Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

HUNGER/298: Mexiko - Insekten als Waffen gegen den Hunger, Studien belegen hohen Nährwert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Mai 2013

Mexiko: Insekten als Waffen gegen den Hunger - Studien belegen hohen Nährwert

von Emilio Godoy



Mexiko-Stadt, 27. Mai (IPS) - Die Empfehlung der UN-Agrarorganisation FAO, Insekten als Nahrungsquelle im Kampf gegen den Hunger zu nutzen, ist vor allem in Kolumbien und Mexiko auf Anklang gestoßen. In beiden lateinamerikanischen Ländern hat der Verzehr von Insekten Tradition, und die Artenvielfalt ist groß.

Laut einer im Mai veröffentlichten Studie der niederländischen Universität Wageningen und der FAO gibt es in Mexiko rund 300 Spezies von Insekten, die für den menschlichen Genuss geeignet sind. Mexikanische Forscher kommen sogar auf mehr als 500 Arten im Zentrum, Süden und Südosten des Landes. Trotz der großen Biodiversität liegt die Armutsrate in der Bevölkerung bei 47 Prozent.

"Insekten sind ein preisgünstiges Nahrungsmittel von hoher Qualität, das viel besser ist als Fertigprodukte, die zurzeit häufig verzehrt werden", meint die Biologin Julieta Ramos-Elorduy von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko. Ihrer Ansicht nach ist das Land "bereit für den Massenverzehr von Insekten". Die Menschen müssten aber lernen, diese vernünftig zu vermarkten. "Bisher gibt es zudem keine staatlichen Maßnahmen zum Schutz von Insekten", sagt die Wissenschaftlerin, die seit den siebziger Jahren den Nutzen dieser Tiere für den Menschen untersucht. Sie hat 549 Arten essbarer Insekten nachgewiesen.

Bereits in dem Florentinischen Kodex des Franziskaner-Paters Bernardino de Sahagún (1499-1590) wurde hervorgehoben, dass der Verzehr von Insekten unter den Ureinwohnern in Mexiko verbreitet war. Sahagún sprach von 96 für den Verzehr bestimmten Spezies. Die Nationale Kommission für den Umgang mit Biodiversität (Conabio) bestätigt den Nährwert. Einige Insekten enthielten bis zu drei Mal mehr Protein als Fleisch, heißt es. Der Nährstoffgehalt werde nur noch von Fisch übertroffen.

Das mexikanische Insekten-Menü besteht aus blutsaugenden Wanzen, Würmern, Käfern, Schmetterlingen, Ameisen- und Fliegenlarven sowie Bienen, Wespen und Grashüpfern. Sie können gegrillt, gebraten und mit Saucen serviert werden. Seit einigen Jahrzehnten sind einige dieser Spezialitäten sogar in gehobenen Restaurants anzutreffen.


Salz aus gemahlenen Mottenlarven

In Mitla, einer Stadt nahe der archäologischen Ausgrabungsstätte Zapotec im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca produziert ein kleines Unternehmen aus Mottenlarven (Hypopta agavis), die sich von Aloe-Blättern ernähren, eine scharfes Gewürzsalz, das zu dem ebenfalls aus Aloen destillierten Schnaps Mescal gereicht wird.

"Wir richten uns nach einem Hausmacherrezept. Wir zerstoßen die Insekten manuell und geben alles in einen Handmixer. Auch die Verpackungen werden mit der Hand hergestellt", sagt Diana Corona, die Verkaufsleiterin der Firma 'Gran Mitla', die monatlich 300 Kilo des Wurmsalzes produziert. Pro Kilo werden 300 Gramm gemahlene Larven, 300 Gramm getrocknete Chilischoten und 400 Gramm Salz benötigt.

Die Insekten werden von August bis Oktober gesammelt und eingefroren, damit die Produktion das ganze Jahr ohne Unterbrechung weitergehen kann. Zwischen November und Mai ist das Sammeln im gesamten Land verboten.

Wie aus dem FAO-Bericht hervorgeht, sind mehr als 1.900 Insektenarten fester Bestandteil des Speiseplans von zwei Milliarden Menschen weltweit. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen Käfer, Raupen, Bienen, Wespen, Ameisen, Grashüpfer, Heuschrecken und Grillen.

Nach Ansicht der Autoren könnte die Aufzucht von Insekten neue Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten schaffen. Eine Produktion von industriellem Ausmaß erscheint ihnen als realistisch. "Man muss sich dabei allerdings klarmachen, dass dadurch Ressourcen geplündert werden", sagt Ramos-Elorduy. Sie forscht derzeit über die Produktivität von Insektenarten, die mit Mais und Kürbis gefüttert werden.


Experten warnen vor Ausrottung von Insektenarten

In ihrer im Dezember 2012 verbreiteten Untersuchung über essbare Insekten in einigen Orten Zentralmexikos warnen Ramos-Elorduy, Andrés Juárez und José Manuel Pino davor, dass "diese wertvolle Nahrungsquelle aufgrund unterschiedlicher Umwelt- und sozio-ökonomischer Probleme zu verschwinden droht".

Die FAO-Studie über essbare Insekten empfiehlt die Schaffung von Rahmenbestimmungen, um eine stabile, verlässliche und sichere Produktion zu gewährleisten. Die Insekten-Biomasse könne auch als Rohstoff für Tierfutter verwendet werden.

In Kolumbien bieten viele Straßenhändler die 'hormiga culona', eine Blattschneiderameisenart, geröstet und gesalzen als knusprigen Imbiss an. Der Biologe Jaime Bernal Hadad warnt jedoch vor dem Risiko, dass ein systematisches Sammeln der Insekten im Regenwald zur Ausrottung von Arten führen könnte. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.fao.org/docrep/018/i3253e/i3253e.pdf
http://www.cucba.udg.mx/publicaciones1/page_dugesiana/dugesiana_dic12/19%282%29_123.pdf
www.ipsnoticias.net/2013/05/insectos-entre-la-moda-gastronomica-y-el-
http://www.ipsnews.net/2013/05/insects-from-delicacy-to-tool-against-hunger/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. Mai 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2013