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HUNGER/199: Nimmt uns die Getreideverbrennung das tägliche Brot? (Forschungsreport)


ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz 2/2008
Die Zeitschrift des Senats der Bundesforschungsanstalten

Nimmt uns die Getreideverbrennung das tägliche Brot?
Eine Datenanalyse zu Getreideernten und -verbräuchen

Von Meinolf G. Lindhauer (Detmold)


Geht der Welt das Getreide aus? "Getreide für den Tank stürzt immer mehr arme Länder in Hungersnöte" - "Energiegewinnung treibt die Brotpreise in die Höhe" - Solche und ähnliche Schlagzeilen beherrschten die öffentliche Wahrnehmung zum Ende des Jahres 2007 bis in den Sommer 2008. Was war geschehen?


Durch trockenheitsbedingte drastische Mindererträge im zweiten Jahr in Folge in Australien, aber auch durch deutliche Mindererträge in Europa und anderen Getreideerzeugerregionen der Welt, nahmen die Weltreserven an Getreide im Wirtschaftsjahr 2007/2008 spürbar ab. Diese Verknappung ging einher mit einer deutlich größer werdenden Nachfrage nach Futter- und Brotgetreide in Schwellenländern wie China und Indien. Knappes Angebot bei starker Nachfrage trieb die Preise auf lange nicht gekannte Höhen, verstärkt durch ein gerütteltes Maß an Spekulation an den internationalen Warenterminbörsen.

Einige Stimmen sahen auch in der Nutzung von Getreide als Energielieferant einen entscheidenden Grund für die hohen Getreidepreise. Gerade diese letztere Argumentation diente den Kirchen, aber auch Entwicklungs- und Sozialorganisationen als Basis für eine Ethikdebatte um die Verwerflichkeit, zumindest aber Zweifelhaftigkeit der Nutzung agrarischer Rohstoffe für industrielle Zwecke, insbesondere die Energiegewinnung, nach dem Motto "Getreide ist Brotgetreide, niemals Brennstoff!"

In dieser Situation widerstreitender emotionaler Dispute tut man gut daran, sich einmal die Daten der weltweiten, der europäischen und der heimischen Getreideerzeugung etwas näher anzusehen.


Fakten und Rahmenbedingungen

Zum Ende des Jahres 2007 und etwa bis zur Ernte 2008 auf der Nordhalbkugel lagen die Getreidepreise, insbesondere die Weizenpreise, auf rekordverdächtigem Niveau: Für Brotweizen wurden in Deutschland und EU-Europa zeitweise mehr als 250 EUR pro Tonne gezahlt. Dies war in der Tat nach Jahrzehnten der Überschussproduktion und staatlich gestützter Preise eine lange nicht gekannte Größenordnung, wobei beim Benutzen des Begriffs "Rekord" vergessen wird, dass Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Weizenpreise zeitweise noch höher gewesen sind. Doch zumindest in der alten EU hatten sich alle Marktbeteiligten einschließlich der Agrarpolitik zu sehr an Überschuss-Szenarien und entsprechend niedrige Preise gewöhnt.

Aktuell, im Getreidewirtschaftsjahr 2008/2009, hat sich das Preisgefüge für Brotweizen bei etwa 140 EUR pro Tonne eingependelt - immer noch höher als in den Jahren vor 2007, aber in einer überschaubaren Größenordnung.

Es bleibt abzuwarten, ob das augenblicklich moderate Getreidepreis-Gefüge auf Dauer Bestand haben wird. Dagegen spricht, dass Schätzungen zufolge die Bevölkerung der Erde bis 2050 auf 9,3 Milliarden Menschen anwachsen wird, mit entsprechendem Bedarf an Agrarprodukten und Lebensmitteln. Dabei ist die zur Verfügung stehende Ackerfläche begrenzt. Zwar sind im Augenblick sicher noch nicht alle Flächen- und Produktionsreserven ausgeschöpft, doch der Verlust an fruchtbaren Böden, beispielsweise durch zunehmende Versalzung, ist schon heute eine große Herausforderung. Dazu kommen schwindende Süßwasserreserven und ein im Verhältnis zum Bevölkerungswachstum als zu gering eingeschätzter Produktionsfortschritt in der Landwirtschaft. Der erwartete Klimawandel mag in vielen Regionen der Erde die Anbaumöglichkeiten in der Landwirtschaft weiter einengen.

