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AUSSEN/587: Die Anti-Trump-Allianz (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 16. Oktober 2017
german-foreign-policy.com

Die Anti-Trump-Allianz


TEHERAN/WASHINGTON/BERLIN - Berlin schmiedet eine europäische Allianz gegen die Iranpolitik der Trump-Administration. Man sei "besorgt" über die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die Schleusen für neue Sanktionen gegen Iran zu öffnen, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens vom vergangenen Freitag. Teheran hat seit dem Jahr 2003 mehrfach von der westlichen Gewaltpolitik profitiert, die seinen traditionellen Rivalen Irak ausschaltete, eine Iran-freundliche schiitische Regierung in Bagdad an die Macht brachte und es Teheran durch das Befeuern des Krieges in Syrien ermöglicht hat, seinen Einfluss auf die Regierung in Damaskus zu stärken. Während Trump Irans gestiegenen Einfluss mit einer erneuten Hinwendung zu Gewalt zu dämpfen sucht, setzt Berlin weiterhin auf eine Strategie der Einbindung, sucht mit Hilfe der deutschen Wirtschaft seine Stellung in Teheran zu stärken und ist bestrebt, den Mittleren Osten mit der Etablierung eines instabilen Kräftegleichgewichts zwischen Iran und Saudi-Arabien von außen zu kontrollieren. Dabei geht Berlin nun in Opposition zu Washington.

Wie man fremde Kriege gewinnt (I)

Die westliche Mittelostpolitik, deren Ziel es stets war, Iran zumindest am Aufstieg zu hindern, nach Möglichkeit aber sogar eine prowestliche Regierung in Teheran ins Amt zu bringen, hat spätestens seit 2003 in mehrfacher Hinsicht genau das Gegenteil erreicht. Der Irakkrieg des Jahres 2003, der der Beginn einer prowestlichen Umformung des gesanten Mittleren Ostens werden sollte, hat Irans traditionellen Rivalen zerstört und Teheran damit den Weg gebahnt, zur Regionalmacht Nummer 1 aufzusteigen. Die Bemühungen, Saudi-Arabien mit einer umfassenden Aufrüstung zur Gegenmacht aufzubauen - Berlin beteiligte sich daran [1] -, haben lediglich das mittelöstliche Kriegspotenzial vergrößert. Der Irakkrieg hat zudem der schiitischen Bevölkerungsmehrheit im Irak den Weg an die Macht gebahnt und das Land damit sogar in eine Teheran nahestehende Kraft transformiert. Nicht zuletzt hat er auch die Voraussetzungen für das Entstehen starker proiranischer Milizen im Irak geschaffen, auf die sich die iranische Regierung seitdem beinahe jederzeit stützen kann.

Wie man fremde Kriege gewinnt (II)

Einen weiteren Einflussgewinn haben Iran die Intervention der westlichen Mächte in Syrien sowie die Gewaltpolitik Saudi-Arabiens, des wichtigsten regionalen Verbündeten des Westens, gebracht. Der Versuch, die Rebellion gegen die syrische Regierung zu befeuern, um deren Sturz zu erreichen und prowestliche Milieus in Damaskus an die Macht zu bringen [2], hat Syrien in einen Krieg geworfen, sein Ziel aber verfehlt - und im Ergebnis die syrische Regierung noch enger als zuvor an die Seite Teherans getrieben, von dessen Unterstützung sie in ihrem Kampf gegen die Rebellion abhängig geworden ist. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich im Jemen konstatieren. Die dortigen Huthi-Rebellen unterhielten laut Einschätzung von Experten über lange Zeit lediglich schwache Verbindungen zu Iran. Dies änderte sich erst, als Saudi-Arabien im März 2015 den Krieg gegen sie eröffnete und sie damit geradezu Teheran in die Arme trieb. Der in diesem Jahr gestartete Versuch Saudi-Arabiens und weiterer Golfstaaten, mit einem blitzartig verhängten Embargo das Emirat Qatar zu isolieren, weil es Kontakte zu Iran unterhält, hat darüber hinaus Doha nur zur weiteren Annäherung an Teheran veranlasst. Nebenbei hat er die Grundlage dafür geschaffen, dass nun auch die Türkei, ein Kooperationspartner des Emirats, sich offen an dessen Seite stellt und im Bemühen, es gegen Saudi-Arabien zu verteidigen, ihrerseits den Schulterschluss mit Iran sucht.

Ein transatlantischer Richtungsstreit

In der Frage, wie sich Irans weiterer Aufstieg zur dominanten Regionalmacht im Mittleren Osten verhindern lässt, herrscht im Westen Uneinigkeit. Mit Blick auf das Scheitern der lange Zeit mit Sanktionen und Kriegsdrohungen praktizierten Gewaltpolitik haben sich die USA unter Präsident Barack Obama und die EU im Jahr 2015 dafür entschieden, es mit einer Politik der Einbindung zu versuchen und dazu das Atomabkommen mit Iran zu unterstützen. Im US-Establishment hat eine starke Fraktion sich dem Plan widersetzt und immer wieder auf die Fortsetzung von Aggressionen gegen Teheran gedrängt. Unter Präsident Donald Trump gewinnt sie nun aber wieder Oberhand - und stößt auf Widerstand in Berlin.

