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ASYL/1467: Bundesinnenminsterium chartert mitten in der Corona-Krise erneut Abschiebeflieger für eine Frau (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 3. April 2020

Nichts dazugelernt: BMI chartert mitten in der Corona-Krise erneut Abschiebeflieger für eine Frau


Mitte April will das Bundesinnenministerium (BMI) vom Münchener Flughafen aus eine einzelne Frau nach Togo abschieben - allen Einschränkungen der Corona-Krise zum Trotz. Da es keine regulären Flüge mehr gibt und weltweite Reiseverbote existieren, soll wieder ein Flugzeug allein für die Betroffene gechartert werden.

Erst vergangene Woche hatte das Bundesinnenministerium (BMI) zwei Iranerinnen in einem eigens für sie gecharterten Flugzeug in den Iran abschieben wollen - und wurde mitunter durch Protest von PRO ASYL dazu gezwungen, die Abschiebung zu stoppen. Doch anstatt daraus zu lernen, wird einfach weitergemacht. PRO ASYL fordert das BMI auf, endlich von diesen absurden und unverantwortlichen Maßnahmen Abstand zu nehmen.

»Ganze Länder befinden sich seit Wochen im Stillstand. Obwohl es klar sein müsste, dass eine Abschiebung derzeit nicht in Frage kommt, werden trotzdem Menschen in Haft gebracht«, kritisiert Bellinda Bartolucci, Leiterin Abteilung Rechtspolitik bei PRO ASYL. »Es braucht endlich einen generellen Abschiebestopp, um die Ängste und die Verunsicherung der Betroffenen zu beenden und die Anwaltschaft und Behörden in diesen Zeiten nicht noch mehr in Anspruch nehmen zu müssen«.

Die Betroffene kam alleine nach Deutschland, um hier Asyl zu ersuchen. Sie wurde im Asylverfahren am Flughafen abgelehnt, durfte nicht nach Deutschland einreisen und befindet sich nun in der Transitzone in Abschiebungshaft. Das Asylverfahren durchlief sie in dem extrem beschleunigten sog. »Flughafenverfahren« nach § 18a AsylG. Innerhalb von zwei Tagen nach Ankunft muss bereits die Bundesamtsentscheidung vorliegen. Auch der rechtliche Schutz ist wiederum verkürzt. Und die Betroffene hat derzeit keine anwaltliche Unterstützung für das Asylverfahren.

Nun soll sie noch im April nach Togo abgeschoben werden, auf einem extra für sie gecharterten Flug. In der Hauptstadt Lomé soll ein Hotel für eine 14-tägige Quarantäne gebucht werden. Die sie begleitenden Personen aus Deutschland fliegen direkt wieder zurück - als lade man sie wie ein Paket ab und mache sich davon.

PRO ASYL hält das derzeitige Beharren des BMI auf einer Charter-Abschiebung für absurd und unverantwortlich. Auch in Togo ist laut Auswärtigem Amt die medizinische Versorgung im Lande »vielfach technisch, apparativ und/ oder hygienisch problematisch«. Nicht umsonst ist der reguläre Flugverkehr eingestellt - auch Togo hat die Einreise von Flügen aus Europa seit dem 20.März 2020 gesperrt. Doch die Bundesregierung will nun genau für einen Tag das Einreiseverbot aufheben lassen - ein unverhältnismäßiger Aufwand, der Kopfschütteln verursacht.

Nicht nur, dass extra für eine Person ein Flugzeug gechartert wird: Gerade zu Zeiten einer Pandemie, die Deutschland mit gravierenden Maßnahmen in den Griff zu bekommen versucht, muss man sich fragen, worauf aktuell der Fokus der Behörden liegt. Um eine solche Maßnahme zu ermöglichen, braucht es schließlich auch die entsprechende Begleitung durch eine/n Dolmetscher*in, Arzt/Ärztin und Begleitbeamt*innen.

PRO ASYL fordert den sofortigen Stopp dieser Abschiebung sowie einen generellen Abschiebungsstopp aufgrund der weltweiten Ausbreitung des Corona-Virus. Betroffene müssen davor geschützt werden, in Länder mit fragilen Gesundheitssystemen abgeschoben zu werden, in denen die Auswirkungen von Corona katastrophal werden können oder dies bereits sind.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 3. April 2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2020

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