Dieses aus globaler Sicht betrachtete Szenario kann im Einzelfall anders aussehen. So etwa in manchen westlichen Industriestaaten, wo die Bevölkerung aufgrund des Geburtenrückgangs in den nächsten 20 Jahren deutlich sinken wird. Unterstellt, die Landwirtschaft kann im gleichen Ausmaß und mit gleich bleibender Produktivität wie bisher betrieben werden, stünden einem abnehmenden Verbrauch vor Ort zunehmende Exportkapazitäten gegenüber. Theoretisch erschlössen sich auch größer werdende Potenziale für eine alternative Verwertung von Getreide.


Getreideproduktion und Verwendung

Deutschland
Wie vielschichtig die komplexen Verflechtungen zwischen Getreideproduktion, Verwendung und Nachfrage sind, soll zunächst anhand der heimischen deutschen Marktverhältnisse dargestellt werden.

Die in Deutschland geernteten Getreidemengen schwankten in den vergangenen 10 Jahren zwischen 39,43 Mio. t im Trockenjahr 2003 und 51,1 Mio. t im darauf folgenden Rekorderntejahr (Tab. 1). Diese Zahlen stehen für die Ertragsmöglichkeiten des deutschen Getreideanbaus, wobei die Schwankungen vornehmlich witterungsbedingt waren. Im Jahr 2007, dem Beginn der weltweiten Preishausse an den Getreidemärkten, war die produzierte Getreidemenge relativ klein ausgefallen, vornehmlich hervorgerufen durch die Mindermengen bei den beiden wichtigsten Getreidearten Weizen und Gerste. Die Ernteergebnisse für 2008 zeigen im Vergleich zum Vorjahr eindeutig nach oben, bedingt durch Flächenausdehnung (ca. 7,3% als Reaktion der Landwirte auf höhere Gewinnerwartung und verstärkt durch höhere Erträge (+ 16,2% bei Weizen).


Geerntete Getreidemengen (in Mio. t) in Deutschland
Getreide
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008*
Weizen
Roggen
Gerste
Hafer
Triticale
Körnermais,
Corn-Cob-Mix
Getreide,
insgesamt
19,62
4,33
13,30
1,34
2,37
   
3,26
   
44,45
21,62
4,15
12,11
1,09
2,80
   
3,32
   
45,27
22,84
5,13
13,49
1,15
3,42
   
3,50
   
49,71
20,82
3,67
10,93
1,02
3,07
   
3,74
   
43,39
19,26
2,28
10,60
1,20
2,48
   
3,42
   
39,43
25,43
3,83
12,99
1,19
3,29
   
4,20
   
51,10
22,69
2,79
11,61
0,96
2,68
   
4,08
   
45,98
22,43
2,64
11,97
0,83
2,24
   
3,22
   
43,47
20,83
2,70
10,38
0,73
2,06
   
3,81
   
40,63
26,01
3,69
12,05
0,82
2,39
-
4,89
49,90

*vorläufiges Ergebnis

Quelle: BMELV; Analysen und Daten; BEE verschiedene Jahrgänge


Interessanter als die Betrachtung der Erntemenge ist sicher die Frage: Wo bleibt was? Auf Basis der von der ZMP (Zentrale Markt- und Preisberichtstelle, Bonn) für den deutschen Markt zusammengestellten Zahlen für das gesamte Getreide sind entsprechende Details in der Tabelle 2 für die Getreidewirtschaftsjahre 1999/2000 bis 2006/2007 aufgeführt (Angaben für das hochpreisige Wirtschaftsjahr 2007/2008 sind leider noch nicht verfügbar).


