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HUNGER/236: Liberia - Teenagerschwangerschaften verschärfen Problem der Unterernährung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. September 2010

Liberia:
Teenagerschwangerschaften verschärfen Problem der Unterernährung

Von Bonnie Allen und Clara K. Mallah


Monrovia, 29. September (IPS) - Liberia hat eine der höchsten Raten von Teenager-Schwangerschaften weltweit. Ein Drittel aller Frauen des westafrikanischen Landes wird vor dem 19. Lebensjahr Mutter. Das ist problematisch, nicht nur in demographischer Hinsicht. Ärzte und Entwicklungsexperten sehen einen Zusammenhang zwischen der fehlenden Lebenserfahrung der jungen Frauen und Mädchen und der im Lande verbreiteten Unterernährung.

"Viele Frauen werden Mütter, ohne auf diese Aufgabe adäquat vorbereitet zu sein", sagt Taban Dada, medizinischer Leiter des Redemption-Krankenhauses in Liberias Hauptstadt Monrovia, einem der größten öffentlichen Krankenhäuser des westafrikanischen Landes. "Viele Mütter sind einfach zu jung." Zu einer adäquaten Vorbereitung gehören für Dada ein Schulabschluss und Grundkenntnisse der Säuglingspflege einschließlich Hygiene, der Kinderernährung und Kindererziehung.

Dem nationalen Ernährungsbericht von 2008 zufolge sind jedoch fast 40 Prozent der Kinder unter fünf Jahren unterernährt. Das liegt nach Ansicht der Autoren der Studie unter anderem daran, dass die Kinder bereits im Bauch der Mutter nicht genügend Nährstoffe erhalten. Es mangelt Müttern und folglich auch den Kindern vor allem an Eisen, Jod und Vitamin A.


Anfällig für Krankheiten

Die fehlenden Nährstoffe wirken sich negativ auf die geistige Entwicklung des Kindes aus. "Die Kinder haben in der Schule Probleme, dem Lehrstoff zu folgen", sagt Dada. Auch ein schwaches Immunsystem ist Folge der Unterernährung. Die Kinder sind daher anfälliger für Krankheiten wie Durchfall, Malaria und Lungenentzündung. Der Arzt fordert, in den Grundschulen ein Basiswissen über eine ausgewogene Ernährung zu unterrichten.

"Mein Sohn wurde immer dünner und dünner", erzählt die 18-jährige alleinerziehende Mutter Mercy Freeman. "Ich wusste nicht, was los mit ihm war, deshalb habe ich ihn ins Krankenhaus gebracht." Freeman sagt, sie habe ihrem 18 Monate alten Sohn Mark regelmäßig weiße Reis zu essen gegeben. Dass er immer mehr an Gewicht verlor, merkte sie erst spät. Nach zwei Wochen im Krankenhaus ist Mark noch immer zu schwach, um alleine aufrecht zu sitzen. Seine Haut hängt in Falten von seinen knochigen Beinen. Er wiegt nur halb so viel von dem, was für sein Alter und seine Größe gesund wäre.

"Viele Frauen in Liberia halten Unterernährung nicht für ein medizinisches Problem. Sie glauben, ihre Kinder seien verhext", sagt Ruth Zansi, die Leiterin eines Ernährungsprogramms für rund 900 Kinder im Kinder-Genesungszentrum 'Hoffnung für die Nationen' in Ganta in Liberias Norden. "Wenn die Mütter zu uns kommen, dann in der Regel nur, weil sie jemand dazu gedrängt hat."


Bildungsrückstand durch Bürgerkrieg

Zansis Team erklärt Müttern im Teenager-Alter, welche Vorteile es hat, ihren Kindern Muttermilch zu geben. Außerdem zeigen sie, wie man Essen so anreichert, dass die Kinder genügend Proteine bekommen, beispielsweise durch den Zusatz von Bohnen und Nüssen. Auch Zansi ist der Ansicht, dass es vielen jungen Müttern an Lebenserfahrung und Bildung mangelt. Sie macht dafür unter anderem den 14 Jahre andauernden Bürgerkrieg verantwortlich, der erst im Jahr 2003 endete.

"Während des Krieges wurden viele Menschen vertrieben und konnten sich nicht in Dorfgemeinschaften organisieren." Das erschwerte den Zugang zu Gesundheitszentren und Bildungseinrichtungen. Die Folge: 44 Prozent der Mädchen im Teenager-Alter sind offiziellen Statistiken zufolge nie zur Schule gegangen und 62 Prozent aller Frauen sind Analphabeten.

Neben der schlechten Ernährung sind auch Armut und ein Mangel an Nahrungsmitteln Grund für die Unterernährung vieler Kinder, meint Zansi. Liberia ist eines der ärmsten Länder der Welt. Wegen der weit verbreiteten Arbeitslosigkeit haben die meisten Menschen zu wenig Geld, um ihren Kindern eine ausgewogene Ernährung zu ermöglichen. Fleisch und Gemüse stehen eher selten auf dem Speiseplan.

Dazu kommt, dass Liberia seit Ende des Bürgerkriegs mehr als die Hälfte der Lebensmittel importieren muss. Versuche, Reis, Maniok und Mais in großem Stil anzubauen, waren bisher nicht besonders erfolgreich.


Unterernährung bleibt ein Problem

Auch in anderen Entwicklungsländern wurden kaum Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut und Mangelernährung gemacht. Vor zehn Jahren legte sich die internationale Gemeinschaft auf acht übergeordnete und messbare Ziele zur Armutsbekämpfung - die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) - fest. Sie sehen vor, bis 2015 Armut und Hunger zu halbieren, die Gleichstellung und Stärkung der Rolle der Frau voranzubringen, die Kindersterblichkeit zu senken und die Gesundheitsversorgung von Müttern zu verbessern.

Darüber hinaus beinhalten die Ziele die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie HIV/Aids und Malaria, die Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit und den Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft zwischen den Ländern des Nordens und Südens.

Auf dem MDG-Revisionsgipfel vom 20. bis 22. September in New York zogen die Staats- und Regierungschefs der UN-Mitgliedsländer Bilanz. Und es sieht schlecht aus: In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Hungernden um 0,5 Prozent zurückgegangen, sodass nicht damit zu rechnen ist, dass in den verbleibenden fünf Jahren bis 2015 die Ziele erreicht werden können. (Ende/IPS/jt/2010)


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http://liberiamohsw.org/
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http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52928

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2010