Zukunftsmarkt Iran

Die Bundesregierung hat ihren Versuch, Irans Aufstieg zur Regionalmacht zu bremsen oder ihn zumindest zu neutralisieren, stark auf zwei Säulen gestützt - eine ökonomische und eine politische. Ökonomisch geht es Berlin vor allem darum, deutschen Unternehmen einen größtmöglichen Anteil am iranischen Markt zu sichern, der wegen Irans Erdöl- und Erdgasreichtum und seiner großen, schnell wachsenden Bevölkerung als wichtiger Zukunftsmarkt gilt. Starker ökonomischer Einfluss könnte zudem politische Einflussbemühungen erleichtern. Tatsächlich sind die deutschen Exporte nach Iran von rund zwei Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 2,5 Milliarden Euro 2016 gestiegen und in den ersten sieben Monaten 2017 um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 1,6 Milliarden Euro gewachsen. Doch bleibt das weit hinter den Hoffnungen deutscher Firmen zurück, die beim Abschluss des Atomabkommens erwartet hatten, binnen fünf Jahren die Zehn-Milliarden-Schwelle überschreiten zu können (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Hinzu kommt, dass in den Jahren der politisch erfolglosen Iran-Sanktionen China sein Iran-Geschäft stark ausgeweitet hat und heute mit einem 25-Prozent-Anteil mit Abstand größter Lieferant des Landes ist. Nicht zuletzt profitiert auch Russland von der bisherigen westlichen Gewaltpolitik und kann sich - als politischer Kooperationspartner Irans etwa in Syrien - Hoffnung auf exklusive Wirtschaftskontakte machen. So will beispielsweise die russische Bahn (RZD) in Iran das russische Breitspurnetz einführen, womit mutmaßlich lukrative Folgegeschäfte verbunden wären. Bereits im Frühjahr hat Irans Präsident Hassan Ruhani außerdem russische Konzerne eingeladen, sich an der Erschließung iranischer Erdöl- und Erdgasfelder zu beteiligen.[4]

Die Mittlerposition

Parallel hat Berlin sich darum bemüht, neben ökonomisch fundiertem Einfluss auf Teheran ein instabiles Kräftegleichgewicht zwischen Iran und Saudi-Arabien herzustellen, das machtpolitische Ambitionen beider Seiten zügeln und äußeren Mächten die relativ günstigsten Einflussoptionen bieten würde. Exemplarisch dafür ist, dass deutsche Think-Tanks und Strategiezentren zuletzt bestrebt waren, Kontakte sowohl in Riad wie auch in Teheran zu pflegen. Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) etwa sandte ihr "Führungskräfteseminar" zuletzt zu Strategiedebatten in die beiden großen Mittelost-Metropolen. Die einflussreiche Hamburger Körber-Stiftung hat im März ihren "Bergedorfer Gesprächskreis" zunächst in Riad (13. März), dann in Teheran (15. März) tagen lassen - jeweils gemeinsam mit teils prominenten Personen aus dem jeweiligen nationalen Polit-Establishment. Man habe besprochen, "in welchen Bereichen Kooperation möglich" sei - und wie die EU künftig "mit den gegenläufigen Ansprüchen der Regionalmächte" umgehen solle.[5] Berlin zielt damit erkennbar darauf ab, sich als "Mittler" zwischen den zwei rivalisierenden Mächten eine eigenständige Einflussposition im Mittleren Osten zu sichern.

In Stellung

Diese Bemühungen verteidigt Berlin nun gegen Washington, dessen Rückkehr zur Gewaltpolitik eine eigenständige deutsche Einflussnahme im Mittleren Osten deutlich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen würde. Noch am Freitag, unmittelbar nach Trumps Äußerungen, die auf eine Wiedereinführung von Sanktionen abzielten, hat sich die Bundesregierung offen gegen Washington gestellt - gemeinsam mit den Regierungen Frankreichs und Großbritanniens, die an den Verhandlungen über das Atomabkommen beteiligt waren. Man nehme "die Entscheidung von US-Präsident Trump zur Kenntnis, die Einhaltung des 'Joint Comprehensive Plan of Action' (JCPoA) durch den Iran nicht zu bestätigen", heißt es in einer Erklärung, die im Namen von Angela Merkel, Emmanuel Macron und Theresa May veröffentlicht wurde: "Wir sind besorgt angesichts der möglichen Auswirkungen."[6] Bundesaußenminister Sigmar Gabriel nennt Trumps Entscheidung, das Tor zu neuen Iran-Sanktionen zu öffnen, ein "schwieriges und gefährliches Signal". Deutsche Medien bezeichnen den Schulterschluss der europäischen Mächte bereits als " Anti-Trump-Allianz".[7] Damit bezieht Berlin auf dem nächsten Feld der Weltpolitik [8] Position gegen die USA.


Anmerkungen:

[1] S. dazu Ein Spitzenkäufer deutschen Kriegsgeräts.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59465

[2] S. dazu The Day After (II)
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58394

und The Day After (III).
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58409

[3] S. dazu Eine neue Ära in Mittelost.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59163

[4] S. dazu Mäßige Erfolge.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59576

[5] 164. Bergedorfer Gesprächskreis: More than Containment? Europe's Policy Options in the Middle East.
www.koerber-stiftung.de.
S. dazu Mäßige Erfolge.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59576

[6], [7] Merkel, Macron und May schmieden Anti-Trump-Allianz.
www.faz.net 13.10.2017.

[8] S. dazu Der Anti-Trump
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59615
und Der Anti-Trump (II).
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59616

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2017

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