Tab. 2: Verwendung von Getreide (in Mio. t) in Deutschland in den
Wirtschaftsjahren 1999/2000 bis 2006/2007
Jahr
1999/00
2000/01
2001/02
2002/03
2003/04
2004/05
2005/06
2006/07
Gesamt
davon:
- Saatgut
- Tierfutter
- Industrie
- Energie
- Nahrung
34,03
1,12
20,33
3,47
8,04
36,51
1,12
22,77
3,47
8,05
38,43
1,10
23,97
3,40
8,75
38,46
1,08
23,49
3,45
9,35
36,75
1,12
21,61
3,60
9,22
39,39
1,09
24,38
3,83
8,85
42,21
1,00
27,65
2,70
0,99
8,75
42,63
0,99
26,40
3,98
1,49
8,51

Quelle: ZMP - Agrarmärkte in Zahlen; verschiedene Jahrgänge. Die Werte korrelieren nicht unmittelbar mit den Produktionsmengen, da im Einzelfall Importe und Exporte sowie Lagerbestände mit einbezogen werden.


Unübersehbar ist, dass der mit Abstand größte Teil des Getreides (> 60%) als Tierfutter dient. Der Bedarf an Getreide für die direkte menschliche Ernährung ist dagegen deutlich geringer (20%). Das Segment "Energie" taucht erst im Getreidewirtschaftsjahr 2005/2006 erfassbar auf und umschließt im Wesentlichen die Verarbeitungsleistungen dreier Bioethanol-Anlagen in Ostdeutschland. Selbst der Wert für 2006/07 ist kleiner als der Wert für sonstige, nicht näher spezifizierte Industrieverbräuche. Gegenüber der Ansicht, Getreidenutzung für Energiezwecke treibe die Rohstoffkosten für Brotgetreide und Lebensmittel in die Höhe, ist hier zumindest für den heimischen Markt Skepsis angebracht.

Das Segment "Nahrung" umfasst überwiegend Weizen und Roggen für die Mehlherstellung. Was viele Menschen jedoch nicht wissen: Weizen ist nicht gleich Weizen. Es gibt eine Vielzahl von Sorten mit markanten Qualitätsunterschieden - solche mit guten bis hervorragenden Backeigenschaften und andere, die im Wesentlichen "nur" als Tierfutter oder Industrierohstoff gezüchtet sind und sich für Lebensmittelzwecke gar nicht eignen. Bei den in Deutschland üblichen Weizenerntemengen dürften steigende Brot- und Brötchen-Preise nur zum geringsten Teil auf Getreideknappheit zurückzuführen sein.

Ist innerhalb des Segments "Energetische Nutzung" die Verwendung von Getreide für die Treibstoffgewinnung schon heftig umstritten, so gilt dies in der oft ethisch begründeten Diskussion um Tank oder Teller erst recht für die Getreideverbrennung. In Deutschland spielt die Getreideverbrennung jedoch kaum eine Rolle, sieht man einmal von Marginalmengen wie Reinigungsabgängen der Mühlen ab. Und was ist gegen die Verwendung von Reinigungsabgängen oder von so genanntem Mindergetreide (z.B. mit hoher Mykotoxinbelastung) als Brennstoff einzuwenden? Derartige Partien will doch wohl niemand ernsthaft als Nahrungsmittel oder Tierfutter verwenden?!

Einige andere interessante Relationen, um die Verwendung von Getreide für die energetische Nutzung einschätzen zu können: Für die Herstellung von Bioethanol sind in Deutschland 2006/07 rund 1,5 Mio. t Getreide (Weizen und Roggen) verwendet worden. Für die Herstellung von Bier werden bei uns jährlich rund 2 Mio. t Getreide (Braugerste) genutzt. Etwa 1 Mio. t Weizen sind nach Angaben des Fachverbandes der Stärkeindustrie im Jahr 2007 zu Stärke verarbeitet worden. 45% dieser Stärke wird für chemisch-technische Zwecke eingesetzt, etwa für die Papierherstellung.


Europa

In der Europäischen Union sind Frankreich, Deutschland, Polen, Spanien, das Vereinigte Königreich und Italien die bedeutendsten Erzeugerländer für Getreide (Tab. 3). Erwähnt werden sollten noch Ungarn und Rumänien, die zwischen 2007 und 2008 deutliche Ertragszuwächse verzeichnen konnten, was auf noch ungenutzte Potenziale hindeutet. In den meisten Ländern ist Weizen die wichtigste Getreidekultur, gefolgt von Gerste. In einzelnen Ländern ist Körnermais eine wichtige Kultur.


