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HUNGER/000: Nahost - Gazastreifen leidet unter gravierender Ernährungsunsicherheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. März 2015

Nahost: Zerstörte Felder, getötetes Vieh - Gazastreifen leidet unter gravierender Ernährungsunsicherheit

von Mel Frykberg


Bild Mel © Frykberg/IPS

Safa Subha und ihre kleine Tochter sind auf Nahrungsspenden angewiesen
Bild Mel © Frykberg/IPS

Beit Lahiya, nördlicher Gazastreifen, 3. März (IPS) - Die schweren Schäden im Gazastreifen im Zuge der massiven israelischen Militäroffensive im letzten Sommer und die fortgesetzte Blockade gefährden die Gesundheit und Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung. Um nicht zu verhungern, sind die Palästinenser auf Lebensmittelhilfe angewiesen.

"Wir lebten eine Weile lang ausschließlich von Brot und Tee, weil wir uns keine anderen Lebensmittel leisten konnten. Meine fünf Kinder waren stark unterernährt und litten an Leberproblemen, Anämie und Knochenerweichung ", berichtet die 37-jährige Safa Subha aus dem Ort Beit Lahiya. "Erst seit wir die Essensgutscheine der Hilfsorganisation 'Oxfam' erhalten, kommen wir an Eier und Joghurt."

Den Kindern geht es inzwischen besser, doch muss die Familie die Lebensmittel streng einteilen. Anderen Palästinensern geht es noch immer sehr schlecht. Nach Angaben der UN-Koordinationsstelle für humanitäre Einsätze (OCHA) gibt es noch etliche Ortschaften, in denen die Ernährungslage prekär ist. Zudem sind frische Lebensmittel und rotes Fleisch sehr teuer.


Einkommensmöglichkeiten vernichtet

Vor dem Krieg hatte Subhas Mann Ashraf ein gepachtetes Grundstück bestellt und einen Teil der Ernte verkauft. "Er verdiente auf diese Weise 300 Schekel (umgerechnet 75 US-Dollar) die Woche", erzählt seine Frau. "Nachdem es wegen der israelischen Angriffe zu gefährlich wurde, auf dem Feld zu arbeiten, versuchte er als Taxifahrer Geld zu verdienen." Überleben konnte die Familie damit allerdings nicht. "Das Taxi gehört ihm nicht, und er kann es nur ein paar Tage in der Woche nutzen", sagt Safa. "Oft fehlt uns auch das Geld, um Benzin zu kaufen, das sehr teuer ist." Aufgrund der israelischen Blockade ist die Einfuhr von Treibstoff in den Gazastreifen begrenzt.

Der 43-jährige Kamal Kassam aus Beit Hanoun im nördlichen Gazastreifen hängt von dem Oxfam-Programm 'Cash for Work' ab, um seine Frau und seine fünf Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren durchzubringen. Während des Kriegs suchte die Familie Zuflucht in einer UN-Unterkunft. Das Haus wurde von israelischen Bomben zerstört, seine Frau Eman bei den Angriffen verletzt. Eine Tochter ist seither schwer traumatisiert, leidet unter epileptischen Anfällen und macht nachts ins Bett. Eine andere Tochter benötigt regelmäßig Krebsmedikamente.

Hilfsorganisationen haben den Kassams einen Container als Unterkunft bereitgestellt. Geld für Lebensmittel und Schulkleidung hat die Familie jedoch nicht. "Ich hatte früher Arbeit in einer Fabrik. Diesen Job habe ich wegen der israelischen Blockade verloren", berichtet Kassam. "Vor dem Krieg verdiente ich an Waren, die ich mit meinem Eselskarren auslieferte, etwa 7,50 Dollar täglich." Doch der Esel wurde bei einem israelischen Bombenangriff getötet, der Karren zerstört.

Die intensiven Bombardements zerstörten oder beschädigten im Gazastreifen wichtige Infrastrukturen. Das einzige Kraftwerk und etliche Projekte zur sanitären Grundversorgung funktionieren nicht mehr. Ungeklärte Abwässer werden seitdem ins Meer geleitet und verseuchen das Grundwasser. Die Kontaminierung von Trinkwasser und Feldern fördert den Ausbruch von Krankheiten.


Mangel allerorten

Nachdem Israel auch die Einfuhr von wichtigen Ersatzteilen für das Kanalisationssystem sowie von Dünger und Setzlingen eingeschränkt hat, sind die Ernten im Gazastreifen rückläufig. Da zudem palästinensischen Bauern und Fischern regelmäßig der Zugang zu ihren Feldern und dem Meer in den sogenannten Gebieten mit Zugangsbeschränkungen (ARAs) verwehrt wird, können sie von der Landwirtschaft und der Fischerei nicht mehr leben.

OCHA bestätigt die Einkommensverluste durch die Beschädigung der Felder, die Einschränkungen beim Zugang zu Agrarflächen, insbesondere in der von Israel festgelegten Drei-Kilometer-Pufferzone, sowie den Verlust von Arbeitsplätzen.

Die Ernährungsunsicherheit im Gazastreifen geht nicht allein auf den Mangel an Lebensmitteln auf den Märkten zurück. Vielen Menschen fehlen die finanziellen Mittel, um ausreichende Mengen qualitativ hochwertiger Nahrung kaufen zu können.

"Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der niedrigen Löhne sind die meisten Einwohner des Gazastreifens Armut und Nahrungsunsicherheit ausgesetzt. Ohne Hilfe von außen können sie ihre Grundbedürfnisse nicht mehr decken", bestätigt der Bericht 'GAZA Detailed Needs Assessment (DNA) and Recovery Framework: Social Protection Sub-Sector', den die Weltbank, die EU, die UN und die Regierung Palästinas herausgegeben haben.

Demnach sind 89 Prozent aller Familien nicht mehr in der Lage, sich ausreichend mit Qualitätsnahrung zu versorgen, geht aus dem Report hervor. In diesem Jahr wird mit einer weiteren Verschlechterung der Situation gerechnet. (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/03/environmental-damage-to-gaza-exacerbating-food-insecurity/

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IPS-Tagesdienst vom 3. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2015

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