Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → FAKTEN


ASYL/1121: Pro Asyl fordert Kehrtwende im Umgang mit afghanischen Flüchtlingen (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 12. Januar 2017

PRO ASYL fordert Kehrtwende im Umgang mit afghanischen Flüchtlingen


Aus Anlass des aktuellen UNHCR-Berichts zu Afghanistan fordert PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt eine Kehrtwende im Umgang mit afghanischen Flüchtlingen und appelliert: »Das BMI, die Innenminister und das Bundesamt müssen die Fakten zur Kenntnis nehmen und handeln.« Alle im Jahr 2016 abgelehnten Asylanträge müssen aufgrund der aktuellen Faktenlage neu überprüft werden, ebenso alle in der Vergangenheit abgelehnten Fälle. Asylgesuche von AfghanInnen müssen individuell, fair und mit Sorgfalt überprüft werden.

Trotz verschärfter Sicherheitslage wurden 2016 rund 40% der afghanischen Asylanträge abgelehnt (rund 25.000), gegenüber 22,3% im Jahr 2015. Der UNHCR stellt in seinem Bericht fest, dass das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem »innerstaatlichen bewaffneten Konflikt« im Sinne des europäischen Flüchtlingsrechtes betroffen sei. Aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitslage könne man gar nicht zwischen sicheren und unsicheren Regionen in dem Bürgerkriegsland entscheiden.

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte der Bundesländer fordern erneut einen Abschiebestopp nach Afghanistan. Der UNHCR-Bericht bestätigt die Befürchtungen. PRO ASYL unterstützt ausdrücklich die Erwägung des schleswig-holsteinischen Innenministers für einen Abschiebestopp. Bundesregierung und Bundesländer müssen jetzt endlich die Fakten zur Kenntnis nehmen und ihre Politik neu ausrichten. Ein Abschiebestopp reduziert die Panik der Betroffenen. »Wenn Menschen permanent in Angst leben, dass ihr Antrag unbegründet abgelehnt wird und sie in ein Kriegsgebiet abgeschoben werden, scheitert Integration«, warnte Günter Burkhardt.

PRO ASYL weist darauf hin, dass trotz der restriktiven Anerkennungspraxis mehr als 50% der AfghanInnen anerkannt wurden. Ein Großteil der Abgelehnten wurde zu Unrecht abgelehnt. PRO ASYL fordert, auch aus diesen Fakten die Konsequenz zu ziehen. Afghanische Schutzsuchende haben trotz der Mängel in den Asylverfahren eine Schutzquote von mehr als 50% und müssen nach den vom Bundesinnenministerium erlassenen Kriterien Zugang zu Sprach- und Integrationskursen erhalten.


Kernaussagen des UNHCR-Berichtes (Dezember 2016):

Nach Auffassung von UNHCR muss man bei einer Bewertung der gegenwärtigen Situation in Afghanistan sowie des Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender berücksichtigen, dass sich die Sicherheitslage seit Verfassen der UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (April 2016) insgesamt nochmals deutlich verschlechtert hat.

Vor diesem Hintergrund ist die statistische Entwicklung der Entscheidungspraxis des Bundesamtes eher überraschend, auch wenn die Zahlen als solche keine qualitative Bewertung erlauben. So wurde in 2015 in fast 78% aller Entscheidungen in der Sache Schutz gewährt, wobei in fast 47% aller Entscheidungen in der Sache die Antragsteller als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden. Dagegen betrug die Gesamtschutzquote in 2016 nur noch gut 60%, wobei nur in gut 22% der inhaltlichen Entscheidungen Flüchtlingsschutz gewährt wurde.

Mit Blick auf eine regionale Differenzierung der Betrachtung der Situation in Afghanistan, möchte UNHCR anmerken, dass UNHCR aufgrund der sich ständig ändernden Sicherheitslage bei der Feststellung internationalen Schutzbedarfes selbst keine Unterscheidung von »sicheren« und »unsicheren« Gebieten vornimmt. Für jede Entscheidung über den internationalen Schutzbedarf von Antragstellern aus Afghanistan ist es vor allem erforderlich, die Bedrohung unter Einbeziehung sämtlicher individueller Aspekte des Einzelfalls zu bewerten. Die Differenzierung ist also in erster Linie eine individuelle, welche die den Einzelfall betreffenden regionalen und lokalen Gegebenheiten berücksichtigt.

Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Feststellung einer internen Schutzalternative. Ein pauschalierender Ansatz, der bestimmte Regionen hinsichtlich der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen, wie sie für den Flüchtlingsschutz oder den subsidiären Schutz relevant sind, als sichere und zumutbare interne Schutzalternative ansieht, ist nach Auffassung von UNHCR vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in Afghanistan nicht möglich. Vielmehr ist stets eine sorgfältige Einzelfallprüfung erforderlich.

UNHCR möchte des Weiteren betonen, dass die Situation in Afghanistan volatil ist. Vor diesem Hintergrund ist zu unterstreichen, dass die Bewertung des Schutzbedarfs stets aufgrund aller zum Zeitpunkt der Entscheidung verfügbaren, neuesten Erkenntnisse erfolgen muss. Bei einem bereits länger zurückliegenden negativen Abschluss eines Asylverfahrens wird somit häufig Anlass bestehen, aufgrund der Veränderung der Faktenlage eine neue Ermittlung des Schutzbedarfs vorzunehmen...


Den vollständigen UNHCR-Bericht finden Sie unter:
https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/2017-Bericht-UNHCR-Afghanistan.pdf

*

Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 12. Januar 2017
Postfach 160 624, 60069 Frankfurt/M.
Telefon: +49 069 - 23 06 88, Fax: +49 069 - 23 06 50
E-Mail: proasyl@proasyl.de
Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang