee (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Februar 2012

Bangladesch: Januar-Putsch offenbart Extremismus innerhalb der Armee

von Naimul Haq


Dhaka, 2. Februar (IPS) - Die bangladeschischen Streitkräfte verdanken ihren Soldaten, die unter dem UN-Banner an internationalen Friedenseinsätzen teilnehmen, Ruhm und Anerkennung. Doch der Versuch im Januar, die Regierung von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina zu stürzen, stellt die Armee in ein anderes Licht und zeigt, dass sie gegen Extremisten in den eigenen Reihen nicht gefeit ist.

Am 19. Januar berichteten Militärvertreter über einen gescheiterten Putschversuch. So erklärte Brigadegeneral Masud Razzaque in Anwesenheit anderer hochrangiger Offiziere auf einer Pressekonferenz in Dhaka, es lägen Beweise vor, dass eine Gruppe pensionierter und aktiver Offiziere an einer Verschwörung zum Sturz der demokratischen Regierung beteiligt gewesen sei.

Razzaque zufolge haben zwei der mutmaßlichen Verschwörer Verbindungen zur verbotenen Partei 'Hizbut-Tahri' (HuT) eingeräumt. Diese Information lege den Verdacht nahe, dass religiöse Extremisten nach wie vor Beziehungen zu den Streitkräften unterhielten. Auf der HuT-Webseite werden Armeeoffiziere aufgefordert, "Hasina, die Mörderin eurer Brüder, zu stürzen und ein Kalifat aufzubauen, das euch und die Ummah (religiöse Gemeinschaft der Muslime) von der Unterjochung durch die USA und Indien rettet".

Die vorläufigen Untersuchungen ließen den Schluss zu, dass Beziehungen der Extremisten zu ausländischen Bangladeschern nicht auszuschließen seien, sagte der Brigadegeneral. Er erklärte weiter, dass möglicherweise Kräfte am Werk gewesen seien, die der Befreiung der Bengalen von pakistanischer Herrschaft 1971 nichts Positives abgewinnen könnten. Die HuT ist bekannt dafür, enge Beziehungen zu Bangladeschern zu unterhalten, die in Großbritannien leben, sowie zu anderen islamistischen Gruppen wie der 'Jamaat-e-Islami' (JeI).

Erstmals haben Vertreter der bangladeschischen Streitkräfte die Anwesenheit von Extremisten in ihren Reihen eingeräumt. Das südasiatische Land sah sich seit seiner Unabhängigkeit von Pakistan einer Vielzahl von Coups ausgesetzt. Der Staatsgründer und Vater von Sheikh Hasina, Sheikh Mujibur Rehman, war bei einem solchen Putsch 1975 ums Leben gekommen.


Armee gespalten

Die Armee ist bekannt dafür, dass sie in zwei Lager gespalten ist: in die Befürworter und in die Gegner des einstigen Befreiungskampfes. Die Uneinigkeit brachte dem Land 19 Putschversuche. Der bisher letzte im Januar folgte der Hinrichtung etlicher Offiziere, die wegen der Ermordung von Sheikh Mujibur vor 40 Jahren verurteilt worden waren.

Hasina ließ aber auch religiöse Führer wie den ehemaligen JeI-Chef Golam Azam vor Gericht stellen. Ihnen wird vorgeworfen, als Kollaborateure am Völkermord an den Bengalen durch die pakistanische Armee mitgewirkt zu haben.

Die JeI ist einer der wichtigsten Bündnispartner der Vier-Parteien-Opposition, die von Bangladeschs Nationalistischer Partei (BNP) der ehemaligen Regierungschefin Khaleda Zia, geführt wird. Im März 2010 hatte die Regierung ein Sondertribunal mit dem Ziel eingesetzt, die religiösen Führer für ihre Beteiligung an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Befreiungskrieges vor vier Jahrzehnten zur Rechenschaft zu ziehen. Fünf JeI-Führer, darunter Parteichef Motiur Rahman Nizami und Generalsekretär Ali Ahsan Mojaheed - beide sind ehemalige Minister der BNP-Regierung - sitzen derzeit hinter Gittern.

Gleich nach ihrer zweiten Amtsübernahme im Januar 2009 verbot die Hasina-Regierung zwölf religiöse militante Organisationen, darunter die 'Jamaat-ul Mujahideen Bangladesh' (JMB), die Verbindungen zu der verbotenen pakistanischen Terrorgruppe 'Lashkar-e-Toiba' (LeT) unterhalten soll.

Nachdem die JMB am 17. August 2005 in fast allen 64 Bezirken des Landes 500 Bombenanschläge durchgeführt hatte, wurden 200 ihrer Mitglieder festgenommen und einige Anführer wie der Gründer der Organisation, Shaikh Abdur Rahman, und der Vizekommandant Siddiqul Islam ('Bangla Bhai') hingerichtet.

Doch die Festnahme von 100 JMB-Aktivisten in den letzten drei Jahren und die Entdeckung riesiger Waffendepots offenbart die Fähigkeit der JMB, sich immer wieder neu zu rekrutieren und zu reorganisieren.


Regierung unter Druck

Die Hasina-Regierung und ihre Awami-Partei stehen vor der schwierigen Aufgabe, dem Land ein säkulares Gesicht zu geben, während die Opposition ein islamistisch geprägtes Land anstrebt. Hasina wird von ihren politischen Gegnern angekreidet, gute Beziehungen zu Indien zu unterhalten, das Bangladesch in seinem Freiheitskampf gegen die damalige pakistanische Militärjunta unterstützt hatte. Dass die Awami-Liga nach ihrem Einzug ins Parlament im Januar 2009 die vier grundlegenden säkularen Verfassungsprinzipien aus der Feder von Hasinas Vater wieder eingeführt hat, wird ihr von vielen religiösen Parteien ebenfalls übel genommen.

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass die bangladeschische Armee einer gewählten Regierung die Macht entreißen wird - sicher ist jedoch, dass sie noch alle Hände voll mit Extremismus in den eigenen Reihen zu tun bekommt, wie die Ereignisse im Januar zeigen. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2012