Tab. 3: Getreideproduktion in ausgewählten EU-Mitgliedsländern
in 2007 und 2008 (in Mio. t)

Jahr
Getreide (gesamt)
Frankreich

Deutschland

Vereinigtes Königreich

Polen

Spanien

Italien

Ungarn

Rumänien

2007
2008*
2007
2008*
2007
2008*
2007
2008*
2007
2008*
2007
2008*
2007
2008*
2007
2008*
59,82
69,84
40,51
49,91
19,00
24,22
27,12
27,07
23,36
23,12
17,66
21,05
9,68
16,76
7,13
17,61

* für 2008 geschätzt Quelle: ACTI nach Töpfer International 17. Nov. 2008


Ähnlich wie in Deutschland fließt auch in der EU der größte Teil der Getreideerzeugung in die Tierfütterung. Im Getreidewirtschaftsjahr 2006/07 waren es nach Berechnungen des USDA (United States Department of Agriculture) 49% des Weizens, 69% der Gerste und 96% des Körnermaises.

Für das Jahr 2007 finden sich in der Tabelle 4 Schätzdaten des Rohstoffverbrauchs an Getreide (Weizen, Roggen, Gerste) für die Bioethanol-Produktion. Innerhalb der EU ist die Produktion besonders in Frankreich und Deutschland ausgeprägt, mit deutlichem Abstand folgen Spanien, Belgien und Ungarn. Gemessen an der Gesamtmenge des in der EU erzeugten Getreides (vgl. Tab. 5) sind diese Mengen aber nicht marktbestimmend.


Tab. 4: Getreidebedarf 2007 (t) für die
Bioethanolproduktion in Europa*
Deutschland
Frankreich
Spanien
Belgien
Ungarn
Österreich
Niederlande
Tschechische Republik
Schweden
2.000.000
2.600.000
900.000
750.000
700.000
600.000
600.000
400.000
250.000

* Schätzungen aus verschiedenen Quellen zusammengetragen


Weltgetreidemarkt

Hielten sich die Turbulenzen an den Getreidemärkten innerhalb Deutschlands oder der EU im Getreidewirtschaftsjahr 2007/2008 noch einigermaßen in überschaubaren Grenzen, so lässt sich das für den globalen Getreidemarkt nicht behaupten. Ein vielschichtiges Konglomerat aus Mindererzeugung, Nachfrageanstieg, Schwund der Reserven, Korrelation der Rohstoffmärkte an externe Märkte wie Rohöl- oder Aktienmarkt und daraus resultierende Spekulation hatten die Getreide-, insbesondere die Weizenpreise in ungeahnte Höhen getrieben.

In der Tat hatte nach Darstellung des Internationalen Getreiderates (IGC) der weltweite Verbrauch, vornehmlich bei den beiden wichtigsten Getreidearten Weizen und Mais, in den Jahren 2006/07 und 2007/08 die Produktion übertroffen. Schon vorher waren die Getreidevorräte in der Welt zunehmend geringer geworden.

Für das Jahr 2008/09 prognostiziert das USDA eine Ernte sämtlicher Getreide von 2.195 Mio. t, was gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um knapp 80 Mio. t bedeutet (Tab. 5). Zu den wichtigsten Getreideproduzenten zählen die USA, China, die EU-27, Indien und die GUS. Für den Weltmarkt bedeutsam sind aber auch Kanada, Argentinien und Australien, die aufgrund ihrer kleinen Bevölkerungszahl weit über ihren Bedarf produzieren. Witterungsbedingte Mindererträge, wie in jüngerer Zeit mehrfach vorgekommen, führen schnell zu knapper Versorgungslage im internationalen Handel.


