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VERBAND/2127: 40 Jahre Bauernstimme - "Lebendige Kraft in der Gesellschft" (UBS)


unabhängige bauernstimme, Nr. 396 - Februar 2016
Eine Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

40 JAHRE BAUERNSTIMME
"Lebendige Kraft in der Gesellschft"
Die Unabhängige Bauernstimme als Wegbegleiter bäuerlicher Bewegung

Von Claudia Schievelbein


Schon die Gründerväter und -mütter von AbL und Unabhängiger Bauernstimme sahen die Notwendigkeit, einen gesellschaftlichen Konsens zu schließen, um Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen. In der damals noch "Bauernblatt" betitelten Bauernstimme schrieben sie 1980: "Der Bauer wird niemals überleben können, wenn er sich in Gegensatz zur aufnehmenden Hand und dem Verbraucher setzt. Er braucht Bündnispartner, um bestehen zu können. Der Bauer muss dem Verbraucher die Hand reichen. (...) Wir wollen keine egoistischen Gruppeninteressen durchsetzen, sondern eine Agrarpolitik, die sich an den Interessen der Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten orientiert, an den ökologischen Erfordernissen des ländlichen Raumes, an der Nahrungsmittelqualität sowie an Preisen, die Erzeugern und Verbrauchern gerecht werden. (...) Letztlich werden die grundlegenden landwirtschaftlichen Probleme, wie viele andere auch, nur durch eine breite soziale Bewegung in Angriff genommen, die mehr Gerechtigkeit und Demokratie will, jedoch nicht nur auf dem Papier."


Angebote machen

Später differenzierte sich der Blick weiter. Den Verbrauchern und Verbraucherinnen, die sich spätestens durch den BSE-Skandal in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer mehr dafür zu interessieren begannen, wie ihre Lebensmittel erzeugt werden, konnten Angebote gemacht werden. Neuland, eigenständige Regionalentwicklung, Direktvermarktung, ökologischer Landbau - viele bäuerliche Betriebe entwickelten Strategien, um aus der anonymen Ablieferungslogik in immer größere Strukturen herauszukommen und ihre Existenz zu sichern, aber auch um die gesellschaftliche Akzeptanz vor dem Hintergrund wachsender und konkreter werdender Verbraucherwünsche zu erhalten. Erste große Erfolge des Drucks dieser jungen gesellschaftlichen Bewegung sind das Verbot der Batteriehaltung von Legehennen und die Verhinderung von Gentechnik. Gleichzeitig versuchen Konzerne der an der Landwirtschaft verdienenden Industrie, wie die Chemie- und Futtermittel- und die Schlachtbranche, gemeinsam mit dem Bauernverband die Widersprüche als Kommunikationsproblem darzustellen. Der unwissende und am Ende doch nur billig kaufende Verbraucher müsse nur vernünftig über die moderne Landwirtschaft informiert werden, dann regele sich schon alles, so der Tenor. Gereicht hat es nicht, um die kritische Masse wieder zu beruhigen: "Die deutsche Landwirtschaft wird nicht an der ach so übermächtigen Konkurrenz aus klimatisch begünstigten Ländern wie Neuseeland oder Argentinien kaputtgehen, sondern an ihrer mangelnden Flexibilität. Die Standard-Antwort der Bauernführer schon seit Jahrzehnten lautet: 'Haben wir noch nie so gemacht, machen wir nicht, wo kommen wir denn da hin!' (...) Was macht der Bauernverband? Schwört er seine Mitglieder darauf ein, das zu produzieren, was die Verbraucher auch wollen? Nein, wo kommen wir denn da hin. (...) Das ständige Abwehren von Forderungen der Gesellschaft hat zu einer Wagenburgmentalität geführt, die den Blick für eine notwendige Öffnung gegenüber berechtigten Ansprüchen der Verbraucher verbaut hat. Durch den Pulverdampf der Rückwärtsverteidigung lässt sich nicht gut über das freie Feld in die Zukunft schauen", schreibt WDR-Radiokommentator Detlef Reepen 1998 in der Unabhängigen Bauernstimme.


Vorneweg Bauern

Im Januar 2011 kommentierten die damaligen Vorsitzenden der AbL, Maria Heubuch und Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, in der Unabhängigen Bauernstimme: "Ob wir 5.000 Menschen zusammenbekommen, mitten im Winter? Das haben wir uns im Sommer gefragt, als im kleinen Kreis die Idee dieser Demo geboren wurde. Es sind weit über 20.000 gekommen, Bürgerinnen und Bürger dieser Republik, in bester Stimmung und mit einer unglaublich reichen Vielfalt an Aussagen auf ihren Schildern, Bannern und Kostümen. Da kommt eine intensive Beschäftigung mit Landwirtschaft und Ernährung zum Ausdruck - keine Eintagsfliege, keine Skandal-Hopper, sondern lebendige Kraft in der Gesellschaft. Vorneweg und mittendrin viele Bauern und Bäuerinnen, dazu 80 Schlepper. Alle zusammen demonstrieren für eine bäuerliche Landwirtschaft! (...) Am Tag der Demo schaltet der Bauernverband gemeinsam mit der chemischen Industrie eine ganzseitige Anzeige in einer Berliner Zeitung: 'Wir machen Menschen satt' lautet die Überschrift. Es folgt Werbung für große Tierbestände, für Agrarexporte in Entwicklungsländer, für Biotechnologie. Während wir Bauern und Verbraucher dazu aufrufen, sich öffentlich zu äußern und notfalls 'auf die Barrikaden' zu gehen, bezahlen sie mal eben eine teure Anzeige. Wir suchen den Schulterschluss mit der Gesellschaft, der Bauernverband klebt an der Seite der Industrie. (...) Noch folgt die Agrarpolitik im Bund weitgehend den Interessen der Industrie und der Macht des Kapitals. Das einzige, was dagegen wirkt, ist eigene Wirtschaftsmacht von Bauern und Verbrauchern und der Druck der Straße, der Druck der Gemeindesäle, der Druck der öffentlichen Auseinandersetzung. (...) Wir laden alle Parteien ein, sich der agrarpolitischen Diskussion mit uns und der gesamten Gesellschaft zu stellen und den Mut aufzubringen, die Agrarpolitik entsprechend gründlich zu ändern."

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Quelle:
unabhängige bauernstimme, Nr. 396 - Februar 2016, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2016

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