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LANDWIRTSCHAFT/1608: Dem Saatgutmonopoly etwas entgegensetzen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 376 - April 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Dem Saatgutmonopoly etwas entgegensetzen
Mitstreiter für ein bäuerliches Saatgutprojekt gesucht

von Christian Schüler



Rasante Veränderungen in den vergangenen Jahren werfen ihre Schatten voraus. Es ist anzunehmen, dass über biotechnologische Entwicklungen und wirtschaftliche Konzentrationsprozesse die Verfügbarkeit von Saatgut in der näheren Zukunft weiter deutlich eingeschränkt wird. Im Wesentlichen sind das drei Entwicklungen. Da ist die Gentechnik, die Fakten hierzu sind bekannt. Wenige, weltweit agierende, Konzerne beherrschen weitestgehend den Markt. Der gentechnikfreie Saatgutmarkt in Europa ist ein Erfolg, aber keine Garantie für die Zukunft. Die Einschränkung der Nachbaumöglichkeit und die Nutzung der Patentrechte sind schon Realität. Die Auswirkungen auf die Saatgutpreise mit dramatischen Steigerungsraten ließen sich in den USA in den letzten 10 bis 15 Jahren gut beobachten. Hinzu kommen neue Züchtungstechniken inklusive Patentrechten. Die Entwicklung in der molekularen Biotechnologie bleibt nicht stehen, im Gegenteil, sie schreitet rasch voran. Die Bedeutung vieler neuer Techniken, wie zum Beispiel Smart Breeding, liegt in der Möglichkeit, sie nicht als GVO deklarieren zu müssen und trotzdem Patentschutz zu erreichen. Alle großen Konzerne setzen darauf. Die neuen Züchtungsmethoden zeigen technische Vorteile gegenüber "alten" Technologien, da sie angeblich ortsspezifische und gezielte Veränderungen im Genom erlauben. Der unklare rechtliche Status hält insbesondere kleinere Unternehmen zurzeit. davon ab, diese Methoden zu nutzen. Das verspricht den großen Saatgutkonzernen einen weiteren Vorsprung. Die Ausdehnung des Patentschutzes ist dabei deren erklärtes Ziel.


Hybridzüchtung

Seit Mitte der 1990er Jahre schwächt sich der Ertragsfortschritt bei Weizen ab. Eine der wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen konnte lange wegen seiner Biologie (Selbstbefruchter) nicht in relevanter Weise in Hybridzüchtungsprogramme aufgenommen werden. Das ändert sich gerade. Die ersten nennenswerten Anbauflächen für Hybridweizen entstanden ab 1995 etwa gleichzeitig in Frankreich, in China und in den USA. Der Einstieg in eine Saatgutproduktion setzte die Entwicklung eines Anbausystems voraus, was den strengen Selbstbefruchter mittels Streifenanbau und chemischer Kastration eines Kreuzungspartners austrickst. Bislang ist die Zulassung des sogenannten Hybridisierungsmittels CROISOR nur in Frankreich in nationales Recht umgesetzt worden, was die vorherrschende Rolle dieses Landes bei der Hybridweizenerzeugung erklärt (Anbaufläche 2012: 210.000 ha). Die übrigen europäischen Länder müssen das in Frankreich erzeugte Hybridweizen-Saatgut importieren. Es ist vorgesehen, die Zulassung in den nächsten Jahren auf weitere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. auszudehnen, was der Verbreitung von Hybridweizen-Saatgut in Europa förderlich sein wird. Marktführer bei Hybridweizen ist zur Zeit noch die Saaten-Union, aber Bayer Crop Science, Monsanto und Syngenta engagieren sich - das wird anhand ihrer Presseerklärungen der letzten Jahre deutlich - immer intensiver. Der Weg in die Hybridweizenzüchtung mit der zusätzlichen Anwendung der neuen biotechnologischen Techniken ist vorgezeichnet und wird auch von offizieller Seite mit einigen Fördermillionen unterstützt. Erklärtes Ziel der Konzerne ist dabei die Verhinderung des Nachbaus.


Was tun?

Es stellt sich die Frage nach tragfähigen Alternativen für einen Saatgutmarkt, der nicht in den Händen von multinationalen Unternehmen liegt. Die wenigen Züchter in der Biobranche leisten beispielhafte Arbeit, können aber allein keine ausreichende Perspektive für die übrige Landwirtschaft sein. Hier sollten bäuerliche Initiativen nach Lösungen suchen. Zwei Möglichkeiten bieten sich besonders an: Bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren z.B. Saatgutgenossenschaften in Süddeutschland aktiv. Sie wurden unterstützt von den dort bis heute arbeitenden staatlichen Saatzuchtanstalten. Daran anknüpfend könnte heute als erster Schritt eine bäuerliche Erhaltungszüchtung treten, die auf Sorten zurückgreift, für die kein Schutz mehr vorliegt (Sortenschutz bei Getreide 25 Jahre). Es sollten Weizen-Sorten ausgewählt werden, die etwa Ende der 1980er bzw. Mitte der 1990er Jahre gute Ergebnisse gebracht haben Da von diesen Sorten aktuell keine ausreichenden Saatgutmengen zu beziehen sind, müsste über eine schrittweise Vermehrung mit Material aus der Genbank begonnen werden. Die ersten Vermehrungsschritte auf Parzellenniveau können auf universitären Versuchsbetrieben gemacht werden.

Die zweite Möglichkeit ist der Einstieg mit aktuellen Sorten als Sortenmischung oder "Synthetische Population". Darauf folgt ein Nachbau, der darauf setzt, dass sich aus dem Ausgangsmaterial mit einer Fremdbefruchtung bei Weizen von ca. 10 % die Möglichkeit für die Selektion von lokal angepassten Linien ergibt. Diese Linien sind nicht mehr identisch mit dem Ausgangssaatgut, es können dafür keine Nachbaugebühren erhoben werden. Erste Ergebnisse auf diesem Weg einer partizipativen Pflanzenzüchtung mit Landwirten gibt es aus Frankreich und Großbritannien.

Wichtige Voraussetzungen für die beiden Varianten:

- Eine ausreichende Anzahl an Landwirten, die bereit sind, hier Pionierarbeit zu leisten.

- Eine professionelle Aufarbeitung der Ernte, um daraus gute Saatgutqualität zu gewinnen.

- Abnehmer der Ernte aus den Bereichen Mühlen oder Veredlungsbetriebe, die die Idee unterstützen und bereit sind, mit den Landwirten über die ganze Kette Transparenz bei Kosten und Preisen walten zu lassen.

- Unterstützung aus Züchtung und Saatgutanerkennung, wenn das Projekt an wirtschaftlicher Breite gewinnt bzw. die Marktrelevanz erreicht ist.

- Juristische Unterstützung, wenn die Rechtmäßigkeit des Projekts von außen angezweifelt wird.


Christian Schüler, AbLer und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Kassel/Witzenhausen

Bäuerinnen und Bauern, die Interesse am Aufbau dieser Arbeit haben, bitte melden bei: IG Nachbau, 04131 407757

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 376 - April 2014, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2014