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LANDWIRTSCHAFT/1659: Ökolandbau ist für Idealisten (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 391 - September 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Ökolandbau ist für Idealisten
Seit Jahren geringe Umstellungszahlen trotz wachsendem Konsumentenmarkt

Von Claudia Schievelbein


Ganz so schlimm, wie zwischenzeitlich befürchtet, war es dann doch nicht. Immerhin kann der Ökolandbau 2014 doch noch einen Zuwachs von 0,3 % an bewirtschafteter Fläche verbuchen. Es bleibt allerdings, auch trotz der Beteuerungen der Vertreter des Ökolandbaus, 2015 werde da positiver ausfallen, bei einer weiter klaffenden Schere zwischen dem wachsenden Markt für Ökoprodukte (inzwischen 7 % Anteil am Lebensmittelmarkt) und dem nun schon seit Jahren kaum ansteigenden Anteil von 6 % bewirtschafteter Biofläche in Deutschland. In Dänemark sind die Zahlen ähnlich, wobei die Schere schärfer auseinander geht - die Biofläche sinkt, während der Konsumentenmarkt wächst. Warum ist es in einer Gesellschaft mit wachsender Bereitschaft, mehr Geld für ökologisch erzeugte Lebensmittel auszugeben, in einer Gesellschaft mit einer wachsenden kritischen Auseinandersetzung über die negativen Aspekte einer industriellen Landwirtschaft nicht lukrativ, seinen Hof auf eine ökologische Wirtschaftsweise umzustellen? Immer schon bedurfte es neben der Überzeugung für die Sache auch einer wirtschaftlichen Perspektive. Über den Rückgang politisch sozialisierter Weltbeweger in der jungen Generation kann man sich streiten, über die Verschlechterungen der wirtschaftlichen Perspektiven für Ökoerzeugnisse sicher nicht. Wenngleich die Frage der Gründe dafür schon wieder unterschiedlich beantwortet wird. Verbandsvertreter des Ökolandbaus sehen vor allem die gestiegenen Pachtpreise, mangelnde Förderung und vergleichsweise gute Preise für konventionelle Produkte in den vergangenen Jahren. Nicht so gerne thematisiert wird der Preisverfall und die abnehmende Partnermoral zwischen Erzeugern und Verarbeitern, gerne auch durch den Druck aus dem Ausland. In Rumänien und Estland beispielsweise haben die Zuwachsraten in Sachen Ökoflächen in den vergangenen Jahren die kühnsten Prognosen überschritten. In Estland wurde das 2006 gesteckte Ziel, 2013 120.000 ha ökologisch zu bewirtschaften - das sind 15 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche - bereits 2010 mehr als erfüllt. In Rumänien beliefen sich die Bioexporte 2010 auf 150 Mio. Euro. Jeder fünfte in einer Studie befragte Rumäne hält Bio für nicht mehr als eine clevere Marketingstrategie, der Anteil am Gesamtinlandsmarkt für Lebensmittel liegt gerade mal bei 0,5 %. Kontrollstellen bemängeln zum Teil den nicht vorhandenen Systemansatz von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in solchen Bioboomanbauländern. Angeregt wird eine Umstellung auch von deutschen Bioverarbeitern, deren vordringliche Firmenleitlinie der Einkauf günstiger Rohstoffe ist und die damit die unter Druck setzen, die nach wie vor auf andere Wertmaßstäbe wie Regionalität, stabile Handelsbeziehungen, transparente Strukturen setzen. Bei ihnen kaufen aber nicht vorzugsweise der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel oder gar deren Discounter, auch sie gehen hauptsächlich über den Preis. Deshalb kann die Hamburger Morgenpost gerade über Bioproduktpreise berichten, die unter denen für konventionelle Markenprodukte liegen. Die sind nur noch erzeugbar in rationalisierten Strukturen, in Deutschland wie im Ausland. Und wenn jetzt das größte deutsche Biosupermarktunternehmen dennree in einen 4.000-Hektar-Agrarbetrieb in Sachsen einsteigt, ist das auch ein Zeichen der Zeit. Getreide, Möhren, Äpfel - Massenerzeugnisse für zunehmend anonyme Kanäle - können kaum noch kostendeckend in bäuerlichen Strukturen erzeugt werden. Sie kommen zudem zu 15 % (Getreide) und 25 % (Möhren, Äpfel) aus dem Ausland. Wer da noch umstellt, muss doch wieder ganz schön idealistisch sein.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 391 - September 2015, S. 5
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2015

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