Tab. 5: Weltgetreideproduktion insgesamt (in Mio. t)
(inklusive Reis, geschält) Bjarne Riis
Jahr
2001/02
2002/03
2003/04
2004/05
2005/06
2006/07
2007/08
2008/09
USA
VR China
EU (10-27)
Indien
GUS
Kanada
Argentinien
Australien
Welt
321
340
254
198
152
43
35
37
1874
294
343
258
169
158
36
32
17
1821
345
323
241
191
117
50
34
41
1862
386
356
305
189
149
50
42
34
2044
363
372
273
194
147
51
34
39
2019
336
395
259
197
145
48
43
18
2005
414
399
255
213
148
48
42
23
2117
397
408
305
213
183
51
39
34
2195

* für 2008 geschätzt
Quelle: USDA nach Töpfer International


In fast allen Anbauregionen, mit Ausnahme weitestgehend der EU, ist Wassermangel der entscheidende limitierende Ertragsfaktor. So sind die Erträge in Westeuropa dreimal höher als in Kanada, den USA, Australien oder Argentinien. Effizientere Nutzung des vorhandenen Wassers, vor allem aber die Züchtung trockenheitsresistenter Sorten werden entscheidende Faktoren der zukünftigen Getreideproduktion sein.

Auch weltweit dient der größte Teil des Getreides als Futtermittel. Für die Gewinnung von Bioethanol werden nach Schätzungen des IGC im Wirtschaftsjahr 2008/09 etwa 7% (124 Mio. t) benötigt, wobei in erster Linie Mais herangezogen wird (117 Mio. t). Die Bioethanol-Produktion aus Mais ist eine US-amerikanische Domäne. Der Bedarf an Mais für diesen Sektor wird dort laut IGC auf 90-100 Mio. t steigen. Gleichzeitig werden aber die USA wie in der Vergangenheit 50 Mio. t Mais exportieren. Der zunehmende Bedarf an Mais wurde in den vergangenen Jahren vor allem durch Produktionssteigerungen aufgefangen. Nur 15% der weltweiten Maisernte gelangen in die Bioethanol-Produktion. 11% dienen der Lebensmittelerzeugung, 10% zur Herstellung von Industrieprodukten, vornehmlich Stärke, aber 60% der Tierfütterung.

Weltweit werden derzeit 5,8% der Getreideernte 2008 (inklusive Reis) der Produktion von Bioethanol zugeführt (IGC), wobei neben dem dominierenden Mais noch Gerste und Weizen eine gewisse Rolle spielen.


Bewertung und Ausblick

Die weltweite Nachfrage nach Getreide steigt zwar ständig, allerdings bisher auch die Erzeugung (vgl. Tab. 5). In der jüngeren Vergangenheit führten vor allem Missernten in wichtigen Erzeugerregionen zu weltweit schrumpfenden Vorräten, woraus sich eine bisher nicht dagewesene Hausse am Rohstoffmarkt ergab mit einem offensichtlich beträchtlichen Spekulationsanteil. Eine üppige Getreideernte in diesem Jahr auf der Nordhalbkugel ließ die geschilderten Ereignisse binnen Wochen wieder vergessen. Die Datenlage zeigt, dass die unterstellte Verknappung von Getreide wohl nur zu einem geringen Anteil auf seine Verwendung als Bioethanol-Rohstoff zurückzuführen ist. Wesentlich ausschlaggebender ist die zunehmende Nutzung als Tierfutter.

Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Beimischungsvorgaben von 10% Bioethanol im Jahre 2020 die Nahrungsmittelproduktion nicht beeinträchtigen werden, da noch genügend Ressourcen zur Verfügung stehen. Auch weltweit darf dies angenommen werden. Allerdings hat sich mit der energetischen Nutzung eine zusätzliche Nachfragekomponente auf dem Getreidemarkt etabliert. Sollte es in wichtigen Anbauregionen der Welt zu witterungsbedingten und damit unerwarteten Ertragsdepressionen kommen, dürfte dies auch künftig - wie in der jüngsten Vergangenheit - zu deutlichen Preisausschlägen führen. Zusätzlich stellen ungebremstes Bevölkerungswachstum, steigende Nachfrage nach Fleisch und nach Weizen für "westliches" helles Brot ernst zu nehmende Unsicherheiten dar.


Prof. Dr. Meinolf G. Lindhauer,
Max Rubner-Institut (MRI),
Institut für Sicherheit
und Qualität bei Getreide,
Schützenberg 12, 32756 Detmold.
E-Mail: meinolf.lindhauer@mri.bund.de


Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


*


Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
2/2008, Seite 18-21
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsinstitute
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016, Fax: 0531/596-1099
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2009