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ASYL/1017: Pro Asyl zum EU-Gipfel - Erosion der Menschenrechte droht (Pro Asyl)


Pro Asyl - Presseerklärung vom 17. Dezember 2015

Pro Asyl zum EU-Gipfel: Erosion der Menschenrechte droht


Anlässlich des EU-Gipfels warnt Pro Asyl die EU-Staats- und Regierungschefs vor einer Erosion der Menschenrechte. Die Pläne der EU-Kommission zum Ausbau von Frontex und zu vermehrten Abschiebungen aus den Grenzregionen zielen auf eine Aushebelung der Menschenrechte an den EU-Grenzen. Zurückweisungen an den Grenzen und Abschiebungen in Staaten wie etwa Afghanistan oder den Iran sind inakzeptabel. Pro Asyl appelliert an die Bundeskanzlerin: "Deutschland muss sein ganzes Gewicht in die Waagschale werfen, es droht sonst eine Erosion der Menschenrechte" warnt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl. "Die Bundeskanzlerin darf die Pläne der EU-Kommission zum Ausbau von Frontex nicht durchwinken." In ihrer Regierungserklärung vor dem EU-Gipfel hat Bundeskanzlerin Merkel gesagt: "Abschottung ist im 21. Jahrhundert keine vernünftige Option".

Die Pläne der EU-Kommission sind der Freibrief für völkerrechtswidrige Zurückweisungen an den EU-Grenzen. Frontex soll den Schutz der Außengrenzen eigenmächtig in die Hand nehmen und dafür mit den entsprechenden Ressourcen und Kompetenzen ausgestattet werden. Es drohen schwere Rechtsverletzungen. Dies zeigt die Äußerung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Frontex solle die Rückführung von Schiffen zu ihrem Startpunkt veranlassen. Die Grenzschutzagentur könne "dann ein Schiff dahin zurückschleppen, wo es hergekommen ist - zum Beispiel in die Türkei", so de Maizière in einem Interview am 13.12. Solche Zurückweisungen sind völkerrechtswidrig und damit ein massiver Verstoß gegen das Non-Refoulement-Gebot (Art. 33 Genfer Flüchtlingskonvention) und die Europäische Menschenrechtskonvention. Aus der Türkei gibt es bereits wenige Wochen nach dem Deal mit der EU alarmierende Berichte über Menschenrechtsverletzungen.


"Schnelle Eingreiftruppen": Abschiebungen durch Frontex

Darüber hinaus sollen Abschiebungen von abgelehnten Asylsuchenden vorangetrieben werden. Im am 15.12. veröffentlichten Fortschrittsbericht der Kommission zur Implementierung des Hotspot in Griechenland fordert die Kommission Griechenland sogar explizit auf, den Fokus auf Rückführungen von Schutzsuchenden aus Pakistan, dem Iran und Bangladesch zu legen. Selbst in das von Gewalt erschütterte Afghanistan sollen Flüchtlinge abgeschoben werden. Schutzsuchende aus diesen Staaten werden in Deutschland in hohem Maße als schutzbedürftig anerkannt. Die bereinigte Schutzquote betrug im 1. Halbjahr 2015:

Afghanistan: 76.3%
Iran: 86.9%
Pakistan: 21,7%
Bangladesch: 22,0 %.

Frontex soll in Europas Abschiebemaschinerie künftig eine noch entscheidendere Rolle spielen. Dem Verordnungs-Vorschlag der Kommission zufolge soll ein Rückführungsbüro bei der Agentur angesiedelt werden. Auch sogenannte "Schnelle Eingreiftruppen für Rückführungen sind vorgesehen". (Art. 31)

Der Ausbau von Frontex zu einer europäischen Agentur für Grenz- und Küstenschutz mit supranationalen Interventionsrechten wird den europäischen Flüchtlingsschutz massiv aushöhlen.


Externalisierung von Grenzkontrollen

Die europäischen Architekten der Festung Europa entwerfen neue Abwehrszenarien. Die Verordnung sieht auch eine engere Kooperation der Agentur mit sogenannten "Drittländern" vor. Die Auslagerung von Grenzkontrollen in Transit- und Herkunftsländer soll nun durch die Entsendung von Verbindungsbeamten und der Organisation gemeinsamer Einsätze mit "Drittländern" - auch in deren Hoheitsgebiet - weiter forciert werden. (Art. 53)

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Quelle:
Pro Asyl - Presseerklärung vom 17. Dezember 2015
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Internet: www.proasyl.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2015

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